Der«Zugend-Vorwärks" ist ein Diskussionsorgan der Slrbeücr-Iugend und der Jungsoziaiisten. Es können hier ge- legenklich auch Meinungen rum Ausdruck kommen, die dem Standpunkt der Partei nicht vollkommen entsprechen. Die Redaktion trägt daher für den Inhalt dieser Beilage nur die preßgcsehliche Verantwortung. Redaktion des«Vorwärts-.
Von unserer Not. Von Walter Spengler . Die Jahre kommen und gehen. Was gestern war, ist morgen schon vergessen. Wir vergessen, daß wir«in Volk in Not sind, wir vergessen, daß das Ringen um Sein oder Nichtsein Deutschlands noch nicht entschieden ist. Wir vergessen unsere Not. Nicht nur jene Not, die vom Essen und Trinken, vom Kleiden und Wohnen spricht, nicht nur jene Not, die im Niedergang unserer Kunst, im Verflachen un- serer Seele, in der Sehnsucht unserer Jugend klagt, nein, auch jene große nationale Not, die aus der Gesamtheit des Volkes von Zeit zu Zeit in jähem Aufschrei dricht, vergessen wir zuweilen. Aber dann lügt plötzlich ein Geschehen wieder alles erwachen, was wir im Rauschen der Tage übersehen und überhören wollten. Dann steht vor unserem geistigen Auge mit Flammenschrift ein einziges Wort: Versailles . In diesem Wort klingt die Trauer um Elsaß-Lothringen , um Enpen-Malmedy , um die geraubten Teil- Ost- und Westprcußens, um das abgetretene Schleswig , klingen die Leiden des Rheinlar.dcs und des Saargebietes, des Wemellandes, Oberschlesiens , Postns und Danzigs . Man hat uns die gesamte Handelsflotte genommen, die Zink- bergwerke Oberschlesiens , die Saargruben auf S9 Jahre, die Vieh- Herden wurden gelichtet, ganze Wälder wurden niedergeschlagen. Wehrlos, machtlos stehen wir dem allen gegenüber. Wir müssen erdulden, wie man ini Rheinlande Landesverräter, von deutschen Gerichten verurteilt, seitens der französischen Behörden wieder freiläßt, wir müssen erdulden, wie man deutsche Einwohner aus den besetzten und geraubten Gebieten wie Verräter davonjagt. Das alles aber heißt: Frieden. Wir aber jagen: das ist der Friede nicht! Das ist die Fort» setzung des Krieges mit anderen Mitteln. Des ist der Krieg, in dem die Frauen und Kinder in den vordersten Gräben stehen, das ist der Krieg eines blindwütenden Militarismus gegen ein wehrloses, fleißiges Volk. Für uns geht die Frage um Sein oder Nichtsein. Es wird wenig darauf ankommen, was wir darauf antworten, alles aber darauf, was wir tun und was wir wollen. Wir, das sind di« von morgen und übermorgen, das ist Deutschlands Jugend und in erster Linie die Jugend des werk- tötigen Volkes. Werden wir fatalistisch in unserem Leid, so wird Frankreich nicht zögern, uns zu gegebener Stunde letzte und aller- letzte Schläge zu versetzen. Wächst aber eine Jugend heran, di« edel im Denken, tapfer im Ertragen, fest, unerschütterlich fest im Willen zur nationalen Freiheit, unermüdlich im Schaffen am Wiederaufbau unseres zer- schlagenen Vaterlandes ist, dann kann man uns wohl drücken und biegen, zerbvechel, kann man uns nicht. Denken wir daran, daß unsere Väter und Mütter auf uns schauen, auf uns warten. Wir Jungen haben noch alle Mögl'ch- leiten vor uns. Bisher hoben wir kein« oder doch nur wenig Ge- legenheit gehabt, zu beweisen, ob rpir etwas taugen oder ilitfjt. Gewiß, wir haben viele Schmeichler um uns, die uns sagen, wir seien neue Menschen und besser als die anderen, wir sei«n heilige Feuer. Traut ihnen nicht! Laßt sie nicht unsere Führer werden, sie sind gefährlich. Unsere Freunde sind eher noch jene, die uns unsere Unzulänglichkeit vorhalten und sich nur durch unsere Tat umstimmen lassen wollen. Wir wachsen an unseren Gegnern besser als an unseren Schmeichlern!
vsZksgememsthast� Von Otto Lamm. Eine nationalistische Welle geht durch unser Volk. Sie wird ver- anlaßt durch d'< Gewalttaten des französisch-belgischen Militaris- N'.us. Diese Taten rufen di« chauvimstischcn und kapitalistischen Instinkte gewisser deutscher Bolkskrcise wach, die durch ihr« unüber- legten Taten das denkbar größte Unheil anrichten, wenn ihnen nicht rechtzeitig entgegengetreten wird. Die Leidenschaft ist von jeher ein schlechter Berater gewesen. Die nationalistische Leidenschaft wird, wenn ihr nicht bald das Hand- werk gelegt wird, den Untergang des deutschen Volkes, zum min- besten der deutschen Republik zur Folge haben. Zu welchem Grade der Blödheit der nationalistische„Geist" in Deutschland gediehen ist, ersehen wir daraus, daß in dem Moment, wo Deutschland niachtlo» am Boden liegt und fremdes Militär groß« Gebiete Deutschlands besetzt, deutiche Volksgenossen, darunter auch Ange» hörige der bürgerlichen Jugend, singen:„Siegreich wollen wir Frankreich schlagen!" Angesicht« der Tatsache, daß militaristische und kapitalistische Gewalten di« Existenz de» deutschen Volke» bedrohen, blasen ge- wisse Element« zur Einigkeit, zur Volksgemeinschaft. Besonders die Jugend soll mit diesen Worten eingefangen werden. Unter der Parole„Gegen Versailles " soll eine Volksgemein- schaft gegründet werden. Es ist bezeichnend für das deutsche Volk, daß dauernd über den Friedensvertrag und seine Folgen geredet wird, daß man aber kein Wort darüber verliert, was vor diesem Friedensvertrag gew -esen ist bzw. w-elche Ursachen der Friedens- vertrag hat. Man tut gerade so, als wenn die Geschichte erst seit dem Abschluß des Versailler Vertrags datiert. Es ist deshalb ange- bracht, einmal darauf hinzuweisen, daß der Friedensvertrag nur eine Folg« jenes Krieges war, an dem auch die damaligen deutschen Gc- walthaber durchaus nicht unschuldig sind, und an dessen Ausbruch der deutsche Militarismus und deutsche Kapitalismus ihr gerüttelt Maß Schuld haben. Es dürfte ferner auch angebracht sein, sich gerade im gegenwärtigen Moment einmal di« Taten des deutschen Militarismus, die er im Kriege vollbrackt hat. vor Augen zu halten. Als im Jahr« 1918 die deub'chen Heer« Frankreich »erlaffen mußten, war der größte Teil des ehemaligen besetzten Gebietes zu einer Wüste geworden. Vor allen Dingen das Industriegebiet war voll- kommen zerstört. Die Bergwerke wurden ohne militärische Not- wendigkeit unter Wasser gesetzt und sind deshalb für unabsehbar« Zeit unbrauchbar. Maschinen wurden zerstückelt. Hunderttausende von Wohnhäusern In Schutt und Asch: gelegt, die letzten Rlste der Vegetation vollständig zerstört. Unter den Folgen des deutschen Misitarismus muß jetzt das deutsche Volk leiden. Zweifellos ist di« heutige Jugend an diesen To«.en unschuldig. Sie hat deshalb das Recht, gegen die äugen- hlicklichen Gewalttaten des französischen Militarismus zu protestieren.
Nummer 1/ Freitag, den 2. Februar 1923
! um so mehr, als sie unter diesen Gewalttaten am meisten leiden muß. Im Namen der einst von der französischen Republik prokla- micrten Menschenrechte kann die deutsche Jugend verlangen, daß sie nicht für die Gewalttaten einer früheren Generation verantwortlich gemacht wird. Dieses Recht der deutschen Jugend zum Protest wird i jedoch in dem Augenblick verwirkt, in dem sie gemeinsame Sache macht mit den Volksschichten, di« mitschuldig sind an dem Ver- brechen, das in den Jahren 1914 bis 1918 an der Menschheit verübt wurde. Für den Krieg und die Kriegsfolgen gilt das Wort:„Das ist der Flu» der bösen Tat, daß sie fortzeugend immer Böses mutz gebären. Wer die Geschichte der Menschheit kennt, der weiß, daß von jeher ein Krieg im Lauf« der Zeiten einen oder mehrere an- dere zur Folge gehabt hat. Die deutsche Jugend, zum mindesten die deutsche arbeitende Jugend, muß deshalb, wenn sie mit dem Krieg als solchem brechen ivjll, jeden Krieg bekämpfen. Daraus folgt, daß si« auch den Nationalismus, ganz gleich, wo sie ihn vorfindet, zu bekämpfen hat. In Deutschland wird gegenwärtig unter der Parole„Volks- gemeinschaft" eine Hochkonjunktur für' den Nationalismus vor- bereitet. Di« Parole der Arbeiterjugend kann nicht stjn„Volks- gemeinschaft", sondern sie muß lauten:„Für V ö l k e r v e r st ä n- dignng und Pölkerfrieden, g«gen Krieg und Nationalismus."__ Nehe parteipolitistbe SWungsarbeit. Von Gcrhart Scger. Seit der Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft wunde es in der deutschen Arbeiterbewegung als eine der hervorragendsten Aufgaben angesehen, die sozialistische Erkennt- ins vom Wesen der Gesellschaft immer weiter auszubreiten und auch immer mehr zu vertiefen. Die Arbeiterbewegung handelte nach dem Worte von Karl Marx , daß die Theorie eine gesellschaft- iche Macht wird, wenn sie die Massen ergreift. In der Arbeiter- p>nl wurde die planmäßige Bildungearbeit, die in der Parteischule ze.'iral und an vielen Orten lokal eifrig betrieben wurde, lebhaft unterftützt! die Parteilileratur brachte fortgesetzt Veröffentlichungen, die neben der 2iusbreitung des wissenschaftlichen Sozialismus auch seiner Vertiefung dienten. Der Krieg zertrümmerte, wie jede andere Kultur, auch dieses Stück Kulturarbeit, das die deutsche Arbeiterklasse an sich selbst ge- leistet hatte. Di« unheilvolle Spaltung der Arbeiterbewegung er- zeugte zudem noch eine Zersplitterung der Kräfte und lenkte die Aufmerksamkeit von der Bildungsarbeit ab. Endlich aber: Die Ar- beiterschast stand— oder glaubte zu stehen— vor dem entscheiden- den Schritt von der Theorie zur Praxis, vom wissenschaftlichen So- zialismus zum praktischen Sozialismus. In den Regierungen des Reiches und vieler Länder, in den Vsrwaltungskörpersäiastcn der Gemeinden saßen nun eine Menge Sozialdemokraten und mußten praktische Arbeit leisten. Der Umschwung im ganzen Partsilcben war gegenüber der Vorkriegszeit so gewaltig, daß eine Fülle von Kräften, die früher di« Träger der Bildungsarbeit waren, zur prak- tischen Arbeit herangezogen werden mußten. Damit entstand jene Situation, m der sich heute die deutsche Arbeiterklasse befindet und die eine furchtbare Gefahr in sich birgt: die Gefahr einer g c i st i- gen Verflach ung der deutschen Arbeiterbewegung. Diese Gefahr besteht und kann gar nickt überschätzt werden. Der Inhalt der Parteiprcsse beweist allein schon, wie weit diese Verslachung fortgeschritten ist. Wo finden wir in der Parteipresse Artikel, die polisische Situationen oder politische Fragen aus der tagespolitischen Betrachtungsweise herausheben und mit aller Gründlichkeit wissenschaftlich-sozialistischer Methode behandeln. Der Parlamentarismus, die Republik , die Tatsache, daß die Arbeiter- schaft heute die politischen Aufgaben erfüllen muß, die das deutsch « Bürgertum 1848 hätte erfüllen müssen— all das bringt heute in die Arbeiterbewegung eine ganz andere, unsozialistische G«istesver- fassung hinein, als drin sein müßte.„Der Staat aber, einmal ein« selbständige Macht geworden gegenüber der Gesellschaft, erzeugt als- bald eine weitere Ideologie"— so sagt Engels im„Ludwig Feuer- dach". Diese Ideologie, die die bürgerlich-demokratische Republik erzeugt, verdrängt in beängstigendem Maße das sozialistische, das Klassenbewußtsein der Arbeiterschaft in der deutschen Sozialdemo- kratie. Ueber der Erhaltung der Republik wird allzu oft vergessen, daß die Republik trotz aller Demokratie die Staatsform der bürger- lich-kapitalistischen Gesellschaft ist: daß zwar die Arbeiterklasse jede mögliche Machtposition dieser Republik erobern und erhalten muß, aber doch nicht als Selbstzweck,.sondern als Mittel zum Zweck, als Kampfesmittel zur Ueberwindung der kapitalistischen Gesellschafts- ordnung. Die verhängnisvolle Entwicklung unserer Geistesverfassung wird, besonders bei dem so wichtigen Nachwuchs der jünge- r e n Kräfte, noch verstärkt durch das Volkshochschulwesen. Ist es jetzt, nach so viel Jahrzehnten sozialistischer Arbeiterbewegung, wieder notwendig, klarzulegen, daß es eine Ideologie der herrschenden Klassen gibt, durch die das Proletariat, die unterdrückte Klasse, in geistiger Abhängigkeit gehalten wird? Ist es jetzt wieder not- wendig, zu sagen, daß nur die allerdümmsten Kälber ihr« Metzger selber wählen— daß man sich nicht geistig befreien lassen kann durch die Träger der bürgerlichen Wissenschaft, ganz besonders in Ge- schichte, Staatslehre, Wirtsckastswissenschoft und Politik? Ja, es ist leider notwendig, diese Binsenwahrheiten aus der Anfangszeit der Arbeiterbewegung wieder vorzutragen! Nach dem Kriege ent- deckten weite Kreis« des Bürgertums plötzlich, daß die Arbeiterbe- völkerung in der Volkshochschule doch zu schlecht weggekommen sei; eine Flut von„Volksbildung" ergoß sich über die Arb'iterklasse, eine Art„geistiger Wohlfahrtspflege" größten Stiles wurde insze- niert. Ohne weiteres kann man zu 75 Proz. den Veranstaltern dieser Volksbildung den besten Willen, die ehrlichsten Absichten unterstellen: sicher werden nur wenige Träger dieser„geistigen Wohlfahrtspflege" bewußt das Ziel verfolgen, durch die Auswahl des Bildungsstoffes in der Arbeiterschaft planmäßig bürgerlich« Ausfassungen zu erzeugen. Dennoch, ob absichtlich oder nicht, ist die Wirkung dieser massenhaft betriebenen bürgerlichen Volksbildung praktisch überall dieselbe: es wird so eine Art„Hebung der All- gcmeinbilduTig" erreicht, die mit«iner.Pflege, Ausbreitung und Vertiefung der sozialistischen Weltanschauung nicht das nfindeste zu tun hat...„ Die wenigen Stunden und die wenigen Mittel, die die Ar- beiterschast an sich selbst verwenden kann, sind aber zu kostbar, als daß sie an Experimente verschwendet werden dürsten, die sich in ihren letzten Folgen doch nur gegen die Arbeiterklasse selbst richten. Der Krieg hat gerade die Arbeiterschaft fürchterlich dezimiert; die junge Generation, die jetzt in die lückenhaft gewordenen Reihen des Proletariats nachwachsen soll, ist' zu kostbar, als daß man ihre Er- ziehung dem bürgerlichen Gegner überlassen sollt«. Dies darf um so weniger geschehen, als die Volksschule der Republik sich nur an wenigen Orten und in sehr bescheidenem Maße von der Schule des kaiserlichen Deutschlands unterscheidet.
Aus dieser geistigen Situation der Arbeiterklasse, wie sie hier mit wenigen Strichen zu zeichnen versucht wurde, ergibt sich als logische Folge die Forderung: mehr parteipolitische Bildungsarbeit! Es ist jetzt, leider auch bis in unsere Reihen und— was noch schlimmer ist— bis in unsere Presse hinein, Mode geworden, das Parteiwesen zu verachten; man scheut sich vor„parteimäßiger Ge- bundenheit" und vor dem„Schwören auf Parteiprogramme". Das sind alberne bürgerliche Phrasen. Es zeugt von einem sehr unge- sckichllichen Denken, wenn dieses Urteil über die Parteien nachgc- plappert wird; die Parteien sind keine Erfindung des Teufels, son- dern ein Ergebnis der geschichtlich«, Entwicklung: sie find der poli- tische Ausdruck und die politische Kampfesform der ökonomischen Klasseninteresscn. So gut wie dos kapitalistische Bürgertum und die Agrarier sich der Parteien bedienen, so gut bedient sich die Ar- beiterklasse ihrer Partei, di« so viele Jahrzehnte schwer um ihre Existenz gerungen hat und die nun endlich aus den Parteien wieder d i e Partei geworden ist. Die Partei der Arbeiterklasse wird aber ihre hohe Aufgabe nur dann erfüllen können, wenn die Massen wieder mit der Liebe an ihr hängen und in ihr leben, die vor dem Kriege selbswerständlich war.'Deshalb brauchen wir eine junge Generation, die die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie achten lernt, die begreift, daß das Schicksal der Partei das politische Schicksal der Arbeiterklasse ist. Deshalb braucken wir auch wieder mehr partelvolisische Vildungsarbeit, sozialistische Bildungsarbeit, die plamnäßig zum Kampfe m den Reihen der Partei vorbereitet, an Stelle der verschwommenen bürgerlichen Allgemeinbildung. Wir sind Sozialisten, kämpfen als Sozialdemokraten und tragen in uns »in« Erkenntnis vom Wesen der menschlichen Gefellschaft, die uns und unserer Jugend kein Andersdenkender»ermitteln kann!
veegeßt öie Närzgefallenen nicht! von Richard Schwartz. Die Kugel mitte» i» der Brust, die Ettrne breit gespel'.en, so hobt Ihr UNS auf blut'gem Brett hoch in die Luft gehaltcn! Hoch in di« Lust mit wildem Schrei. «ah unsere Kchmerjgedilrd« dem, der zu lätrn uns befahl, «in Fluch auf ewig«erd«. Freiligrath. Zum 75. Male wiederholt sich in diesem Jahre der Tag, für den der Dichter diese Worte schrieb. Der 19. März 1848. Am Tage vor- her war Berlin Schauplatz blusiger Barrikaoenkämpfe, wobei dos liberale Bürgertum mit Unterstützung des arbeitenden Volkes den Sieg für kurze Zeit errungen hatte. Die Truppen mußten abziehen, und zur gleichen Zeit zogen die Kämpfer der Freiheit zum Schloß, um dem Könige eine neue Forderung— die Volksbcwaffnu ,g— zu übermitteln. Währenddem hatte man die Leichen der Kämpfer im Schloßhofe aufgebahrt und mit Blumen geschmückt. Der König wurde gezwungen, die Leichen zu grüßen, und treffend sagt da der Dichter, als der König den Hut zog,—„so sank zur Marionette, der erst em Komödiant« war!" Der 22. März nahte. Der Tag war dazu ausersehen, die Barri- kadenkämpfer zu bestatten. In 183 Särgen brachte man die Toten zum Friedrichshain , wo sie ihre letzte Ruhestijtte fanden. Schmuck- lose Gedentsteine nennen die Namen der hier Schlummernden, doch nur mit Mühe kann man sie entziffern. Da ruht„Ein u n b e- kannter Mann" und dort der Schlosserlehrling Ern st Zinna, der die Barrikade an der Ecke der Jäger- und Friedrichstraß- mit ! dem Schlossergesellen Wilhelm G l a s e w a l d muttg verteidigte. � Als die Barrikade siel, da fiel auch der 17jährige Zinna. Früher war der kleine Friedhof im Friedrichshain der Wallfahrtsort der Berliner Arbeiterschaft. Taufende zogen am 18. Marz dorthin, um derer ehrend zu gedenken, die ihr warmes Lebensblut für die Freiheit vergossen hatten. Und heut«? Man hat die Revolu- tionäre von 1848 fast vergessen. Das Bürgertum, das damals mit als treibender Keil der Bewegung anzusehen war, dieses Bürgertum hat seine Toten gänzlich vergessen. Die Demokraten, die bei jeder Gelegenheit betonen, daß die Märzgefallenen ihre Väter waren, denken nicht mehr daran, die Gräber zu besuchen. Wie war es im Vorjahre? Wo sonst am frühen Morgen unsere alte rot« Farbe zwischen den Gräberreihen aufleuchtet:? Erst spät kamen die einzel- neu Abordnungen der sozialistischen Parteien und Zeitungen, um Kränze niederzulegen. Einige Gewerkschaften folgten, und die Arbeiterjugend Friedenaus legt« einen schlichten Kranz nieder. Das war alles! Wo aber wur die demokratische Jugend? Wo war die Demokratische Partei ? Si« glänzten durch Abwesenheit. Werden sie in diesem Jahre kommen? Nachdem die Demokraten den„Mut" auf- gebracht haben, den Antrag der sozialistischen Parteien auf Instand- setzung der Gräber der Märzgefallenen zu Fall zu bringen, muß diese Frage verneint werden. Uns als Arbeiterjugend bleibt es jetzt überlassen, die Gräber unserer Kämpfer gebührend zu schmücken. Der 13. März 1923 ist ein Sonntag. Allen ist somit Gelegenheit gegeben, die Gräber der Barrikadenkämpfer auszusuchen. Jugcndgenessinnen und-genossen! Sammelt schon jetzt in euren Abteitungen für eine schlichte Blumenspende. Und ist der IL. März da, so«ollen«ir alle zum Hain pilgern und dort»ine kurze Andacht halten. Werbt für diesen Gedankenl Vergeht die Märzgefallenen nicht!
Johannes Saffenbach. Einer unserer besten Freunde verläßt uns, um in anderer«ich- tig«r Stelle für die internationale Arbeiterbewegung zu wirken. Johannes Sassenbach tritt am 1. Februar seinen Posten als rnjjir- nationaler Sekretär an und verläßt damit seinen hiesigen Wirtungs- kreis. Was di« deutsche Arbeiterbewegung, was die Jugendbewegung insbesondere an ihm verliert, das können wir heut« noch nicht über- sehen. Seine Sprachkenntnisse, sein großes Wissen und sein realer Sinn gaben ihm im In- und Auelande einen starken Einfluß, und überall gehört sein Herz der Jugend. Er konnte hinfahren, wohin er wollte, ob nach Italien od«r nach England, die ersten, die ihn empfingen, waren Jugendliche. Als Vorsitzender der Gewerkschafts - jugend, als Mtglied des Haupworstandes der Sozialdemokrattschen Arbeiterjugend fehlte er auf keiner Taqung und Konferenz. Immer war er mit Rat und Tat zur Stelle. Mit der ganzen Kraft widmete er sich den Bildungsbestrebungen. Er gehört dem Zentralbildungs- ausschuß der Partei an, und in seiner großen Bibliothek fand manch einer Bausteine de» Wissen». AI » Vorsitzender der Volkshochschule Groß-Berlins hat er starte« Anteil a« der Entwicklung de» Volk, hoch- schulgedantens. Nie drängte er sich in den Vordergrund. Bescheiden und zurück- haltend, frei von jeder Effekthascherei, so kennen wir unseren Sössen- dach. Mit unserem Gruße und mit unserem Dank rufen«ir ihm ein„Auf Wiedersehen!" zu. K. W: