vor allen Dingen bei möglichst unpassenden Gelegenheiten gesungen werden. Es ist mir erst leghin wieder begegnet, daß man mit der selben Begeisterung auf ein Kampflied ,,, Schwarzbraun ist die Haselnuß" folgen ließ. Es gibt noch schlimmere Zusammenstellungen.
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Und die unpassenden Gelegenheiten? Nur ein Beispiel: Im vergangenen Jahre hörte ich eine Thüringer Gruppe beim ,, Erdbeerensuchen" ausgerechnet: Wacht auf, Berdammte dieser Erde " singen. Abgesehen vom Erfolg dieser Demonstration im menschenleeren Wald, gibt es sicher passendere Gelegenheiten für das Absingen der Internationale. Noch eine üble Sache: die Schwänze! Was wird da nicht alles hinzukomponiert und hinzugedichtet; meist natürlich mit dem Erfolg, daß ein an sich gutes Lied rettungslos verhunzt wird. In Süddeutschland ist es ja damit noch schlimmer. Immerhin, Hände weg von solcher Berhunzung!
Nun zum Schluß. Laßt euch nicht von dieser scharfen Kritik die Lust am gemeinschaftlichen Liedersingen nehmen, nein, denn dann wäre die Kritik völlig verfehlt. Wir wollen fingen, so oft es uns zum Singen treibt; gemeinsame Liederabende, womöglich unterstützt durch etwas Hausmufit"( Geigen, Klampfen, vielleicht auch Flöte oder Klarinette) sind eine gute Ergänzung unserer Arbeit, vornehmlich jetzt nach der Schulentlassung. Aber beherzigt den Satz:„ Nicht fchön laut", sondern schön" fingen, anderenfalls ihr den Stoß seufzer heraufbeschört: ist ein Lied, das Stein' erweichen, Walter Dehmel
Menschen rasend machen kann!"
Die Laterne wirft ihren Lichtschein in das enge Gäßlein beim alten Fischmarkt in Heidelberg . Während Autos um Autos mit Flaggen aller Herren Länder durch die Kaiserstraße sausen, während Jazzmusit aus den hellerleuchteten Cafés dringt, stehen stille Wanderer vor dem kleinen Häuslein in der Pfaffengasse 18. Einfache Wanderer mit genagelten Stiefeln und Rucksack. Jeder Tag führt Rudjad. Alle bliden hinauf zu der Tafel an der Vorderseite des Hauses. Der Meißel hat die schlichten Worte eingegraben:
neue her.
Geburtshaus des Reichspräsidenten Friedrich Ebert . Was liegt doch in diesen wenigen Worten! Sehnsucht und Erfüllung eines Volkes. Jahrhundertelanger Kampf um das hohe Ziel der Demokratie, auch aus kleinster Hütte den Weg zum Steuer des Reiches zu sichern.
Wir gehen durch den Hof und steigen die alte, gebrechliche Holztreppe hinauf. Freundlich führt uns der jetzige Inhaber der Wohnung in die ehemalige Schneiderstube, wo Vater Ebert fleißig die Nadel führte.
Es stand eine Wiege im niedrigen Haus,
Die Sorgen, die gingen drin ein und drin aus. In dem Stüblein nebenan wird uns die Stelle gezeigt, an der einst der junge Friedrich seinem so fampfreichen Leben entgegenträumte. Auf dem Tisch liegt ein dickes Besuchsbuch auf. Wir schlagen es auf und lassen die Seiten sprechen. Da dringt uns eine Sprache entgegen, deutlich und klar. Die Sprache des Volkes. Da reihen fich Namen an Namen, aus allen Gauen Deutschlands , aus allen Ländern der Welt. Neben Ministern solche des einfachen Mannes im Arbeitsgewand.
Du bist nicht tot,
Schloß auch dein Auge fich,
In unserem Herzen lebst du weiter.
Die Arbeiterjugend Stuttgarts legt das Bekenntnis ab:
Ist auch der Säemann gefallen, Auf guten Boden fiel die Saat.
| frieg gefallen. Der eine mit 19, der andere mit 20 Jahren. Sind diese Gräber zu Seiten des Vaters nicht furchtbare Anklagen gegen. jene, die im Schuhe ihres Versteckes ihre Giffpfeile auf den„ Internationalisten", den Vaterlandslosen" abschossen?
Eberts Grab ist heute, man möchte fast sagen zu einem Wall fahrtsort des republikanischen Deutschland geworden. Tag für Tag Menschen, die entblößten Hauptes hier stehen. Was sind all die stolzen Reiterdenkmale der Hohenzollernzeit gegen diese Stätte stiller Andacht und Verehrung!
Lorbeer und Kränze liegen am Fuße des Quaders. Am meisten aber freut uns ein kleines Sträußchen mit schmalem schwarzrotgoldenen Band. Von Kinderhand niedergelegt.
In wunderbarem Frieden liegt der Bergfriedhof da. Vom nahen Odenwald geht ein Rauschen. Uns ist es, als hörten wir im Flüstern der Bäume:
Besuch bei belgischer Jugend.
Wir benuzten die Studienreise des Reichsbildungsausschusses nach Brüssel - Antwerpen - Baris zu einer Zusammenkunft mit Bertretern der belgischen Jugendorganisationen für eine Aus Sprache zur gegenseitigen Information nach einer Verabredung, die auf der internationalen Jugendtagung in Amsterdam getroffen worden war. Und gewiß war die Erwartung der belgischen Ge nossen nicht minder groß als die unsrige, als wir nach dem Empfang in dem von lautem Leben geradezu vibrierenden Volkshaus im weißen Saal uns einfanden, den Jugendgenossen, die aus allen Teilen Belgiens herbeigekommen waren, bereits seil Stunden füllten:
Rote Fahnen und Schilder mit Inschriften gegen Faschismus Warm wurden wir und Krieg umrahmten den Vorstandstisch. die Internationale, stehend sangen wir in drei Sprachen, flämisch, begrüßt. Eine Jugendabteilung mit Mufitinstrumenten intonierte französisch, deutsch , die anfeuernde Hymne des Weltproletariats. Dann gab Viktor Engelhardt eine Darlegung der Geschichte und Probleme der deutschen Jugendbewegung. Eine Diskussion entspann sich, die jeden ernstlich Interessierten geradezu erschütterte durch das Offenbarwerden, mit welcher Glut und Hingebung die anwesenden Führer der belgischen Bewegung ihre Aufgaben erfassen, wie begierig sie waren, von uns etwas zu erfahren, das ihnen in ihren Problemen helfen könne und wie start ihre Hoffnung und ihr Vertrauen auf die deutsche Bewegung ist, die sie als ihr Vorbild betrachten. Dann bekamen wir einen Einblick in die ihre und damit zugleich einen in die gesamte belgische Arbeiterbewegung. Und wie noch jedesmal, wenn ich im Ausland direkt etwas vom Wesen der Arbeiterbewegung des betreffenden Landes erfuhr, so tam mir auch hier wieder zum Bewußtsein die Besonderheit und Verschiedenartigkeit von der deutschen, und wieder war's eine Mahnung, fremdes Sein nicht mit unseren Maßstäben zu meffen.
Mit zwei großen Problemen hat die belgische Jugendbewegung der Gegenwart zu ringen. Das eine davon ist auch eins, mit dem wir uns herumzuschlagen haben; Der Gegensatz der beiden Generationen, der Alten und der Jungen, in der Nachkriegszeit innerhalb der Partei. Das andere aber ist ein spezifisch belgisches: Die Existenz zweier so verschiedenartiger Rationen wie der flämischen und wallonischen innerhalb des gleichen Landes.
Mit einer uns verpflichtenden und unser Gewissen rührenden Bescheidenheit meinten die belgischen Jugendgenossen, die deutsche Bewegung sei eine viel geistigere und von größerem bewußt fulturellem Streben erfüllt als die belgische. Nach einer solchen aber verlange jetzt die belgische Jugend. Die Partei habe wohl ein imponierendes Gebäude, Stein auf Stein fegend, errichtet, habe Einrichtungen des praktischen Bedürfnisses getroffen mit nüchternem
Und die badischen Jungdemokraten geleben dem toten Führer Sinn. Aber es fehle die Seele, nach der die Jugend lechzt, es der Republik :
Treue um Treue.
Wir blättern weiter Seite um Seite. Immer mehr wird uns
das Buch zum Bekenntnis und Gelöbnis eines Volkes, das sich seine Steuermänner selbst aus eigenen Reihen holen will. Einer schreibt:
Aus der Tiefe des Volkes
Steigen die Lehrer der Menschheit.
Da ruht nun nach den Stürmen des Lebens im Echatten des Odenwaldes des Reiches erster Präsident. Das Rauschen des Neckars dringt in stillen Stunden zu ihm hinauf. Nicht weit von seinem Mütterlein hat ihn das Volk zur Ruhe gesenft. So hat es sich Friedrich Ebert gewünscht.
Katharina Ebert 1835-1897.
Wie oft mag der Sohn vor dem schlichten, von Efeu umfponnenem Stein gestanden haben! Nun schläft er etwa 10 Meter von feiner Mutter.
Und schließ' ich die Augen zur ewigen Nacht, Und habt ihr zur Ruh' mich, zur legten, gebracht, Dann schmücket die Stätte mit Grünkränzelein Und legt mir aufs Grab einen schmucklosen Stein. Nur die zwei Worte Friedrich Ebert " stehen auf dem einfachen quadratischen Blod.
Rechts und links von ihm liegen seine zwei Söhne. Im Welt
fehle der Kulturwille der Deutschen . Das verstünde die alte Generation nicht. Dazu komme noch eine eigenartige, vom Bolitischen herstammende Komplitation. Die belgische Jugendbewegung sei vor dem Krieg beherrscht gewesen vom Gedanken der Kriegsgegnerschaft. Das sei so stark gewesen, daß auch heute noch ihre Mitgliedschaft in der allgemeinen Beurteilung gleichbedeutend sei mit der schärfsten Stellung gegen den Krieg und den Militarismus. Nun habe sich aber doch in der Jugend selbst hierzu eine gewisse Wandlung vollzogen. Dennoch ist die Entschiedenheit der Jugend nicht zufrieden mit der Haltung der Partei, die in der Regierung feiend die Militärzeit nicht weit genug habe herabsetzen können. Solche Kompromißpolitik verstehe die Jugend nicht und ihr ab sprechendes Urteil verschärfe den Gegensatz zwischen Alten und Jungen. Zudem habe es dem belgischen Proletariat, das stets besonders schwer und rücksichtslos ausgebeutet worden sei, an Bildungs- und Schulungseinrichtungen gefehlt, sei die Agitation als vordringlicher betrachtet worden als die vertiefende Behandlung der geistigen Probleme der Bewegung. Eine Aenderung bahne sich jetzt erst an durch die neue zentralisierte Bildungsbewegung, die mit Hendrik de Mans Namen verknüpft ist, der ja die Arbeiterhochschule Uccle 1921 gegründet habe. Die neue Auffassung der Jugend sei, daß der Sozialismus im Leben, in der Seele jedes einzelnen schon heute zu verwirklichen sei durch die gemissenhafte Erziehungsarbeit jedes einzelnen an sich selbst. Die sozialen Um stände und Verhältnisse dürfen nicht mehr in dem Maße wie früher als Entschuldigung für die eigene Unzulänglichkeit herangezogen