Aus der ersten Zeit.

Wie unser erstes Jugendheim entstane.

Für uns als Mitglieder des Vereins der Lehrlinge und jugend­lichen Arbeiter Groß- Berlins war um das Jahr 1908. der Begriff Jugendheim noch fremd. Wir tagten zumeist in rauchigen, un­freundlichen Kneipen. Selbstverständlich waren wir uns bewußt, daß der Aufenthalt in den unfreundlichen Räumen feine ideale Sache sei. Unser Streben ging, deshalb immer dahin, zu versuchen, ein eigenes Jugendheim zu schaffen. Der Schaffung eines Heims standen aber fast unüberwindliche Schwierigietten entgegen, denn Geld war unsere schwache Seite. Im Herbst des Jahres 1909 ver. fuchten wir mit allen Mitteln, uns einen eigenen Raum zu schaffen. Im Südosten der Stadt, in der Reichenberger Straße, wurde ein leerstehendes Zimmer gegen ein geringes Entgelt gemiebet. Nun hatten wir wohl den Raum, aber feine Einrichtungsgegenstände. Als Tischler mußte ich nun gemeinsam mit einem anderen Jugend­genossen die nötigen Einrichtungsgegenstände selber herstellen. Wir fanden in der Falckensteinstraße, ebenfalls im Südosten der Stadt, einen Keller, der eine Hobelbant und das nötige Werkzeug beher bergte.

In dieser Kellermerkstatt entstanden nun mühsam de ersten Einrichtungsgegenstände des Lesezimmers, wie wir unser erstes Heim nannten. Einige Bänke, einige Tische und ein Regal zur Auf­bewahrung der Bibliothek. Die Beleuchtung des Zimmers war außerordentlich primitiv. Wir benutten eine Betroleumlampe m't einem Patentbrenner. Trotz aller Primitivität waren wir stolz, nun endlich einen eigenen Raum zu besitzen. Einige Jahre später gelang es uns, in einem Hotelhaus drei Räume zu bekommen. Es war schon eine wesentlich bessere Lösung unserer Jugendheimfrage. Eine ideale Lösung erhielt die Jugendheimfrage aber erst, a's Partei und Gewerkschaften in Berlin   daran gingen, den Verein Arbeiter­jugend" zu schaffen, der dann einige vorbildlich eingerichtete Heime Im Often und Norden der Stadt schuf.

Wir und die Polizei.

Jede unserer Versammlungen wurde polizeilich überwacht, Als Bersammlungsleiter betam man daher eine ziemlich genaue Per­fonentenntnis, soweit es sich um die Bolizeioffiziere handelte. Es war rührend, wenn man sich wis alte liebe Bekannte begrüßte. " Na," sagte einmal ein Polizeileutnant zu mir, wir haben doch schon oft zusammen gearbeitet und es ist immer gut gegangen. da werden wir ja hoffentlich auch heute teinen Aerger haben." Mon fonnte meistens schon im voraus jagen, ob ein: Bersammlung einen ruhigen Verlauf nehmen würde menn man wußte, welcher Poliz i- offizier die leberwachung übernahm. Ausnahmen gab es nur, wenn von oben ein strifter Befehl vorlag, die Versammlung un­möglich zu machen. Bei gewissen Offizieren nar man sich von vorn­herein klar, daß die Versammlung nur eine furze Lebensdauer haben würde.

sächlich nicht stattfinden, da ein Einschreiten der Polize zu befürchten war. In anderer Form stieg dann die Feier am 14. Dezember 1912.

Die bürgerliche Presse verleumdet uns. Die bürgerliche Presse hatte nichts unterlassen, um uns bei jeder Gelegenheit im öffentlichen Ansehen herabzusehen. Man versuchte es auf verschiedene Weise. Die Fachzeitung Der Tischlermeister" schrieb im Jahre 1906:

Eine höchst ergögliche Schilderung von dem Stiftungsfest des Lehrlingsvereins, die durch die Tageszeitungen die Runde macht, wird auch unseren Lesern einen vergnügten Augenblick bereiten. Hier ist sie: In der Brauerei   Friedrichshain ging es in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag gar luftig zu; Lie jungen Refruten der Sozialdemokratie, die noch ganz grünen Roten, waren zum Stiftungsfest beisammen, das ihre Organisation", der Verein der Lehrlinge, jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen   Berlins und Umgegend", zum zweiten Male feierte. Schon in der Elektrischen tonnte man merken, daß dort draußen im dunklen   Friedrichshain etwas Besonderes vorgehe. Nu, Mare, ooch nach's Königstor?"

,, Natürlich bei's Stiftungsfeft!" So ging es herüber und hin­über. Aber am Portal der Brauerei war es doch wie beim Sub­striptionsball. Droschken auf Droschten rollien vor, und ihnen ent­stiegen die Herren Lehrlinge mit ihren Damen. Er" zahlte stolz den Kutscher, half dann ihr die Ballgarderobe ordnen, bot ihr den Arm und langsam, aber mit entsprechender Würde ging es die Steintreppe hinauf zum Festsaal. Eintrittskarten 30 Pf. Garderobe 20 Pf., Programm 10 Pf. alles Kleinigkeiten! Der Herr Lehr­ling hatte anscheinend viel Trinkgelder eingenommen und kann sich heute alles leisten und wenn das Kerlchen die neue Woche über wieder Torten austragen geht oder Hosen in die Häuser bringt usw., so gibt man ihm ja gern wieder einen Groschen!"

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Die Wahrheit" schreibt am 9. Januar 1910: Einen pifanten Beigeschmack gewinnen die roten Jugendverbände noch dadurch, daß sie den beiden Geschlechtern willkommene Ge'egenheit zur Anbände­lung mehr oder minder harmlosen Verkehrs gewähren. Getreu dem roten Ariom von der Gleichberechtigung von Mann und Weib vereinen sich in Jugendvereinen Männer" und" Frauen" in dem hoffnungsvollen Alter von 14 bis 20 Jahren. Die Veranstaltungen werden natürlich von beiden Geschlechtern gemeinsam besucht. Behörden aber mögen sich durch das dreifte Berhalten der roten Schre hälse nicht einschüchtern laffen, damit das Vertrauen des Bürgertums auf die Stärke der Regierung nicht noch weiter ins Wanfen gerät."

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Die

Im Jahre 1909 berichteten die Dresdner Neuesten   Nachrichten" über eine Protestfundgebung, die sich gegen die neuen Lehrverträge der   Berliner   Handwerkskammer richtete, unter der knalligen Ueber­schrift: Der Protest der Stifte." Richard   Timm.

Der überwachende Offizier wurde stets von einem Bolizziwacht Arbeiterjugend, lies den Vorwärts"!

meister begleitet, der in einem Aftendeckel eine Anzahl Fo iobogen Schreibpapier mit sich führte. um g'eich an Ort und Stelle einen Bericht zu machen. Im Präsidium legte man über alle Begeben heiten gewissenhaft Atten an. Durch eine Vernehmung auf einem Bolizeirevier befam ich mal einen Einblick in den Umfang folcher Attenstücke. Das tam so: Unsere   Berliner Jugendorganisation war der polizeilichen Auflösung verfallen und durfte els solche nicht mehr in die Erscheinung treten. Daher wurden alle Veranstaltungen von einzelnen Genossen arrangiert. Da wir trok Auflösuna jedes Jahr im September unfer Stiftungsfeft feiern wollten, mieteten wir im Jahre 1912 die Neue Welt". Es dauerte gar nicht lange und ich wurde aufgefordert, über eine Vereinsfestlichkeit, die in der Neuen Welt" stattfinden sollte, Auskunft zu geben. Der vernehmend Bolizeioffizier jah mich scharf an und stellte zunächst die Berfonalien feft. Dann begann die Fragerei: Welcher Verein ist der Veron­stalter?" Der Veranstalter bin ich und kein Verein." Wer be­fucht diefe Feier?" Meine Freunde, Bekannte. Berwandte usw." Da plakte der Beamte los: Das fönnen Sie einem Menschen er­zählen. der feine Krempe am Hut hot, aber nicht mit!"

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Als ich trokrem bei meiner Behauptung blieb, sagte der Be­amte: Wiffen Sie, wieviel Personen der große Saal der Neuen Welt" fakt?" Jawohl, 4000 Perfonen."" Na und da wollen Sie sinem Menschen erzählen, daß Sie soviel Bekannte usw. haben? Laut Gerichtsentscheidung so und so gehören alle Veranstaltungen über 200 Berinnen zu hen öffentlichen. Was wollen Sie denn den ganzen Abend beginnen?"" Ein Männergesangverein und eine An­zahl bekonnter   Berliner Bühnenfünffter haben ihre Mitwirkung augefaat." er bezahlt denn diese Leute?" Das ist wohl mine Soroe!" Da hielt mir der Beamte eine Eintrittskarte zu der be wußten Feier unter die Nase und sagte: Na, hier steht doch drauf: 30 Pf. Eintritt." Bei dieser Belenenheit sah ich wohlgeheftet alte gute Bekannte, nämlich die Eintrittskarten zu unseren sämtlichen Stiftungsfesten früherer Jahre und die dazu gehörigen Berichte! Das tollfte war, dak wir noch nicht einmal mit der Auscabe der Karten begonnen hatten. Sie mußten also schon aus der Druckerei von einem Spitzel übergeben sein. Die Veranstaltung fonnte tot

."

Berantwortlich: Franz KIühs.   Berlin.

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