Eine gewerkschaftliche Jugendbücherei.

Für die jungen Gewerkschaftsmitglieder ist eine Bücherei be­stimmt, die unter obigem Titel vom Jugendsekretariat des ADGB.  herausgegeben wird. Bis jetzt sind drei Bände erschienen, die alle das Bestreben der Herausgeber erkennen laffen, die Probleme, die in engem Zusammenhang mit der Gewerkschaftsbewegung stehen; in einer der Jugend angenehmen Weise zu erörtern. Eine wichtige Aufgabe und ein großes Ziel, wenn wir bedenken, daß zu einer schlagkräftigen Organisation geschulte Mitglieder die Voraussetzung bilden.

Im ersten Bande behandel der durch seine Geschichte der Steinfegerbewegung" beftens bekannte Sekretär des DGB. Alexander Knoll das Thema Handwerksgefellen und Lehrlinge im Mittelalter". Durch die Verarbeitung eines reichhaltigen Materials, das der Berfaffer jahrzehntelang mühsam zusammengetragen hat, ist es ihm gelungen, eine sehr interessante Darstellung der Zustände zur Zeit der Zünfte zu geben. Biele bisher an anderen Stellen noch nicht veröffentlichten Dokumente bilden eine wertvolle Juustration des Textes. Seine Darstellung beginnt mit der Zeit der Städte gründungen, die ja eine Voraussetzung für die Tätigkeit des Hand­werkers im eigentlichen Sinne des Wortes bildeten. Das war in Deutschland   ungefähr die Zeit vom 13. bis 15. Johrhundert, in der die meisten deutschen   Städte entstanden sind. Die einzelnen Hand­werke schlossen sich zu 3ünften zusammen, die viele Jahrhunderte hindurch eine starke Macht bildeten. Sie gaben sich ihre eigenen Ge­fezze. Niemand durfte einen Beruf ausüben, den er nicht den Be ftimmungen der Zünfte gemäß erlernt hatte. Nicht alle jungen Leute hatten das Recht, einen Beruf zu erlernen. So waren z. B. die Söhne von Totengräbern, Zahnreißern, Abdeckern, Gerichtsdienern und Juden von der Erlernung eines Berufes ausgeschlossen.

Wir lernen auch die Gesellenorganisationen tennen. Diese haben natürlich weder etwas mit unseren heutigen Gewerkschaften zu tun, poch fönnen sie als Vorläufer der modernen Gewerkschaftsbewegung betrachtet werden. In manchem wanderluftigen Junggefellen wird das Kapitel, das die damals übliche Wanderpflicht der Gesellen bildet, ein wehmütiges Gefühl hervorrufen. Besonders bei denen, die einige der hübschen Reiseschilderungen und Erlebnisse von Zunft­gesellen gelesen haben. Noch viel Interessantes bietet uns die 144 Seiten umfassende Schrift über die Zunftverbote, die Gesellen brüderschaften, das Lehrlingswesen, die Berrufserklärungen und Schilderungen der Kämpfe der Gesellen aus fünf Jahrhunderten.

Der zweite Band mit dem Titel Arbeit und Boltsklassen im Wandel der Geschichte" hat Franz J. Furtwängler zum Ver­faffer. In einfacher Sprache führt er uns durch die Geschichte, um uns zu zeigen, welche Rolle die Arbeit und die Volksklassen gespielt haben. Diese Aufgabe zu erfüllen war um so notwendiger, als die dickbändigen Werke, die die Weltgefchichte" enthalten, in den aller­meiften Fällen gerade die Gefichtspunkte des Berfaffers nicht oder nur sehr unvollkommen berücksichtigen. Von den Völkern des Morgenlandes, die die ersten Geschichtsvölfer unferes europäisch­efiatischen Gesichtskreises sind, führt uns das Buch durch die Ge­schichte des griechischen und römischen Reiches. Im zweiten Teil des Buches wird uns die Entwicklung in Deutschland   vor Augen ge­führt. Hier bekommen wir eine enge Berbindung mit dem Knoll­fchen Buche, das ja die Zünfte eingehend behandelt hat, die auch Furtwängler nicht umgehen konnte. Nur gliedert sich die mittel­elterliche Gesellschaft hier systematisch in das Ganze ein. Der Ber­faller führt uns in weiteren Abschnitten über die Auflösung der mittelalterlichen Gesellschaft zum Frühfapitalismus, dessen Aus­wirkung den Siegeszug des Bürgertums bedeutete. In einer Schluß­betrachtung wird der geschichtliche Sinn der Arbeiterbewegung be­handelt. Mit einem Verzeichnis der vom Verfasser benutten Schriften schließt die Arbeit.

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Im dritten Bande führt uns der auf arbeitsrechtlichem Gebiete gutbekannte Genoffe Clemens Nörpel   in arbeitsrechtliche Fragen cin. Manchen Unbefangenen, der den Titel Gewerkschaften und Arbeitsrecht" lieft, wird eine Gänsehaut über den Rücken laufen bel der Vorstellung, daß so nüchterne Dinge, Paragraphenreiterei", für die Jugend bestimmt sein sollen. Nun soll man nie ein Urteil über eine Sache fällen, die man nicht fennt. Deshalb lese man Rörpels Buch, und man wird erstaunt fein, wie über ein an sich nüchternes Thema doch ein sehr lebendiges Buch geschrieben werden kann. Der geschichtliche Rückblick zeigt uns, daß das Arbeitsrecht nech verhältnismäßig jungen Datums ist. Die alte deutsche Reichs: verfaffung unter den Hohenzollern   hat ein solches Recht noch nicht gelannt, ebenso nicht die Gesetzgebung der Borkriegszeit. Es ist erstaunlich, in wie furzer Zeit fich nach 1918 die arbeitsrechtliche Gefeßgebung entwickelt hat. Ein Rückblick auf die Entwicklung des Rechts, auf die Grundfäße des alten Schuldrechts, das sich auf die Obligation des römischen Rechts aufbaute und der jetzt vollzogene Uebergang zum Berfonenrecht gibt uns wertvolle Anregungen zum Verständnis der Dinge. In gleicher Weise intereffant ist die Gegen­überftellung des Individuellen und des follektiven Arbeitsrechts, die Behandlung des Koalitionsrechts, des Streifrechts und der Tarif­verträge.

Nörpel schildert weiter die Rolle, die der Staat bei Austragung von Gegenfägen wirtschaftlicher Art feinen Bürgern gegenüber ein nimmt und geht auf die Arbeitszeitfrage, das Rätewefen, die Arbeits­gerichte, den Arbeitsnachweis, die Erwerbslofenfürforge, das follet tivistische Brinzip und das internationale Arbeitsrecht in besonderen Abschnitten ein. Ein Literaturnachweis gibt denen, die tiefer in die Materie eindringen wollen, ein wertvolles Hilfsmittel. Dieses Büch­

Icin ist, troßdem es im Rahmen einer Jugendbücherei erscheint, aber nichtsdestoweniger auch für jeden Erwachsenen eine ebenso nüßliche wie anregende Lektüre. Die Sammlung foll fortgefeht werden, und man darf hoffen, daß die arbeitende Jugend durch gute Berbreitung dafür Sorge trägt, daß das Ziel der Bücherei erreicht wird.

Der Hamburger Jugendtag.

Wir haben in der vorigen Nummer das vorläufige Programm des vierten Reichsjugendtages veröffentlicht. Inzwischen hat das Programm eine weitere Ausgestaltung erfahren, so daß jetzt die dem Jugendtag zugrundeliegende Idee noch schärfer hervortritt. Am Sonnabend, den 8. August, wird am Nachmittag, wie ge­plant, die Begrüßungsfeier stattfinden, an der die ausländischen Gäfte und die Delegierten der Ortsvereine teilnehmen. Der Abend ist für eine Reihe wichtiger Jugendveranstaltungen freigehalten, die aber alle unter dem Gesamttitel: Die sozialistische Jugend-= bewegung" den Zweck verfolgen, das Ziel und die Methode der fozialistischen Jugendarbeit sowohl für die Teilnehmer des Jugend­tages als auch für die breitere Deffentlichkeit herauszustellen. So werden eine Reihe von Vorträgen stattfinden, in denen die Stellung des Sozialismus zu den Hauptproblemen unseres gegen­wärtigen wirtschaftlichen, politischen und fulturellen Lebens darge­legt werden soll. Es find folgende Vorträge vorgesehen: Sozialismus und Wirtschaft. Referent: Dr. R. Hilferding, Berlin  , M. d. R.,

Sozialismus und Politit. Referent: Parteivorsitzender Hermann Müller- Franken, Sozialismus und Kultur. Referent: Profeffor Dr. Guftan Radbruch, Kiel  ,

Der Sozialismus und die Frau. Rejerentin: Frau Marie Juchacz  , Berlin  , Der Sozialismus und die Bölferverständigung. Referent: Dr. R. Breitscheid, Berlin  , M. d. R.,

Die Pflicht zum Neuen. Kritisches über die deutsche Jugend­bewegung in der Nachkriegszeit. Referent E. R. Müller, Magdeburg  , Jugendkultur oder sozialistische Kultur. Referent Dr. Bittor Engelhardt, Berlin  ,

Sozialistische Jugendbewegung und die neue Kunst. Referent: Dr. Adolf Behne  , Berlin  , Die Jugendbewegung und die Mufit. Referent: Professor Friz Jöde, Berlin  , Arbeiterdichterabend. Mag Barthel, Karl Bröger   und Bruno Schönlant lesen aus ihren Werken.

Außerdem finden eine Reihe von Jugendfelern statt, in denen die in der sozialistischen   Jugend gepflegte Festfultur zur Geltung kommen soll. Bisher haben folgende Bezirke derartige Jugendfeiern angemeldet: Dresden  , Berlin  , Hannover   und Rheinland  .

Die Jugendfeiern und Vorträge werden so rechtzeitig beendet sein, daß alle Teilnehmer des Jugendtages an einem großen Fadel­ug teilnehmen können, der zu Ehren der Veteranen der deutschen  Sozialdemokratie veranstaltet werden soll.

Eine bedeutfame Steigerung erfährt der Jugendtag dann durch die große Jugendschuhkundgebung, die am Sonntag vor­mitttag in Hamburg   stattfinden wird. An dieser Rundgebung werden teilnehmen die Delegierten der Ortsvereine, die Delegierten des gewerkschaftlichen Jugendkongresses, der am 8. und 9. August in Hamburg   tagt, die Vertreter des allgemeinen Deutschen   Gewerk­schaftsbundes, der Sozialdemokratischen Partei und der sozialdemo­fratischen Reichs- und Landtagsfraktionen.

Nach einem einleitenden Vortrag des Genoffen Brosessor Dr. Sinzheimer über Sozialismus und Jugendschuh" werden die Bertreter der sozialistischen   Jugendorganisationen ihre Forderungen an die Gesezgebung formulieren, und den Vertretern der Jugend­organisationen wird Gelegenheit gegeben, flch zu den Forderungen und über die Möglichkeit ihrer Durchführung zu äußern.

Das Ergebnis dieser Kundgebung wird den Jugendtagsteil­nehmern in der großen Demonstration am Sonntag nachmittag im Stadtpark mitgeteilt werden. Im Rahmen der Stadtpark- Beran­staltung wird außerdem eine Kundgebung für Sozialismus und Böllerverständigung stattfinden, auf der die anwesenden ausländischen Vertreter das Wort ergreifen werden.

Schon jetzt läßt sich sagen, daß der Jugendtag den Beweis er­bringen wird, daß die sozialistische Jugendbewegung auf dem besten weg ist, echte und natürliche Jugendlichkeit und Begeisterung zu ver binden mit ernster praktischer Arbeit für die soziale Befferstellung und die politische und fulturelle Erziehung der proletarischen Jugend im Hinblick auf die großen Aufgaben, die die kommende Generation des Sozialismus erwarten.

Jugend und Politik.

Als in den legten Jahren vor 1908 die proletarische Jugend­bewegung in Deutschland   immer stärker wurde, schuf die bürgerliche Mehrheit des damaligen Reichstags ein Ausnahmegefeh gegen die fozialistische Jugend. Das Reichsvereinsgefeß bekam einen Bara­graphen, der es Jugendlichen unter 18 Jahren verbot, Mitglieder politischer Vereine zu sein oder an öffentlichen politischen Ber­sammlungen teilzunehmen. Alle Arbeiterjugendvereine wurden von den Polizei und Gerichtsbehörden in der Folge selbstverständlich als politische Organisationen bezeichnet und entsprechend behandelt.