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ein Bolksredner im schönsten Sinne des Wortes- von dem, was ihm im Herzen überquoll. Um zum Sozialismus zu gelangen, brauchen wir zuerst fozialistische Menschen", bekannte er unter ftür­mischem Beifall aller Anwesenden.

Nach Schluß der Verfamumfung trat ein Mann im schlichten Arbeitstittel auf ihn zu und gab sich als Kamerad jener Greifswalder Sturm- und Drangperiode zu erkennen, da Haenifch wegen fozia listischer Umtriebe" von der Schule gewiesen wurde. Es war ein er greifendes Wiedersehen, bei dem zwei reife Männer, die sich 30 Jahre lang aus den Augen verloren hatten, Erinnerungen aus ihrer frühen en aus ihrer Jugend austauschten.

Dann folgte ein einzigartiger Weiheaft. Die Arbeiterjugend marschierte unter Abfingung eines ihrer Kampflieder auf und brachte dem Sohne Vorpommerns ihre Huldigung dar. Eine Jugend genoffin hielt eine furze, schlichte Ansprache und drückte Haenisch den Dank der Jugend für seinen idealistischen Kampf um die geistige Be freiung der Jugend und das Gelöbnis, fein Lebenswert fortzusehen, aus. Dem überraschten Haenisch rollten die dicken Freudentränen über beide, Baden. Als das Mädchen geendet hatte, sprang er auf, dankte für die Rundgebung und gab, während anfangs manchmal die Rührung seine Stimme zu erstiden drohte, Erinnerungen aus den ersten, oft an harten Entbehrungen und Entfagungen reichen Jahren feiner Tätigkeit im Dienste des Sozialismus wieder. Immer froher und leuchtender wurde fein Blid, als er schließlich die geistige Wand­lung der letzten beiden Jahrzehnte feststellte und den verheißungs. vollen Aufstieg der Jugendbewegung mit dem anfeuernden Hinweis auf die Jugend als Träger der Zukunft des Bolles begrüßte.

Selten hat wohl jemand andächtigere Zuhörer gehabt wie Kon. rad Haenisch bei der Arbeiterjugend. Und als zum Schluffe die jungen Burschen und Mädchen das Lied Wann wir schreiten Seit an Seit" anftimmten, da fang auch Haenisch mit ewig jungem, bren nendem Herzen mit und gab feiner Berbrüderung mit der Jugend in den Worten Ausdruck: Mit uns zieht die neue Zeit!"

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Dr. Bolze

Literatur und Jungproletariat.

Das Individuum durchläuft von der befruchteten Eizelle bis zum Eintritt der vollen geistigen und förperlichen Reife in raschen und abgekürzten Stadien die gesamte, über ungeheure Zeiträume aus gedehnte Entwicklung feiner Ant. Diesem großartigen Prozeß ist nicht allein feine organische, also psycho- physische Existenz unter worfen, er erfaßt auch den Menschen als Träger überorganischer, foziologischer Funktionen.

Dieses von Engelbert Graf zuerst scharf formulierte, doch auch von Müller- Lyer schon betonte und von Hädel angedeutete fultur­genetische Grundgesetz als eine Ausdehnung des allgemeinen bio. genetischen Grundgefeßes der modernen naturwissenschaftlichen Ent. wicklungslehre auf das Gebiet der Soziologie, der Wissenschaft von der Kultur, tritt jedoch keineswegs nur in dem Wechsel der geselligen Reigungen beim jungen Menschen zutage. Nicht minder deutlich zeichnet es sich in dem Wandel der inneren Vorstellungs- und Er lebniswelt ab, der sich in der Literaturwahl in so flaren Konturen offenbart.

Sage mir, was du lieft, und ich sage dir, wer du bift!"- diefer eft gedantenleer hingleitende Saz weist dem Jugendpsychologen eine breite und an Aufschlüssen reiche Straße in das schwer zugängliche und oft argwöhnisch gehütete Seelenleben des Jugendlichen. Die Straße führt den Sehenden zugleich an den Stationen vorbei, an denen das jugendliche Gemüt rajtet und an den Trümmern der Er lebnisformen taftet, die frühe Generationen feiner Kulturrasse zurüc gelassen haben.

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Borzeitliche Mythenbildung, epische Heldenverehrung und aus dem realistischen Erkenntnistrieb geborenes nacherlebtes Gestalten - das sind die ganz großen Phasen, die das dichterische Schaffen in dem fontinuierlichen Werden einer Kultur durchläuft und die fich ungefähr deden mit entsprechenden Abschnitten in der Entwicklung des philosophischen Denkens: die erste mit der naiv- utilitarischen, die andere mit der theologisch- anthropomorphen Naturauffassung, wäh­rend die dritte sich über die verschiedenen Stufen erstreckt, die mensch liche Einsicht seither erflomm.

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Mit dem Märchen versenkt sich das lesende Kind tief in die mythische Vorstellungswelt. Beim Abschluß der Kindheit erfährt das Marchen eine starte unwillige Ablehnung, die oft unvermittelt zum Ausbruch tommt. Das Heldenzeitalter tritt in seine Rechte, und die historische Erzählung, die abenteuerliche Schilderung, die Detektiv, Indianer, Reifeerzählung müssen der plößlich erwachten Erlebnisgier des Jugendlichen, feinem Drang nach äußeren Spannungen genügen. Dabei ist die Beobachtung charakteristisch, daß für die historische Sage oder selbst beim fatholischen Jungproletarier für die Helligen. legende tein Sinn vorhanden ist. Grund dafür ist eine Nebenein. Stellung, die das Interesse am Stoff, an feiner fubjettiv entschiedenen Wahrheit und an seiner Anwendbarkeit auf die eigene Person orien­tiert. Wir find damit mitten in ben wucherischen, phantafiegeschwän­gerten Urwaldfümpfen der Schundliteratur, wo feindliche Horden streifen und wilde Tiere lauern. Ob sechzig Bände Karl May   oder Techshundert schreiende Zehnpfennighefte während dieser Zeit ver­chlungen werden, will mir herzlich gleichgültig bedünken. Zwischen Leberftrumpf und Winnetou, die man doch den Jugendlichen be­denkenlos in die Hände gibt, und den endlofen Serien von Teras

Jack und Buffalo Bill   ist doch nur ein formaler Unterschied bei völliger Gleichheit der Stoffgattung und vor allem der Erlebnis­struktur.

Der fanatifche Lippenlärm gegen die Schundliteratur erscheint daher auf dieser Stufe als blinder Eifer; es wird eine Geldfrage sein, Conan Doyle   in die Bezirke der Weltliteratur eintrat, preis den fenfationshungrigen Köpfen den echten Sherlock Holmes  , mit dem zugeben und ihnen die Tortur zusammenhanglofer, im Schmier­stil verzapfter Rat- Pinkerton- Heftchen zu erfparen, doch wird es fich immer als vergebliches Mühen erweisen, ihnen mit Theodor Storm   oder Gottfried Keller   zu Gefallen zu sein. Man soll der Natur ihr Recht gewähren und das Bedürfnis nach Heldenromanti zur rechten Zeit erschöpfen, statt es zu verdrängen, was oft ein ge­fährliches Experiment bedeutet.

Robinsonaiter" auch die Empfänglichkeit für das Drama( ohne daß Ganz im Rahmen des Affekterlebnisses liegt in diesem darum der tragische Konflikt in seinen seelischen Tiefen erfaßt würde). Man wende nun nicht ein, daß die Abenteuerliteratur den Jugend lichen umflammere. Wenn der spannungsfüchtige Typus in une zähligen Fällen ein dauernder wird, so findet das eine andere Be gründung.

Im Jugendlichen wird sich beim Abschluß der Pubertät zu seiner Zeit der realistische nüchterne Erkenntnistrieb einstellen, an dem sich das Literaturerlebnis umorientiert und mehr nach den inneren Ent­Da aber schiebt sich das Bildungsprivilegium der herrschenden Schicht ladungen   und Spannungen stillen, tragischen Geschehens begehrt. dem jungen Werftätigen in Gestalt eines nur schwer übersteigbaren Heminiffes in den Weg. Er refigniert in den meisten Fällen vor ben formalen Schwierigkeiten ber höheren Literatur. Das Bolt spricht zwei Sprachen und die Schriftsprache der Gebildeten hat Denfzeichen für seelische Borgänge ausgebildet, in deren Handhabung der junge Proletarier nicht unterwiesen wurde.

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Die öftere Folge ist dann der endgültige Leseabfall". Wir Die Intelligenteren diefes Typus ergeben fich dann in den proleta­haben den Typus des Fertigen", des erschreckend früh Erwachsenen. rifchen Parteien der Neigung, fertige Dentrefultate zu übernehmen und fördern einen Intellektual- Dogmatismus, der besonders in der Kommunistischen Partei, die sich ja mit Stolz den Hort des Jung proletariats nennt, feine Blüten treibt.

In einem anderen Falle verharrt der Jugendliche auf der Stufe des Affekterlebnisses, das in feiner unzeitgemäßen Romantit feine Erfüllung sucht. Wir haben den Typus des ewig Jugendlichen, des hysterischen Naturschwärmers, des Settierers ber Jugendbewe gung, mit feiner wissenschafts- und traditionsfeindlichen Einstellung, mit seiner Unverföhnlichkeit gegenüber der erwachsenen Generation der eigenen Klaffe, der allein daran Schuld trägt, daß die Jugend­bewegung bisher nicht schöpferisch war im Sinne einer proletarischen Eigenkultur.

Beiden gemeinsam am Literaturerlebnis ist die Berständnislosig feit für Lebenstragit und deren Gegenmacht, den befreienden Humor. Ausgebildet jedoch ist der Sinn für handgreifliche Romit, Senti mentalität und Bathetit. Man glaube nicht, daß fich dieser formale Mangel am Schatz abftrafter Begriffe auf das Literaturerlebnis allein erstreckt; er hemmt auch beim Genuß der darstellenden und der bildenden Kunst, denn das Runsterlebnis taucht erst dann in das volle Licht des Bewußtseins, wenn das Gehirn stumm oder laut das erlöfende Wort formt. Aus dem Umstande, daß diese Erscheinung zum größten Teil der werttätigen Bevölkerung gilt, ist überwiegend auch die Maffenbeliebtheit der auf grobe Sensationen hinzielenden Lichtspielfunft unserer Tage zu erklären.

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Wie hier Wandel schaffen? Da fann es nur heißen: Schulung, Schulung! für die Gesellschaft, und Lernen, Lernen! für jeden einzelnen. Zeit und Mittel hierfür zu schaffen, ist eines der fultu rellen Hochziele des proletarischen Befreiungstampfes. Richard Rainer.

Zur Psychologie des Jugendalters.

Auf der letzten Konferenz der älteren Mitarbeiter der Groß­Berliner Sozialistischen Arbeiter- Jugend hielt Genoffe Dr. Hodann einen auffchlußreichen Bortrag über psychologische Fragen der Jugend- und Reifezeit, um den Jugendbeiräten dadurch ein befferes Berständnis für gewiffe Eigenheiten des Jugendlichen gerade in dem von uns erfaßten Alter zu vermitteln. Ueber den wesentlichen Inhalt der für jeden Jugendleiter wertvollen Ausführungen soll im folgenden kurz berichtet werden.

Belm   normal veranlagten jungen Menschen beginnt mit dem 13. Lebensjahr die sogenannte Entwidlungszeit, die fich in der Regel bis zum 17. Lebensjahr erstreckt. Das geschlechtlich neutrale Kind entwidelt fich in diefer Zeit zum geschlechtlich reifen Mann oder Weib. Die Geschlechtsdrüsen verändern sich und fondern Bestandteile ins Blut ab. Dadurch wird der Blutkreislauf, durch dieses das Gehirn und damit wieder das Gemütsleben beeinflußt. Bei diesen Borgängen hat der Jugendliche das dumpfe Empfinden, daß etwas in ihm vorgeht, daß sich etwas in ihm verändert, ohne fich aber über dieses Etwas" recht flar werden zu fönnen.

Es entstehen in feinem Gefühlsleben Konflikte, er wird unsicher und mit sich selbst unzufrieden. Um feiner Umgebung, Eltern, Lehrherrn, Geschwister usw., nichts merken zu laffen" verfällt er auf Methoden, die, vom Standpunkt des Erwachsenen aus gefehen, nicht immer schön find: er wird gegen seine nächste Um gebung grob, unflätig, gegen Eltern und Meister ungehorsam. Es entsteht ein gespanntes Verhältnis zwischen Jugend und Alter, und dieser Zustand wird noch verstärkt durch die förperliche Unterlegen