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frische befinden, ein üppiges erstes Frühstück, das ihnen vorgesetzt wird, nicht nur ohne besondere Schwierigkeit, fondern sogar mit dem besten Appetit zu verzehren! Man nehme sich also vor allem genügend Zeit zum Frühstücken und genieße zum warmen Morgengetränk einen reichlichen Imbiß: nicht eine, sondern zwei, drei und noch mehr Semmeln, nicht trocken, sondern reichlich mit einem Nahrungsfett sowie, zur Erhöhung des Wohlgeschmacks, mit Marmelade. Kunsthonig oder dergleichen b:- strichen! lind auch damit lasse man es nicht genug sein! Gewiß ist heute kaum jemand bei uns in der Lage, sich auf den Frühstückstisch, wie es in England üblich ist. kaltes Fleisch, Fisch, Eier, Speck, Käse, Obst stellen zu lassen. Allein es geht auch auf einfachere und billigere Weise. So z. B kann nicht dringend genug als Beinahrung zurn ersten Frühstück ein dicker Brei aus Hafer» und Gerstengrütze emp- fohlen werden.. Wird die Grütze am Abend vorher in Wasser ge­bracht, so ist sie des Morgens fo durchquollen, daß sie nur ganz kurze Zeit zum Kochen braucht. Mit einem Zusatz von Margarine ver- sehen, mit Salz, Zucker oder Fruchtsaft schmackhaft gemacht, bildet sie«in« Morgenspeise, die ebenso nahrhaft, wie leicht verdaulich und gut bekömmlich ist. Nach einer so oder ähnlich zusaimnengesetztm, jedenfalls hin- reichend sättigenden Morgenmahlzeit, die, alles in allem, etwa so reichlich sein muß. wie dos Abendessen bei der früheren Ordnung, läßt sich immerhin einige Stunden bequem durcharbeiten, und die zweite Mahlzeit braucht dann erst In die kurze Mittagspause, welche auch die durchgehende Arbeitszeit vorsieht, verlegt zu werden. Auch die zweckmäßige Ausgestaltung dieser zweiten Mahlzeit macht oft vllorhand Schwierigkeiten. Zumeist ist es bei uns üblich, hier eine große Anzahl mitgebrachter belegter Schwarzbrotschelben(Stullen) zu verzehren. Das ist an sich gewiß nicht unzweckmäßig. Das Brot bildet mit Recht von jeher den Grundstock einer jefcen vernünftigen Ernährung: ein dicker Fettaufstrich und ein nicht zu dürstiger Belag von Käse, Wurst. Ei steigern seinen Nähr- und Sättiaungswcrt noch In erheblichem Maße. Bei Aufnahmen genügender Mengen bedarf es in der Tat meist nur noch eines geeigneten Getrünkes, am besten eines warmen, anregenden, wie Tee, Brühe, Kaffee, jedenfalls eines alkoholfreien, sowie etwas Obstes, um das Nahrungsbedürfnis sür die bevorstehende zweite Halste der Tagesarbeit hinlänglich zu be- friedigen. Es kann indessen nicht geleugnet werden, daß es in der groß- städtischen Bevölkerung zahlreiche Personen gibt, insbesondere solche weiblichen Geschlechts, denen eine so starke Vrotzufuhr, wie sie zur Sättigung nötig Ist, nicht bekommt, zumal, wenn schon des Morgens Schwarzbrot genossen wurde, oder wenn das Brot etwa zu frisch oder nicht hinreichend durchgebocken ist. Allerhand Unbehagen, Ver- dauungsbeschwerden, Appetitlosigkeit stellen sich ein; auch die Ein­förmigkeit dieser Kost erzeugt bei manchen aus die Dauer Appetit- Mangel. Alles dieses führt nur allzu leicht zu einer Einschränkung der Nahrungsznfuhr überhaupt, die ihrerseits wiederum Schwäche- gefühl, Nervosität und Unzulänglichkeit der Arbeitsleistungen nach sich Zieht. In allen solchen Fällen empfiehlt es sich, das Brotessen beträcht- lich, auf ein verträgliches Moh, einzuschränken und dafür eine besser bekömmliche, schmackhaft zubereitete Speise von Reis, Nudeln, Grieß und ähnlichem zu genießen, die man sich im Thermosgefäß heiß von Haus« mitnimmt oder aber an der Arbeitsstätte wärmt, wozu natür- lich Gelegenheit geboten sein muß. Vor allem aber kommt hier die Benutzung der für alle größeren Betriebe durchaus notwendigen Kantinen in Betracht, in denen neben warmen Getränken auch ein- zeine warme, schmackhafte Gerichte, wie dicke, nahrhafte Suppen, Reis-, Mehlspeisen, leichte mit etwas Fletsch gekochte Gemüse für Arbeiter und Angestellte hergerichtet werden. Schließt man unmittelbar an das Ende der Arbelt die natürlich ausgiebig zu bemesiende Hauptmahlzeit an, so kommt man somit im wesentlichen mit drei Tagesmahlzeitsn aus. Eine Vespermahlzeit kommt nur dort in Frage, wo aus irgendwelchen Gründen die Hai»ptmahkze!t noch auf eine spätere Stunde hinausgeschoben werden muß. Wenn in der hier geschilderten Weise hinsichtlich der Ernährungs- weise und Lebensordnnng den veränderten Verhältnissen gebührend Rechnung getragen wird, dann bringt die durchgehende Arbeitszeit keinerlei Unzuträglschkeltsn und keinerlei Schaden für die Gesund- heit mit sich, und der soziale Fortschritt, den sie in Wahrheit für den Großstädter bedeutet, kann ungestört zur Auswirkung gelangen, der ortschritt, der darin besteht, daß der Arbeitende nach Schluß der -rufstätinkeit noch genügend Muße findet, sich seiner Familie zu widmen, sich im Freien zu erholen, sich sportlich zu betätigen, seinen Liebhabereien nachzugehen und vor allem auch sich geistig sortzu- bilden und anregen zu lassen. DieGezeichneten". Von Egon Roska. Man kann auf recht verschieden« Art sür das Leben gezeichnet fein. Man ist's vielleicht durch ein« Iugendtorheit, die einen zum Verbrecher«erden ließ und dazu zwingt, bis ins Alte? hinein die Kette der Dorbe�traftheit mit sich herumzuschleppen: man ist's, wenn man sich leichtsinnig mit einem Rowdy in Streit einlieh, der einem mit einem Faustschlag das Nasenbein einschlug oder einen dazu zwang, einäugig durchs Leben zu gehen. Und es gibt wohl noch viel« andere Arten. ! Als die harmloseste, weil auch nicht ganz freiwillig gewählte Art, darf wohl die gelten, von der mir hier plaudern wollen, die durch Tätowierung hervorgerufene. Vielleicht wissen die meisten Menschen, die sich igendein Zeichen, ein Symbol auf die Hand, auf den Arm oder �onst wo hin tätowieren lassen, gar nicht. daß sie damit gezeichnet fürs Leben sind, denn Tätowierungen sind nur sehr schwer, keineswegs schmerzlos, und auch niemals so fort- zubringen, daß nicht deutliche Spuren davon zurückbleiben. Und ebenso sicher ist, daß die meisten von denen, die sich tätowieren lassen, vielleicht mit Ausnahme der Angehörigen einiger Berufs- stände, in denen das Tätowieren allgemein üblich ist, wie das z. B. bei den Matrosen der Fall ist, in späterer Zeit diese Kennzeichnung, die sie fürs ganze Leben nun herumtragen müssen, gern los sein wvllem Die Tätowierung war bereits Im Altertum bekannt und bis in die neueste Zeit überall dort Brauch, wo die Menschen nackt, oder doch zum großen Teil entblößt einhergchen. Nach den Mit- teilungen des Hervdot, Strabon und Plinius   war die Sitte bei den Thrakern, Dakern, Karmaten und Agathyrfon(im heutigen Sieben- bürgen) verbreitet, auch bei den alten Asiyrern, und wie die Bibel beweist, auch bei den alten Juden, bei denen das Tätowieren immer wieder verboten werden mußte. Bei diesen mag die Sitte durch das Nomadisieren aufrechterhalten worden fein. Denn bis in die neueste Zeit ist merkwürdigerweise bei allen, die unstät leben, wie ja auch bei den Matrosen, das Tätowieren im Schwünge. Bei den Kreuzfahrern des Mittelalters und bei Wallfahrern nach dem heiligen Land« noch in der neuesten Zeit, war es Brauch, sicy dort Wahrzeichen auf die Arme tätowieren zu lasfe.n Es Ist wohl psychisch damit zu erklären, daß die, die dauernd oder auch nur zeitweilig keine Verknüpfung mit der Scholle haben, ein« festere Anknüpfung an den Gefährten, Genossen suchen, die ihnen die gleiche unaustilqbare Tätowierung gibt. Daher hat denn auch der Weltkrieg den Brauch der Tätowierung wieder sehr ver­breitet. In den Schützengräben, fern von der Heimat wurde die Kameradschaft durch Tätowierung befestigt. Biel  « Taufende ja, wenn man die Heere der Feinde mitzählt, wohl Hunderttausende oder Millionen kamen mit Tätowierung in die Heimat zurück. Wie schon bei den alten Juden, so sind bis in die neueste Zeit Verbote gegen die Tätowierung erlassen worden. In Japan  , wo das Tätowieren noch vor einigen Jahrzehnten allgemein ver- breitet war, wurden, als die europäische   Kultnrwelle über das Land ging, strenge Verbote gegen' die Sitte gerichtet. Aber auch bei den Europäern und in den Ländern, deren Kultur der europäischen verwandt ist, ist das Tätowieren niemals ganz außer Brauch gekommen. Kurz vor dem Kriege war die Unsitte bei der Berliner   Schuljugend so verbreitet, daß die Schul- behörden Warnungen deshalb erlassen mußten. Vor ungefähr zwanzig Jahren war es in der übermütigen Geldaristokratie Amerikas Sitte, daß die Damen sich die Büste und die Arme mit allerlei Blumen, Schmetterlingen, Vögeln usw. tätowieren ließen, und in Frankreich   und England merkwürdigerweise tn Deutsch­ land   nicht, wurde die Unsitte nachgeahmt. Vielleicht würde manche lveniger leicht sich Tätowierungen in dl« Hont geben lassen, wenn sie müßten, daß die Sitte besonders auch bei Verbrechern verbreitet ist. Wollte man die Zuchthäuser und Gefängnisse aller Länder nach Tätowierten durchsuchen, der Prozentsatz würde ein besonders starker sein. Auch hier ist die Cr- klärung aus dem bereits erwähnten psychischen Moment gegeben: Der Verbrecher fühlt sich von der Gesellschaft ausgestoßen, von der Scholl« für alle Zeit getrennt. Da sucht er Anschluß an den Ge- fährten seines Unglücks. In den Kaschemmen und Verbrecher- kneipen finden die Tätowierer gute Kundschaft, und in den Ge- fängnisien selbst wisien die Gefangenen untereinander sich die Täto- wierungen beizubringen, ohne daß es dem Wärter erklärlich wird, woher sie das nötige Material und Handwerkszeug dazu haben. Wie«ine Tätowierung, freilich«ine solche von besonders grau- flger Art. an besonders sichtbarer Stell« wirken kann, erzählt uns Erwin Rosen   in seinen Erinnerungen an sein« Fremdenlegionszeit. Cr war eben tn der Kaserne der Fremdenlegion tn Sidi-bel-Abbes in Algier   eingetroffen und machte einen Spaziergang mit einem älteren Legionär über den Kvsernenhof, wo er die ungeheuerlichsten Eindruck« hatte.Kaum hatte ich mich von meinem Erstaunen erholt", erzählt er,so prallte ich entsetzt zurück. Et» Legionär schritt an uns vorbei, auf dessen Etirne ein grinsender Totenkopf eintätowiert war. Cr lächelte geschmeichelt, als er mein Er- schrecken sah, und freute sich offenbar über den Eindruck, den er gemacht hatte. Ich sagte irgend ettvas über den Wahnwitz, sich für fein ganzes Leben lang so fürchterlich zu verunstalten, und Gattin- ger(der ältere Legionär) meinte nur achselzuckend:So machen sie'» bei den Zöphl-rs. Js nix dabei...1"?s nix dabei! Nichts, als«ine Hoffnungslosigkeit, wie sie schreiender nicht ausgedrückt werden könnte." Die Hoffnrmgslosiqkeit elnes� Menschen, der sein« Rückkehr zur menschlichen Gesellschaft nicht mehr erwartet oder sie verhindern will. Aber, wenn auch nicht in so krasser Form, so kann doch sehr oft in der Tätowierung eine Trennung sür alle Zeit, wenn auch nicht von der Menschheit, so doch von einzelnen Kreisen und Personen liegen. Die Gesellschaft findet nun einmal nicht ihr Gleichgewicht, bis sie sich um die Sonne der Arbeit dreht. Karl Marx  .