Jugend- Vorwärts

Nr. 6

Beilage zum Vorwärts

22. August 1925

Der Jugendtag von Hamburg  .

Die Reichsjugendtage von Weimar  , Bielefeld   und Nürnberg   waren in der Geschichte der deutschen   Arbeiterjugend von faum bestrittener, fördernder Bedeutung. Auch wo sie nicht das Gescheat eines unerwarteten Erlebnisses brachten, wie in Weimar   1920, wirkten sie vorantreibend, werbend, formend. Tausend von jugendlichen Sozialisten aller Landschaften Deutsch­ lands   wurden für ein paar festliche Tage zusammengeführt. Biel­fältigkeit und Einheit, zahlenmäßige Größe und geistiger Sinn zeigten sich ihnen anschaubar und erlebnismäßig. Unver­geßlich grub sich das in das Bewußtsein jedes Einzelnen ein, gab ihm Richtung und Belebung.

Diese Tage der Jugend hatten für den Gesamtsozialismus festigende Kraft; denn auch die alte Generation empfand den Ab­glanz dieser wachsenden Gemeinschaftsbildungen. Ganz gewiß war nicht nur die Pflicht und Beobachtungsabsicht Anlaß, wenn von Jugendtag zu Jugendtag stets größere Scharen führender Sozial­demokraten teilnahmen. Wie Moses  , dem nach vierzigjähriger Führung seines Volkes durch die Wüste so wollen auch ste, die Alten, einen Blick in ihrer Kinder Land tun, das ihnen auf dem Grund dieser großen Jugendgemeinschaft aufzutauchen scheint. Un­bestimmt in den Umrissen, aber spürbar im Wesen, zeigt sich ihrer Ahnung das neue Zeitalter und dieses Bild lohnt ihre harten Kämpfe, die jahrzehntelangen Mühen und Entbehrungen.

-

Nun ist der vierte Jugendtag in die Geschichte der Arbeiter jugendbewegung eingegangen. Noch ist er frisch, gestrig in der Er. innerung und die zusammengeflutete Kraft muß noch ihr Werk tun, im Osten und Westen, in Süd und Nord. Noch sind die fünf­undzwanzigtausend, die Hamburg   sah, nicht alle in den Werktag heimgekehrt; Wandertrupps werden noch vom Anblick des Meeres und vom Lilaschimmer der Heide festgehalten aber für alle ist auszusprechen: Hamburg  " war nach Weimar  " der gestalt träftigste Jugendtag.

-

Ein fidheres Gefühl hat diesen Jugendtag in die großlinige, von Arbeit brausende Weltstadt an der Elbe Auen" gelegt. Nach Ham burg mußte die Arbeiterjugend gezogen werden, Dant darzu­bringen für die guten Einflüsse, die ihr vom Ursprung an von Ham­ burg   famen. In Hamburg   ist aber auch am besten der Herzschlag der industriellen Zeit zu vernehmen. Ihre Großartigkeit hier drängt sie sich jedem vorwärtsgerichteten Geist auf. Hamburg  : Der Mastenwald in seinem Hafen; die Werften mit ihren Riesen fränen; die breiten, stolzen Straßen; die zweckmäßigschönen Bauten der Möndebergstraße, das Chile   und Ballinhaus  - hier ist die Stadt der freigesinnten Arbeit. Hier wohnen demo. tratisch geprägte Menschen. Hier drängt es den Blick in die

Zukunft.

Der Weimarer   Jugendtag verknüpfte die Gedanken der arbeitenden Jugend mit Deutschlands   edelstem Geisteserbe. Er rief sie auf, ihre seelische Kräfte zu entfalten und Persönlichkeit in Gemein schaft zu gestalten. Der Hamburger   Jugendtag wies den Tat­willen auf die große Aufgabe hin: Das Gesicht der neuen Zeit zu hämmern. Hamburg   begünstigte teine romantischen Gefühle,- auf feinen Jugendtag wirkte das übliche Dugend weibisch drein blickender Langschöpfe lächerlicher als hier.

Die drei bedeutendsten, die Kernstunden des Hamburger  Jugendtages weisen in die gleiche Vorwärtsrichtung. Die Stunde, als Rabbruch vor der gedrängten Jungjozialistenver fammlung in cinem feingeschliffenen Vortrag über die staatlichen und revolutionären Aufgaben der Jugend" sprach und sie mahnte, sowohl die Soziologie" als auch die Ideologie" der Demo tratie zu achten. Und dann die Stunde, als in ganz Hamburg  munter machenden Fadelzügen die Jugend zum Heiligengeist feld zog, den Riesenplatz mit einem feurig beschienenen Menschen meer füllte, das sich in grüßendem Dank vor den hochherab schauenden Beteranen des Sozialismus neigte und ihnen feierlich

Fortführung des Werkes gelobte. Das eigentliche Bild aber war th den großangelegten Stadtpart gelegt und diese Stunde, als ble hunderttausendköpfige Masse, lautlos im Grase liegend, Schönlants einfach- großes Sprechchorwert aufnahm und sich am Schluß zu Schillers Hymne an die Freude" erhob, wird unvergeßlich bleiber. Das war Hamburg  "! Möge sein Geist die Bewegung voran­

reißen.

Wir kommen von Süden, Wir kommen von Norden, Bon Sonnenaufgang

Und Niedergang.

Wir kommen,

Wir ton. nen,

Ein junges Geschlecht. Wir kommen, Wir tommen,

Mit fliegendem Recht."

Franz Osterroth  .

Für Sozialismus und Jugendschuh.

=

Der Hamburger   Jugendtag brachte am Sonnabend etwa 20 Bor­träge und Feiern, über die teilweise schon berichtet wurde. Es mögen noch einmal die Vorträge genannt sein. Es sprachen Hermann Müller über Sozialismus und Politit", Professor Rabbruch über Sozialismus und Kultur", Schulrat Schult über Sozialismus und Wirtschaft", Frau Dr. Wegscheider über Sozialismus und die Frauen", Voogd Holland über Völker­verständigung", Staatssekretär Schulz über das ,, Bildungsziel der proletarischen Jugend", Dr. Behne Berlin   über ,, Jugendbewegung und die neue Kunst", Prof. Jöde über Jugendbewegung und Mufit", Müller Magdeburg über die Pflicht zum Neuen", Dr. Bittor Engelhardt über Jugendkultur oder sozialistische Kultur", der Rektor der Hamburger Universität   Professor Dr. Laun, Dr. Adolf Braun   und Dr. Friedlaender sprachen vor den sozialistischen   Studenten über den Sozialismus und die geistigen Ar­beiter. Karl Bröger  , Max Barthel   und Bruno Schönlant lasen aus eigenen Werken.

#

"

Die Forderungen der Jugend für Jugendschutz und Jugendrecht wurden am Sonntag in einer gemeinsamen Kon­ferenz von Vertretern der Arbeiterjugend und Gewerkschaftsjugend aller deutschen   Gaue vor Vertretern von Behörden und Verbänden,

ferner vor Vertretern der Sozialdemokratischen Partei und des Allge­ meinen Deutschen Gewerkschaftsbundes   erhoben. Erich Ollen. hauer hielt einleitend ein Referat über Sozialismus und Jugend­schutz". Er führte aus, daß die Erfolge jeder Jugendarbeit abhängig von ausreichendem Jugendschuß sind. Auf die arbeitende Jugend wurde ein großer Teil der Stabilisierungsuntoften abgewälzt. Arbeitslosigkeit und schlechte Arbeitsbedingungen erschweren ihre Lage. Aus dieser Not heraus ist die gemeinsame Forde rung der deutschen   Jugendverbände nach größerem Rechts. fchuh geboren, so daß hierin die bürgerlichen Jugendverbände gegen die ihnen weltanschaulich naheliegenden Parteien stehen. Für die Sozialdemokratische Partei  , ist die Erkenntnis eine alte, daß der Weg zum Sozialismus über einen ausreichenden Jugendschutz führt. Selbst den Gegnern des Jugendschutzes müsse klar sein, daß es öko­nemischer und vernünftiger ist, Jugendschußpolitik zu treiben. Die ausgeworfenen Millionen für Sport und Körperpflege sind ohne größere wirtschaftliche Freiheit, ohne die nötige Freizeit, ohne die so notwendigen Ferien ein Nichts. Der Kampf geht auch zugleich um eine sittlichere und gerechtere Weltordnung. Der sozialistischen  Jugend ist die Arbeit das heilige und bewegende Element des Wer­dens. Ihren großen Abel tann sie erst empfangen, wenn wir