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Die Zukunft öes Runöfunks. Von Artur Fürst  . Wenn m<m noch vor einem Jahr in Deutschland   jemandem er- zählte, daß es möglich sei, Konzerte und Vorträge ohne verbindende Leitung frei durch den Aether zu übertragen, dann wurde man aus- gelacht. Dann kam der Berliner   Sender, und noch vierzehn Tagen lchon war die drahtlose Telephoni« etwas Selbstverständliches. Fortab hörte man nichts weiier als:Die Sache ist doch recht un- vollkommen!",Es gibt Grammophone, die bester klingen!",Die Programm« gefallen mir nichtl",Ich kann nicht einmal London  hören I",Diese schrecklichen Nebengeräusch«!". Mit erstaunlicher Geschwindigkeit ist man von einem Extrem in? andere gefallen. Was eben noch ein unglaubliches Wunder schien, ist jetzt schon ein gewöhnliches Werkzeug, von dem man ver- langt, daß es unter allen Umständen die höchsten Anforderungen erfüllt. Vergasten ist das fast unglaublich Großartig«, das in der Talsache der drahtlosen Lautübertragung an sich liegt. Der Apparat- besitzer glaubt verlangen zu können, daß er für zwei Mark im Monat unbedingt an jedem Abend einen vollkommen störungsfreien Konzertempfang hat Wir haben den Rundfunk von heut« mit seinen Schwächen, Fehlern und Unvollkommenheiten. Das ist für das erste Viertel des 20. Jahrhunderts ein Göttergeschenk. Mehr kann die Technik im Augenblick nicht leisten. Also jeder Denkende muß zugestehen, daß es des Wunders genug ist, was sie uns bereits heut« gibt. Der Betrieb ist Im Gang, es gilt nun, ihn zu verbestern. Die nächst- liegenden praktischen Aufgaben seien gekennzeichnet. Es ist kein Vergnügen, wenn mitten durch«in« Arie«in«nd- loser Lastzug von Nebengeräuschen fährt. Das Sausen, Brausen und Prasseln im Apparat Ist ivohl geeignet, den Genuß erheblich zu be- einträchtigen. Ursache sind vermutlich elektromagnetisch« Vorgänge in der Atmosphäre, Aenderungen der Spannungszuständ« zwischen einzelnen Luftschichten, plötzlich ausbrechend« Revolutionen im Lust­ozean, deren Art wir nur wenig kennen. Di« Beseitigung der Nebengeräusch«, das Abwehren der unharmonischen Töne von den Telephonen kann wohl als die wichtigst« Aufgabe zur Verbesse- rung des Rundfunkempfanges angesehen werden. Gerade die hohen, großen Antennen führen die Störungen am stärksten zu. Schon aus diesem Grund wäre es wünschenswert, daß mit kleinen und kleinsten Empfangsluftdrähten gear- beitet werden kann. Wenn man mit einer Zimmerantenne von lmearer oder Rahmenform auszukommen vermag, fallen auch die zahlreichen Streitigkeiten mit dem Hauswirt über die Errichtung von Dachantennen fort, und es schwindet die Blitzgefahr, die frei- lich sehr stark überschätzt wird. Keinesrvegs alle der heut« käuflichen Empfänger gestatten>och die Anwendung kurzer, niedrig liegender Luftdrähte, wenn man einen Empfang mit befriedigender Lautstärke haben will. Recht große Beschwernis bereitet ferner die Noiwendigkeit, Akkumulatoren und«in« Anodenbatterie für die Versorgung von Audion und Verstärkerröhrcn bereitzuhalten. Es muß danach ge- strebt werden, daß sowohl der Reizstrom wie der Anodenstrom unter entsprechender Spannungswandlung aus der normalen Lichtleitung entnommen werden können. Dabei Ist die Bedingung zu stellen, daß die Maschinen im Kraftwert und Schwankungen der Netz- spaimung keine störenden Geräusche hervorrufen. Di« Veranstaltung von E i g e n k o n z e r t e n für den Rund- funkt ist ein Noibehelf. Man kann sich eines gewissen Bedauerns gegenüber den Künstlern nicht erwehren, die t» einem toten, jede Akustik absichtlich vernichtenden Raum musizieren müssen, ohne jede Berührung mit den Zuhörern, ohne die Möglichkeit, jemals durch den Tau des Beifalls angeregt zu werden. Die Rücksicht auf den wirtschaftlichen Nutzeffekt der Einrichtung verschließt auch die Mög- lichkeit, die besten und darum teuersten Kräfte wirken zu lassen. Natürlicher und lebendiger ist die Wirkung der Uebertragung aus Konzertsälen oder Theatern. Die Aufnahmen von Darbietungen großer Örchester oder von Opernaufsührungen durch Rundfunksender ist jedoch heute noch ungenügend durchgebildet. Ein ganz neues Zeitalter wird heranbrechen, wenn solche Ikbertragungen fehlerfrei und dauernd stattfinden können. In einer Stadt, wie z. B. Berlin  , findet an jedem Abend mindestens ein halbes Dutzend musikalischer Aufführungen statt, die zur W« Anleitung an die Rundfunkteil- nehmer geeignet sind. Es ist erhebend, sich vorzustellen, daß man künftig in der Lage sein wird, durch Verstellung des Abstimm- kondensators nach Belieben z. B. die Philharmonie, dl« Staatsoper oder ein Kabarett zu hören. Die Einstellung auf die Wellenlänge ist heute noch nicht scharf genug, um«inen so seinen Wechsel zu ermöglichen. . Ein besonderes Kapitel ist der Lautsprecher. Jeder Be- sitzer eines Empfangsapparats träumt davon, daß er wenigstens«in Zimmer seiner Wohnung mit den Klängen der Rundfunkdarbietung erfüllen kann. Die Zahl derer, die zuhören, soll nicht begrenzt sein. und man will sich frei im Raum bewegen können. Es gibt wohl auch keinen Teilnehmer am Rundfunk, der nicht schon einen Ver- such mit dem Lautsprecher gemacht hätte. Wer aber musikalisch empfindet, kehrt doch wohl immer zum Kopfhörer zurück, der zwar an den Sit; fesielt, dafür aber nicht selten völlig rein« Klänge her- gibt. Es ist noch nicht gelungen, das Problem des lautsprechendcn Telephons restlos zu lösen. Die schwere Masse der Schallplatte ver­ursacht Perzerrungcn und Veränderungen der Töne bis zum Schnarren und Krächzen. Es sind bereits viele Weg« betreten war- den. um den Widerständ der Matene zu brechen oder auszuschalten, aber ein durchgreifender Erfolg fehlt bis zum heutigen Tag. Der Rundfunk ist vorläufig noch vollständig auf das Reich de? Töne befchränkt. Diese Begrenzung wird nicht ewig dauern. E» kann ohne Phantasterei mit Sicherheit vorausgesagt werden, dag in zehn Jahren neben dem elektrischen Fernsprecher auch das eiek« irische Fernsehen möglich sein wird. Bis jetzt hat noch kein Mensch über den körperlichen Sehbereich hinausgebiickt, aber jeden Tag kann ein Apparat fertig fein, der das Schauen in die Fern« möglich macht. Di« Methode, durch die das unvergleichlich großartige Phänomen erreicht werden kann, ist erdacht. E« ist heute mehr ein« Geld- als«ine Konstruktionsfrage, wenn der Fernseher praktisch auftreten wird. Selbstverständlich wird auch dies« neueste Zauberschöpfung der Technik zuerst unvollkommen sein. Es ist kaum möglich, sich«ine großartiger« Leistung de« Menschengeschlechts vorzustellen, als den störungsfreien, leicht auf verschiedene Sendestellen umstellbarer« Rundfunkempfangsapparat mit Lautsprecher und Fernseher. Die Technik wird ihn hervor« bringen. Es braucht also niemand um die Zukunft des Rundfunk« bang« zu fein.__ Erinnerung. Von Jens Lornfen. Spät abends mit dem vollen Mondschein in der Tür kam noch ein Reisender zum Abendbrot. War wohl ein vornehmer Herr ans der Stadt, er trank keinen Schnaps und wollte nicht viel essen. Er müsse auf den Nachtzug warten, jagte er. Aber er war gar nicht steif und ungemütlich. Cr unterhielt sich mit der Wirtin, wüßt« sogar, wie sie hieß, und tat freundlich mit der Tochter, daß sie lo recht von Her.zen für ihn sprang und mit heißem Kops alles herbei« schleppte, was er nur zu sehen wünscht«. Spethmann war wohl eine Stunde durchs Dorf auf und ab« gelaufen, ehe er die einsam« kleine Schenke betrat. Der Zufall hatte ihn durch den Ort geführt. Er hatte allerhand Erinnenmge»» von seiner Jugend darin aufbewahrt, hatte sie im Wandeln gesam« melt und lebendig werden lassen. Di« allerschönste aber hatte e? sich aufgespart. Es brachte ihm viel Vergnügen, daß die Wirtin ihn nicht wieder erkannte. Mein Gott, es lagen ja auch fünfundzwanzig Jahre dazwischen, fünfundzwanzig Jahre in einer anderen Welt, Weib und Kind hatte er, sie hatte ja auch eine Siebzehnjährige, di« ihr aus dem Gesicht geschnitten war. Wie sollte sie wohl an den Wanderer von einstmal denken, der damals in diesem Haus krant gelegen hatte, den sie viel« Wochen gepflegt und so verschwenderisch lieb gehabt hatte. Nur nicht schwermütig werden, dacht« Spethmann und prüft« di« Tochter. Die Mutter hatte ähnlich ausgesehen, damals in fein«? erste.? Verliebtheit. Wie seltsam es doch war, er saß am gleichen Tisch wie einst, er hörte die Stimme, di« gleichen Worte, er hätt» fast laut auflachen mögen. Er dachte in sich hinein, sah durch die Fenster die alte Ulm  « an der Straße. Die stand heute noch, es war genau solch Heller Mondschein gewesen, als er Abschied nahm. Von da zum Dorf» teich, er lächelte in seinen Gedanken zur Wirtin hinüber, stockt« plötzlich und sah statt ihrer wieder die Junge, die etwas verlegen! den Kopf zur Seite wandt« und sein Lächeln erwiderte. Spcih- mann fühlte, wie seine Augenwinkel zuckten. Ei, dem Racker war'S wohl Ins Blut geschlagen? Wie sie sich dreht« unter seinen Blicken. sich mal rank zum Bord hob, an der Lock« zauste und mit hoch«. rotem Kopf an allen Zapfen putzte. Der Wirt ging vorbei, grüßte, Nein, von dem hatte st« nicht so viel! Spethmann sah wieder irt seine Erinnerung hinein, dacht« des großen Scbinerzes seiner junge» Burschenzeit, des Abschieds, von dem sie beide' zu sterben vermein- ten. Ach, das Leben war doch noch froh und so voller Lust gewesen. Ob er sich nicht zu erkennen gab? Es war doch eigentlich töricht, daß er hier mit niemandem über damals sprechen konnte, Zlber das war schließlich eine eigen« Sack;«. Trink dein Glas, Spethmann, und genieße di« Stunde, nachher fährt der Zug und führt dich zu Weib und Kind, ach zu all deinen Lieben heim. Er seufzt« etwas erleichtert. Nur die Aehnlichkeit der Tochte? bedrück!? ihn noch. Er versucht« ein paar unbeholfen« Scherzworte. Das Mädchen wurde wieder dunkelrot vor verhaltener Schelmerei, er wußte nicht, war's über ihn, oder über fein« Worte. Aber ei» blitzsauberes Ding war's, Spethmann wandte sich, aber er mußt« immer wieder ihren Mund ansehen, der genau solch Schalk war, wie der andere vor zwanzig Jahren. Eine Unruhe kam über ihm Er- sah nach der Uhr, zahlte und wollte gehen. Die Tochter wo? verschwunden, die Mutter half ihm irr den Mantel. Er sah sie noch einmal prüfend an. aber sie erkannte ihn nicht. Mit einem Seufzer ging er aus der Tür. Da eilt« ein Schatten drüben unter dir Ulme entlang. Mif einem Satz war er dabei.Ach, Sie sind's, 5)errl" Das Mädchen tat furchtbar erschrocken, wollte weiter lausen. Aber Spethmann hielt sie bei der Hand und plötzlich kam die große Unvernunft über ihn, vergessene Jugend, Leichtsinn und namenlose lustige Verliebt» heil. Er schwang sie im Arm. hatte sie auf einmal umgefaßt unhi küßte die Sträubend« drei-, viermal, wie ein ungezogener Junge. Dann setzte er über den Graben und lief wie ein Verfolgter den Fußweg zum Bahnhof hinunter, ein paar Scheltwort« im Rücken, bis es wieder nachtstill um ihn wurde. Er fing an verlegen zu lachen, suhlte«ine Welle der Be« schämung aufsteigen und strich sich über die Stirn.Weib, verzeih mir die Sünde," seufzte er, aber seine Brust schüttcrt« noch vor ver- halten«? Ausgelassenheit', eine rechte Erinnerung war's doch ge- wesen, war's geworden.