vom Kapital finanzierte Breffe, fie sieht im Parlament feineswegs einen reibungslos funktionierenden Mechanismus zur Ausführung des Volkswillens, sondern ein eigenwilliges soziologisches Gebilde, fie erkennt die Gebundenheit der Abgeordneten als Beauftragte von Interessentengruppen, die nicht überzeugen, sondern überstimmen wollen, und weiß um die Eigenwilligkeit des Beamtenkörpers, der unter dem wechselnden Mehrheitsregime im Selbsterhaltungsinteresse immer wieder zu einer politischen Mittellinie hindrängt.

Stoffbeherrschung auf begrenztem, aber immerhin in sich abges| liche Gruppen und die Verfälschung des politischen Lebens durch eine fchloffenem Gebiete, aber ihre Wirkung wird dadurch beeinträchtigt, daß keine Aussicht vorhanden ist, dieses Können in einer organisch fich entfaltenden Laufbahn anzuwenden. Freizeitfultur, Werkstatt­ausfiedlung, Gestaltung des Produktionsprozesses nach den Forde rungen der modernen Arbeitswissenschaft sind Vorschläge, über deren Unzulänglichkeit man sich nicht hinwegtäuschen darf. Der Ausbau des Jugendschutzes zieht der Ausbeutung Jugendlicher Grenzen, gibt aber nicht unmittelbar Berufsgefühl. Da muß sich der Blick letzten Zielsehungen zuwenden; die Arbeitsnot entspringt aus den Bedin­gungen der fapitalistischen Ordnung, fie fann nur mit der Beseiti­gung dieser Ordnung aufgehoben werden.

Die Problematik, die dieses Referat zum Bewußtsein gebracht -hatte, wirkte als Anregung zu einer fruchtbaren und hochstehenden Aussprache. Daß eine befriedigende Lösung nicht geboten wurde, beunruhigte den jugendlichen Sinn, der sich nicht damit abfinden will, daß unser Dasein mannigfaltige Widersprüche und Schwierig feiten enthält, deren man niemals Herr werden kann. Der Ein­wand wurde erhoben, ob die Würdigung des Berufstums nicht viel leicht Rückschritt und Romantik sei. Ein Redner schilderte mit hin­reißender Begeisterung die positiven Elemente, die die moderne In­dustriearbeit enthält: die Freude am gemeinsam vollbrachten Werk, den Stolz über den gewaltigen meerbeherrschenden Dampfer, über das leichtbeschwingte Luftschiff. Aber immer brach doch wieder das Eingeständnis durch, daß die persönliche Bindung des Menschen an feine Arbeit zerstört und damit die Quelle der Befriedigung durch die Arbeit zum Versiegen gebracht worden sei.

Die nachfolgenden Gegenstände waren nicht mehr theoretisch­problematischer, sonder praktischer Natur. Paul Roste, Handels lehrer in Berlin  , redete über

Gewerkschaften und Berufsschule.

Aus seiner fachmännischen Erfahrung heraus entwickelte er feine Gedankengänge; er unterstützte den gewerkschaftlichen Anspruch auf Mitwirkungsmöglichkeiten, vertrat die Auffassung, daß der Unterricht in Staatsbürger- und Lebenskunde umgestaltet, daß Betriebsräte, Arbeitsrecht, Tarifverträge ufw. Lehrstoffe sein müßten, daß eine reichsgesetzliche Regelung der Berufsschulfragen notwendig fei. Einige wertvolle Aufklärungen und Anregungen gab in der Aus­sprache über dieses Referat die Genoffin Olga Essig  , die in der Praris des Hamburger Berufsschulwesens steht. Richard Limm ( Deutscher Holzarbeiterverband) nahm als Referent zu dem

Referentenentwurf für das Berufsausbildungsgesetz Stellung. Er zeigte, wie er zwar in Hinsicht auf die ungelernten Arbeiter gewiffe Fortschritte enthalte, doch aber andererseits noch immer dem Handwerk eine unbillige Vorzugsstellung einräume. In temperamentvoller Weise schilderte der letzte Referent Albrecht Fülle( Deutscher Buchdruckerverband), wie durch die Mitarbeit der Gewerkschaften die Lage der Lehrlinge verbessert werden fönne. Wirkungsvoll warnte er die Regierung davor, fortschrittliche tarifvertragliche Abmachungen in Lehrlingsfachen durch ihren Ein spruch zu durchkreuzen.

Die Anträge, die zur Annahme gelangten, fordern ein besonderes Organ zur Funktionärschulung, Jugendleiterkurse, Schaffung eines Ferienheims, Betätigungsmöglichkeit auf allen Gebieten, auch auf denen, auf welchen die sozialistische Arbeiterjugend ihre Auf­gaben sieht.

Diese gewerkschaftliche Jugendkonferenz stellte an ihre Befucher erhebliche Anforderungen; es ist erfreulicherweise zu sagen, daß ihnen durchaus entsprochen wurde. Von Bereitwilligkeit zum geistigen Mit­gehen und zum ernſten Ueberdenken der aufgeworfenen Fragen zeigte sich die Konferenz durchaus beherrscht; der fachliche Geist, in dem die Konferenz ihre Arbeit erledigte, mag als ein Merkmal dafür genommen werden, mit welcher inneren Hingabe die gewerkschaft­lichen Jugendfunktionäre ihre Aufgaben zu bewältigen trachten. Die jugendlichen Arbeiter und Lehrlinge sind der schwächste Teil der menschlichen, in den Produktionsprozeß verflochtenen Arbeitskräfte, ihnen zu Hilfe zu kommen, ihre Interessen zu wahren, ist eine der vornehmsten gewerkschaftlichen Verpflichtungen. Die Hamburger Jugendkonferenz hat dargetan, wie sehr die Angelegenheiten der arbeitenden Jugend Gegenstand gewertschaftlicher Sorge find; indem sich die arbeitende Jugend immer vollzähliger in die gewerkschaft liche Front einreiht, trägt sie selbst unmittelbar dazu bei, daß Er­folge im Ausbau des Jugendschutzes erfochten werden. Ernst Niekisch  .

Staatliche und revolutionäre Aufgaben. Radbruchs Vortrag auf der Jungfozialisten- Kundgebung.

Genosse Radbruch   sprach auf der Jungsozialisten- Kundgebung in Hamburg   über Die flaatlichen und revolutionären Aufgaben der Jugendbewegung". Er erfaßte das Thema als Aufgabe, aus der anscheinenden Gegenfäßlichkeit des staatlich nationalen und des revolutionären Elements der sozialistischen   Jugendbewe­gung zur Synthese zu führen.

3

Das beherrschende Problem der jungjozialistischen Bewegung, so führte Genosse Radbruch   aus, ist der Gegenstand der staatlich- natio­nalen und der revolutionären Haltung gegenüber der deutschen   Republit, der zugleich der Gegensatz zwischen Ideologie und Soziologie der Demokratie ist. Während die ideolo­gische Betrachtung fich begeistert für die freie Selbstbestimmung. des Staatsbürgers, sieht die soziologische Anschauungsweise statt deffen gebundene, auf Wirtschaftsinteressen fundierte gesellschaft

Jedoch bei allem Verständnis für die soziologische Kritik müssen wir uns cingestehen: eine bessere Staatsordnung als die Demokratie ist einstweilen noch nicht ge. funden.

Der Gedanke der berufsständischen Berfassung ist unbe dingt abzulehnen, setzt er doch an die Stelle der möglichen Majorität der Arbeitenden die Parität zwischen der gesamten Ar beitnehmerschaft und einer Handvoll Kapitalisten. Gerade dieser Umstand hat die berufsständische Verfassung bei den Kapitalisten beliebt gemacht.

Wir müssen begreifen, daß die Demokratie noch große Möglichkeiten für uns birgt, daß auch die idealistische Anschauung von ihr, sofern sie sich ihrer Bedingtheit durch sozio­logische Faktoren bewußt bleibt, ihre volle Berechtigung hat. Denn jede Ideologie strebt dahin, sich zu verwirklichen, die von ihr ver­tretenen Ideen, auf Grund deren sie ihre Anfänger gesammelt hat, in die Tat umzusetzen, da sie sich sonst auf die Dauer selbst auf­geben würde. Die Ideoiogie der Demokratie ist nun dem Sozia lis mus in feiner Weise hinderlich, sondern es liegt durchaus im Sinne des Sozialismus, daß in jedem Staatsbürger das Gefühl für Gleichheit und Bürgerstolz geweckt wird.

Wohl ist Demokratie nicht Volksgemeinschaft, aber sie ist wer dende Volksgemeinschaft. Sie muß ernst genommen werden, damit sie das wichtigste leistet, das sie zu leisten imftande ist, nämlich die Loslöfung des Staates von der Gleichsetzung mit irgendeiner sozialen Gruppe wie es im Feudalstaat am ausgeprägtesten war um ihn fähig zu machen, bald mit dieser, bald mit jener sozial mächtigsten Gruppe die Verbindung einzugehen. Hierdurch wird eine Freischung der soziologischen Geseze erreicht, die ihnen eine ungehinderte Entfaltung gewährt, zugleich aber ihr Wirken mit nie­mals vorher gefannter Deutlichkeit sichtbar macht.

Von der Seite der Ideologie und der Soziologie stellt die Demo­fratie sich uns dar; die verwiegende Betonung der einen oder der anderen Seite ist Sache des persönlichen Temperaments. Die Ein­stellung zur Demokratie ist nur ein Teilgebiet des Problems, in das die materialistische Geschichtsauffassung uns heute stellt und bet dem auf demselben Wege ein Ausgleich gefunden werden muß. Diese Probleme stets neu zu durchdenken, keine Selbstverständlich­feiten zu fennen, die geistigen Grundlagen der Partei stets neu zu prüfen, ist das schönste Vorrecht der sozialistischen   Jugend, mag fie auch wegen der Unruhe, die sie in die Bewegung trägt, als das Sorgenfind der Partei gelten. Die Arbeiter Jugend ver­fündet und lebt Gemeinschaft; Gemeinschaft aber fordert Persönlich feit und verbraucht auch viel Persönlichkeit. Die Jungsozia­lift en aber wissen um die Notwendigkeit der Verstandesbildung, und in ihren Reihen verwirkliche fich immer aufs neue das schönste Symbol der Arbeiterbewegung: der junge Arbeiter, der nach des Tages Last und Mühen sich des Nachts beim Lampenschein über die Hedwig Schwarz. Werke der sozialistischen   Klassiker beugt.

Lichter in der Nacht.

Nach den Ereignissen des ersten Tages, dem Ansturm der deutschen   Arbeiterjugend auf Hamburg  , die Eroberung der Stadt und des Hafens durch das Herzblut des Sozialismus, der prole­tarischen Jugend, begann, als die Dunkelheit herabstürzte und die vielen Referate und Feiern ausgeflungen waren, der Marsch durch die Stadt. Weber 20000 junge Menschen marschierten Seite an Seite nach dem Heiligengeistfelde. Die Marschierenden fangen ihre Jugend- und Kampflieder. In ihren Händen aber, die sonst im grauen Werktag die Maschinen bedienten, leuchteten viele taajend Fadeln. Immer schon trug die Jugend Licht in den Händen, doch auf diesem Marsch war dieses Licht voll besonderem Glanz: Licht der Dankbarkeit und Liebe für die alte Garde der Arbeiterbewegung, die vor vielen Jahren die feurige Saat des Sozialismus in die Nacht menschlichen Elends streute.

Heute thronen sie auf erhöhtem Ehrenplatz auf dem Heiligen­geiftfelde und sehen, daß jene Funten, die sie ausstreuten, gezündet haben. Sie sehen die namenlosen Helden des Hamburger Prole tariats und die alten Führer der deutschen   Bewegung, die vielen Lichter wandern und sausen. So wanderte und zündete auch das Licht des Sozialismus in dunkler Zeit durch alle Länder. Inmitten der alten Garde sizzen Bernstein, Frohme, Stolten, Bed  und Moltenbuhr. Ihnen gilt der flammende Gruß des deutschen Jungvolks, ihnen schlagen die vielen Lichter und die vielen Flammen herzen entgegen, ihnen und dem Siebzigjährigen der Hamburger Arbeiterbewegung.

Das Licht, das var vielen Jahren ausgestreut wurde, ist nicht erloschen. Immer brannte es. Auch im Weltkrieg glühten die Funken unter der schwarzen Asche blutiger Schlachten.

Lichter leuchten durch die Nacht. Trommeln flingen durch die Dunkelheit. Das proletarische Deutschland   sammelt sich auf diesem Feld. In diefer Stunde stehen nicht nur Molkenbuhr, Bod, Bern