Natürlich waren die Befürworter diefes Ausnahmegesezes nicht ehrlich genug, um einzugestehen, daß es ihnen lediglich um die Berstörung der sozialistischen Jugendorganisation zu tun war. In effer Heuchelei behaupteten sie, ihre Absicht sei ganz allgemein, die Jugend vor politischer Berhehung und politischem Mißbrauch zu schützen. In der Praxis wurde solche Berhebung und solcher Mißbrauch der Jugend natürlich nur bei den Sozialisten festgestellt, während bie bürgerlichen und nationalistischen Jugendorganisationen frei und ungehindert ihre politische Beeinfluffung der Jugend fortfeßen fonnten, ja in der Folgezeit bei dieser Beschäftigung fogar noch wohlwollendste staatliche und reiche private Unterstügung fanden. Bei der bürgerlichen Jugend wurde nämlich diese politische Betätigung mit dem schönen Wort„ nationale Erziehung" verkleidet, und diese nationale Erziehung" lag im Intereffe des Vaterlandes" von damals; bei den Sozialisten aber blieb das Auge des Gesetzes flar, und Politik blieb eben Politik, also verboten und strafbar.
Was seinerzeit allein durch die Sozialdemokratie geschah, nämlich den Heuchlern die Maske vom Gesicht zu reißen und aller Welt deren wahre Abfichten zu zeigen, das ist in der Nachkriegszeit vor der ganzen Deffentlichkeit durch die Reaktionäre selbst geschehen. Sie haben sich in wachsendem Maße selbst entlarot, und es ist jedermann erkenntlich, daß es nur frassester parteipolitischer Eigennuh war, der diese Leute in ihrem Vorgehen gegen die sogenannte politische Berhehung der Jugend" leitete. Es ist jeht an Hun derten von Beispielen flar geworden, in welchem Maße in den nationalistischen Jugendverbänden, die sich alle der tatkräftigen Unterstügung der Rechtsparteien erfreuen, im wahrsten Sinne des Wortes die politische Verhegung der Jugend betrieben worden ist und weiter betrieben wird.
Bei den schrecklichen politischen Mordtaten in Deutschland war meistens diese oder jene Gruppe der sogenannten nationalen" Jugend irgendwie mit im Spiel. In den Reihen dieser Organi lationen galten die schändlichen Mordbuben Erzbergers, Eisners, Rathenaus und anderer weithin als Helden". Erinnert sei an die vielfachen Fememorde in diefen Organisationen und daran, daß ſo mancher Reichsbannerkamerad den Revolvern schiehlüsterner Hafenfreuzlinge zum Opfer fiel. Das sind Zeichen politischer Verhehung, wie man sie sich schlimmer nicht vorstellen fann. Wer aber ist es, der Zeter und Mordio schreit, wenn die republikanischen Behörden, die es ernst nehmen mit ihren Pflichten, gegen folche Entartung des politischen Kampfes einschreiten und die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen?
Diefelben Leute, die gegen die proletarische Jugend seinerzeit das Ausnahmegesen beschloffen, gegen die proletarische Jugend, der fie weder früher noch heute derartige politische Schandtaten nach weisen fonnten und auch niemals auch nur annähernd werden nach jagen tönnen. Die sozialistische Jugend nimmt es ernst mit ihrer politifchen Erziehungsarbeit und sucht den Geist und nicht die Schieße fertigkeit des jungen Menschen für deffen späteres politische Wirten zu bilden.
Nach dem letzten großen Wahlkampf um die endgültige Be jehung des Reichspräsidentenstuhls brachten die Zeitungen die Meldung, daß in Berlin am Wahltag allein 21 Schüler unter 16 Jahren wegen Randalierens und Belästigung politisch anders denkender Menschen verhaftet worden sind. Damit ist die politische Erziehung" einer größeren Anzahl höherer Schulen und nationalistischer Jugendorganisationen schlagend gekennzeichnet. Die Hüter .politischer Moral" und Beschützer" der Jugend, die, als sie allein an der Macht waren, die ernsthafte und von hohen littlichen Idealen durchdrungene Schulungsarbeit der proletarischen Jugendbewegung durch ein Ausnahmegesez verhindern wollten, find entfeßlich bloß gestellt. Ihre schamlose Heuchelei ist restlos entlarvt.
„ Das Wirtshaus der Jugend".
Ein Wirtshaus... Grau und verschmukt liegt es in dem Block schmaler, verwahrtofter Häuser, die Fenster früb und befchlagen, die furzen Gardinen dahinter braun vom Tabatsqualm. An und für sich nichts Besonderes, ein Wirtshaus, wie sie zu Duizenden in unseren Straßen stehen.
Und doch hat dieses Wirtshaus etwas, was es von anderen Wirtschaften unterscheidet, eine traurige Besonderheit: hier verfehren nur Jugendliche, nur junge Burschen und Mädchen von vierzehn bis zwanzig Jahren. Ein in der Nähe liegender Sportplatz brachte das Wirtshaus zu dieser traurigen Berühmtheit. Hier zogen sich die jumgen Burschen zum Fußball um, hier feierten" sie abends ihre Siege, und was lag näher, als daß der geschäftstüchtige Birt die Lage ausnußte.
Jeden Samstag und Sonntag dasselbe Bild: Drinnen Lärm, unterdrücktes Mädchentreifchen, taumelnde Schatten hinter den Fenstern; draußen aber, auf der Straße, gefrümmte Gestalten, fchmächtige Jungen, faum der Schule entwachsen, grün und gelb im Geficht, und würgend an dem unverdauten Gift
Und je weiter die Nacht vorrüdt, um so toller das Treiben, um so mehr der Elendsbilder vor der Tür... bis sie nach Haufe ziehen, Arm in Arm, taumelnd, frank an Leib und Seele.
Und das traurigfte: es ist fast ausnahmslos Proletarierjugend, die so Sonntag für Sonntag auf die Profitgier eines strupellofen Birtes, auf die Auswirkungen eines misverstandenen Sportes hineinfällt, die ihr in mühsamer Arbeit verdientes Geld zum eigenen Ruin ausgibt.
Wenn ich morgens an dem übernächtigt aussehenden Lokal vor. beigehe, wo aus den offenen Fenstern der unerträgliche Dunst von Qualm und Rauch und fäuerlichem Bier heausquillt, wo ein verfchla fenes Dienstmädchen mit müden Händen den Eimer Waffer über den verschmukten Bürgersteig gießt, dann fehe ich im Geist unfere frische, lachende Jugend, unsere Arbeiterjugend, mit den flaren Augen und der selbstbewußten Einfachheit und Natürlichkeit vor mir. Und dann freue ich mich, daß, obgleich thr zwar noch viel zu tun übrig bleibt, fie diesen ihren Weg geht und ihn zum Ziele gehen wird.
Aus der Bewegung.
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Generalversammlung der sozialistischen Arbeiterjugend. Am 24. Mai fand in der Aula des Kaifer- Friedrich- Realgymnifiums in Neukölln die Frühjahrs- Generalversammlung der Berliner sozialistischen Arbeiterjugend statt. Nachdem der Genoffe Weftphal den Geschäftsbericht gegeben und Genosse Meister über die umfangreiche Arbeit des Hauptfpediteurs berichtet hatte, gab es eine lebhafte Debatte über die geleistete Arbeit, deren Sachlichkeit besonders hervorgehoben zu werden verdient. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage der Jugendgruppen des Reichsbanners und einige Anträge, die zur Fahnenfrage Stellung nahmen. Zur Fahnenfrage wurde faft einstimmig ein Antrag angenommen, der folgenden Wortlaut hat:
Die Generalversammlung der Sozialistischen Arbeiter, jugend Groß- Berlin" erkennt in Anbetracht der politischen Situation die Notwendigkeit an, das Wahrzeichen der Republit gegen Angriffe ber Reaktion zu schüßen. Sle betont aber nach drücklich, daß das Symbol unferes fozialistischen Wollens die cote Fahne ist, und fordert alle Abteilmgen sowie den Bezirks vorstand auf, bei allen Beranstaltungen und Rundgebungen bie rote Fahne zu zeigen und ins Bewußtein der Deffentlichkeit au rufen."
Der diesmaligen Generalversammlung war die Aufgabe ge stellt, Beschluß zu faffen über ein neues Statut und damit die Organisationsgrundlage für die nächsten Jahre neu zu gestalten. Genoffe Hummel berichtete über den der Generalversammlung burch den Bezirksvorstand vorgelegien Sagungsentwurf, zu bem eine Reihe von Abänderungsanträgen vorlagen. Der Entwurf wurde mit einigen Aenderungen in der Schlußabstimmung gegen ganz wenige Stimmen gutgeheißen. Die wesentlichsten Aenderun gen gegenüber den alten Sagungen feien hier ganz furz verzeichnet. Im Namen ist das Wort„ Verein" gestrichen, so daß die Organisation jegt heißt Sozialistische Arbeiteringend Groß- Berlin". Der Be zirksausschuß ist weggefallen und an seine Stelle die auf breiterer Grundlage stehende Borsigendenkonferenz als befchließende Körper. schaft getreten, die in Zukunft am Ende eines jeden Monats tagen wird. Die Jugendbeiräte( bisher Parteivertreter) nehmen mit bes ratender Stimme an den Sigungen fowie an der Generalver fammlung teil. Das Geschäftsjahr ist dem Kalenderjahr angepaßt worden, Generalversammlungen finden nur noch jährlich einmal statt. Den Abteilungen verbleiben( jedoch erst von der Juli- Ab rechnung an) 20 Proz.( statt bisher 10 Proz.) der Beiträge für die Beftreitung lokaler Ausgaben.
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Die Wahlen hatten folgendes Ergebnis: 1. Borfigender: Budwig Diederich, Hauptfpediteur: Werner Meister, Jugendvertreter im Bezirksvorstand: Karl Birnbaum , Niederschöne weide, Willi Rreßmann, Schönhauser Borstadt, Hans Martens, Lichtenberg, Karl Lilch, Schöneberg , alter Be gener, Neukölln, Marie Junter, Mädelvertreterin. Parteivertreter: Felig Fechenbach, Rudolf Abraham, Dr. Mar Hodann, Philipp Hummel, Käthe Fröhbrodt. Revisoren: Karl Freymann, Friz Liedte, Willi Beyersdorf, Arthur Hildesheim, Friz Berg.
Nach einigen anfeuernden Worten des neuen Vorsitzenden, Genoffen Diederich, wurde die Generalversammlung mit einem ge meinsamen Lied gefchloffen.
Gewerkschaftliche Jugendtagungen.
Die Jugendgruppen des Zentralverbandes der Angestellten veranstalten am 28. und 29. Juni in Bielefeld einen Reichsjugendtag, der neben einer Begrüßungsfeter auf der Sparen burg am Sonnabend berufliche Wettkämpfe, einen Umzug durch die Stadt, eine große Kundgebung und ein Jugendfest auf der Offen heide am Sonntag bringen wird. Ueber die Bedeutung des Jugendtages unterrichtet ein Aufruf der Reichsjugendleitung:
Wir werden in Bielefeld gemeinsam für einen ausreichenden Jugendschuh eintreten. Wir fordern freie Zeit zu weiterer förperlicher und geistiger Ausbildung und einen angemessenen Irlaub für jeden zur Erholung.
Wir werden zusammen in Bielefeld eine gediegene und forg fältige Berufsausbildung fordern, weil wir wissen, daß nur ein tüchtiger Mensch der Gesamtheit gute Dienste leisten kann. Wir werden für die deutsche Republit in Bielefeld unsere Stimme erheben. Der preußische Minister des Innern, Kari Severing, ein Hüter unferer jungen Demokratie, wird in großer Kundgebung zu uns fprechen."
Ein zweite große gewerkschaftliche Jugendtagung findet in Ham burg unmittelbar vor dem Hamburger Jugendtag am 7. und
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