m-shalsen". Hatten flc erst einmal ja gesagt, bann hielt«s auch jeder für seine Pflicht, seinen Austrag auszuführen. Aber diesmal hatten sie scheinbar alle beizeitenLunte gerochen", denn es fand sich tatsächlich keinDummer". Da ging die Tür auf und Walter trat ein. Walter, ein tüchtiger. junger Funktionär, hatte gerade eine» Reserentenkurjus hinter sich, in dem er gelernt hatte, wie man sich Sammelmappen anlegen kann, in denen man über bestimmte Interessengebiete Zeitungsausschnitte und anderes Material sammelt, wie man einen Vortrag auszu- arbeiten hat und eine Disposition aufstellt, die beim Reden Richt- schnür über die Folge des zu Sagenden ist. Und sicherlich hatte er auch Redetalent, denn in Diskussionen und Mitgliederversammlungen seiner Gruppe entwickelte er oftmals gute Gedanken und wenn er dann so richtig im Redefluß war, sand er manchmal wirklich kein Ende und die gairz jungen Genossen sagten danner spucke wieder große Bogen". Das alles ging dem Artur, der Walter genau kannte, jetzt, da er in der Tür stand, blitzschnell durch den Kops, und kaum hatte Walter die Tür hinter sich geschlossen, rief er lachend das ist der richtige Mann". So kam Walter zu seinem ersten Referat in einer sremden Gruppe, ehe er sich das, was er da übernahm. richtig durchdacht hatte. Na, allzu gefährlich konnte es ja nun nicht sein überDie Geschichte der Arbeiterjugendbewcgung" zu sprechen, denn in seiner eigenen Gruppe hatte er säst jedes Jahr nach den Schulentlassungen einen Vortrag über dieses Thema gehört und auch Karl Korns Buch über dieses Gebiet hatte er voll Eifer studiert und wußte deshalb, daß die Gründung der Organisation der Lehrlinge und jungen Arbeiter durch den Selbstmord eines Schlosserlehrlings veranlaßt wurde, die junge Organisation unter einem Vereinsgesetz zu leiden hatte und unter vielerlei polizeilicher Schikanen kräftig wuchs. Er würde es schon schassen, dachte er. Di« folgenden Tage nach der Auftragserteilung beschätsigte er sich fast nur mit derGeschichte der Arbeiterjugendbewegung", las nochmal Karl Korns Buch, durchblätterte alteArbeiter-Jugend". Nummer» und arbeitete seinen Vortrag Wort sür Wort aus. Je näher der bewußte Tag kam. um so unruhiger wurde Walter, las wieder und wieder seinen Bortrag durch, so daß man schon bald annehmen konnte, er wolle ihn auswendig lernen. Der fragliche Mittwoch kam heran, an dem Walterseinen schweren Gang gehen muhte". Rechtzeitig ging er von Haus« fort, nachdem er sich auf einem Stadtplan über die beste Fahrverbindung und den Weg informiert hatte. Während' der langen Bahnfahrt las , er eifrig in seinem Manuskript. Endlich Zielstation. Er stieg aus, vergaß an der Bahnhofssperre bald sein« Fahrkarte abzugeben, so nervös war er schon, lies durch die Straßen, deren Name» er aus der Kart« erfahren hatte, zum Jugendheim der Gruppe L. Lange vor Beginn des Abends war er an Ort und Stelle. Erst wenige Iugendgenossen waren anwesend, die ihm verwundert an- schaute» und sicherlich dachten,was will der fremde Genosse hier". Der Gruppenvorsigendc erschien und Walter stellt« sich als der Reserent" des Abends vor. Abseits stand er dann und blätterte unruhig in seinem Vortragstext, wobei er von sich das Gefühl hatte, daß er zittere. Seine ganze Kraft nahm er zusammen, um ganz und gar Herr über sich zu bleiben und nicht das Gefühl seiner Unsicher» heit den Zuhörenden zu offenbaren. Jetzt eröffnete der Vorsitzende den Vortragsabend und erteilte dem Referenten, indem er Wallers Namen nannte, das Wort. Kalt und heiß lief es unserem Walter den Rücken hinunter. Mechanisch stand er aus, atmet« noch cinnial tief, während er seine Disposition und den Vortragstext in die Hand nahm und begann mit kräftiger Stimme seinen Vortrag. Der Anfang ging ganz gut, doch je weiter er sein« Gedanken entwickeln wollte, um so mehr kam ihm all das, was er sage» wollt«, durcheinander. Wie schön hatte er-alles aus» gearbeitet und wußte doch in Wirklichkeit über fein gestelltes Thema Bescheid, hätte in seiner eigenen Gruppe sicherlich seinen Vortrag zu aller Zufriedenheil durchgeführt. Hier aber, wo er vor unbekannten Genossen stand, wurde er unruhig und seine Gedanken waren nahe daran, ihm den Dienst zu versagen. Doch ei» zäher Will« ließ ihn sich zusammenreißen, er mußte unter allen Umständen seinen Vortrag zu Ende führen Längst sprach er nicht mehr so, wie er es sich aus- gearbeitet hatte, aber er redet« doch, redet« über dieGeschichte der Arbeiterjugendbewegung". Er brachte es zum einigermaßen glück- lichn Ende und war doch nicht froh, denn nicht viel hatte gefehlt, dann wäre aus der Arbeiterjugendgefchichte eineböse Geschichte" geworden und nur die Tatsache, daß er wirklich der Arbeiterjugend- bcwcgung Geschichte kannte, rettet« ihn vor einem Rcinfall. Erst in der Eisenbahn, bei der Rückfahrt, atmete er erleichtert auf. Ruhig betrachtete er die ganze Angelegenheit jetzt, und dachte, nur gut, daß es dir nicht wieder so ging wie beim ersten Kassen- bericht in der Gruppe", den er nach wenigen Worten nicht mehr fort- setzen konnte. Da war er diesmal doch immer noch besser davon- gekommen und sicherlich würde er es lernen, auch in anderen Gruppen so ungezwungen wie in der eigenen zu reden. Karl Birnbaum  Genosse Kafperle. Wer kennt den Kasperl nicht, diesen kleinen drollioen Ka», ml» der Narrenkappe und dem großen Prügel? Er hat eigentlich immer schon zu uns gehört, denn trotz aller lustigen Kapriolen stand er stets auf der Seite der Unterdrückten und verdrosch olles, was für Un- freiheit und Gewalt eiMrat. Auf den Jahrmärkten ist er der Held des Tages, erobert sich im Sturm alle Herzen, bejubelt von den Kleinen, belacht von den Großen. Er Ist ein gar derber und dreister Bursche voll unoerwüst» lichcm Humor. Ost scheint es. als packe er die Dinge am verkehrten Ende an, und doch bleibt er immer obenauf. Cr vertreibt alle Trüb» sal, wen er in der Kasperlbude seine tollen Sireiche vollführt. Kasperl fürchtet sich nicht vor Tod und Teufel und immer bleibt er Sieger gegen alle Mächte der Bosheit und Gewalt. Kein Theater hat eine so enge Verbindung zwischen Bühne und Publikum erreicht, wie sie beim Kasperl zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Die Kinder sind Publikum und Mitspieler zttgleich. Sic helfen ihrem Freund Kasperl im Kamps gegen seine Feinde, warnen ihn. wenn Unheil droht, verraten ihm.'wo sich sein Wider» pari versteckt hat. der ihm auflauert, kurz sie sind mit ganze? Seele beim Spiel, erleben alles, was auf der Kajperlbühne geschieht, als wäre es Wirklichkeit. Kasperl ist ihr Freund. Sie haben ihn tief ins Herz geschloffen. Kosperls Beliebtheit ist Jahrhunderte alt. Und das liegt darin begründet, daß sich hinter all seinen Spaßen und lustigen Streichen «in Freund des Volkes, ein Rebell verbirgt Schon im Mittelalter trieb er sein lustiges Wesen. Bei großen Kirchensesten fehlte er nie. Dicht neben dem Dom schlug er fein Haus auf. Aber damals belustigte er nicht die Kinder. Er sp'elt« vor Erwachsenen, verhöhnte all« Mächte der Autorität, war Ver» körperung der derben Güte des Volkes, kämpfte gegen alles, was das Volk bedrückte und ängstigte. Feldherren und Fürsten  , Ritter und Psasfen waren vor seinem beißenden Spott und vor seinem kräftigen Prügel nicht sicher. Die Kirche erkannte gar bald die ge» waltige Anziehungskraft des kleinen Kebolds und machte sie sich zunutze. Sie begann se'bst Handpuppcnspicle aufzuführen, insze- nierte Stücke aus dem Alten und Neuen Testament und versucht« es mitMoralitäten". Aber diese Konkurrenz war sakt- und kraft- los. Der Liebling des Volkes blieb d.'r andere, der weltliche Kalpcl, der sich mit Hilfe seines Prügels schon aus Erden Erlösung von allem Bösen verschaffte und nicht erst aus ein besseres Jenseits warten wollte. Er war ein Rebell, ein Empörer, stets kämpf» bereit gegen die Mächte der Unt«rt>rückung. Kasperl war auch Antimilitarist. Das blieb er sogar noch im kaiserlichen Deutschland   bis zum Weltkrieg. Wie sprang er doch handgreiflich mit Feldwebeln und Ossizieren um und brachte ihnen seineschlagenden" Araumente mit dem Prägel bei. Nicht überall wagte man, deutsche Offiziere von Kasperl verspatt-n und verprügeln zu lallen. Zuweilen wurden solche Szenen nach Rußland   oder nach der Türkei   verlegt. Aber die Tendenz blieb: der Kamps geaen den Militarismus. Köstlich waren die Szenen, in denen er sich mit einem Soldatenwerber auseinandersetzte, sich über den Fahneneid lustig machte und den Paradedrill versvottete. Das war noch der alte Kasperl mit seinem unbändigen Freiheitsdrang. Aber bald sollte es ander» kommen. Der Krieg zog in die Kasperlbude ein, und aus dem Antimilta- risten wurde ganz plötzlich ein Franzosenfreller,»in Enolandhaller und ein nationalistischer Schreier- der aus seiner Kasperlbude her- ausplärrteJeder Schuß ein Rufs', jeder Stoß ein FranzosI" Einst hatte Kasperl gar rebellisch-übermütig gesungen: Bübchen, wirst du ein Rcknit. Hau den Hauptmann aus die Schnut... Jetzt wurde Kasperl selbst Soldat, verherrlichte den Krieg, variierte sein altes Lied und bog es ins Nationalistische um: Junge, wirst du ein Rekrut, Ha« den Franzmann aus die Schnut... Und selbst In der Nachkriegszeit konnte man ihn noch Fron» zosen und Engländer aufhängen sehen. Nur langsam sand er wieder zurück zu seiner gutmütigen, derbdreisten Art. zu feinem Humor und seiner schlauen Ueberlegenheit. mit der er gegen alles Unrecht kämpft. Aber die Mächte von gestern versuchen, sich des lustiaen Burschen zu bemächtigen und spannen Ihn ein in ihre antisemitische und nationalistische Verhetzungspropaganda Das paßt Zwar nicht zu Kosperls Wesensart, aber er ist ja wehrlos und bekommt erst Leben durch den Spieler, der die Kasperlpuppe über die Bühne führt. Kasperl wird Genosse. Das haben aber auch die Roten Falken der Kinderfreunde und der Arbeiterjugend erkannt. Besonders bei den Kinderfreunden fand Kasperl bald eine neu« Heimstätte. Der alte Kasperl aus der Vorkriegszelt stand wieder auf, der Rebell, der Empörer, der Freund der Unterdrückten. Und wer einmal einer Kasperlaufführung im Zeltlager der Kinderfreunde bei- gewohnt hat, dem wurde es mit aller Deutlichkeit klar, welch starke erzieherische Wirkung Freund Kasperl ausüben kann Meist wird aus dem Stegreis gespielt: Fragen, die den Roten Falken am Herzen liegen, erfahren etne lustige Abhandlung in der Kasperlbude. Jetzt sind nicht mehr Tod und Teufel Kafverls Feinde. Mit Richtern und Fabrikanten, mit Fürsten   und Osfizieren haut er sich herum und er ist dabei genau so lustig und drollig wie er ehedem war.