An der Wende.

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tommen ermöglichen. Und ebenso wie der Arbeitervater dem Arbeiterjungen, fo follte, dle Arbeitermatter dem Arbeitermädchen näherkommen, was wohl noch felchter ist, weil zwischen Mutter und Tochter allgemein engere Berbindungen vorhanden sind als zwischen Bater und Sohn. Selbstverständlich sollten die Mütter an

Die Schulentlassung naht. Sie beansprucht bei tau- 1- sonderen Stimmung der Schulenilaffung werden diefes. Näher­senden Burschen und Mädchen das ganze Interesse. Von der Schul­entlaffung erwarten sie Loslösung aus der Enge ihres Kinderlebens, Eintritt in ein vollberechtigtes Dasein als Erwachsene, schlechthin Anbrud) einer ganz anderen und selbstverständlich besseren Zeit. Das Intereffe der Eltern ist anders gerichtet. Je nach Größe ihrer Geldbeutel erwarten sie von ihren Kindern entweder einen möglichst hohen zusätzlichen Verdienst und damit eine gelinde Befferung ihrer fargen häuslichen Verhältnisse, oder den Anfang einer beruflichen Karriere für die Jungen und einer gesellschaftlichen für die Mädchen, die nach der Schulentlaffung als herr" und Fräulein" mit allen Modeschikanen angetan herumstolzieren müssen, wo sie viel lieber herumtollten, die sich lieber das Fell von Sonne und Wind bräumen ließen, als mit blasierten Mienen bei langweiligen gesellschaftlichen Beranstaltungen einen möglichst guterzogenen Eindruck schinden müffen.

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Was nun auch die Eltern von ihren Kindern beim Eintritt ins Leben erwarten, welche materiellen Verhältnisse den Lebensweg der Jugend belasten oder beflügeln gefeiert wird die Schulentlassung; in proletarischen Kreisen als Jugendweihe, in gutbürgerlichen Familien als Konfirmation. Unterschiede zwischen Jugendweihe und Konfirmation bestehen leider nur erst in der Art der allgemeinen Feiern, die häuslichen Feiern sind in der Regel in der Arbeiterfamilie ebenso inhaltlos und frampihaft wie in Bürger­kreisen. Der Freudenbringer hier wie dort ist der Alkohol; bei den einen in Gestalt teurer Sette und auserlesener Weine, bei den anderen in Form von billigen Likören, schlechten Bieren und fauren, selbstgegorenen Weinen.

Im Mittelpunkt der häuslichen Schulenilaffungsfeiern stehen hier wie dort nicht die Schulentlassenen, sondern ein Amüsement der Erwachsenen, der Eltern, Onkel, Tanten, Bekannten. Die Schul­entlassenen spielen dabei die Rolle von Paradestücken, die angestaunt werden, aber mit denen niemand nichts Rechtes anzufangen weiß. Und sie selber kommen sich nebensächlich, überflüssig vor. Da werden bombastische Trinksprüche auf Glück und Heil der jungen Leute mehr oder minder schwungvoll fabriziert. Allermeist recht dummes Geschwätz, meilenfern von der Wirklichkeit. Von Aufstieg und neuem freien Leben wird geredet, und alle Redner wissen doch: Morgen geht die Arbeit los und damit, wenigstens für die Arbeiterkinder, ein aufreibender Kampf ums Dasein. Da werden die jungen Leute mit Bier und Tabat trattiert, bis ihnen ganz dumm im Kopf und übel im Bauch ist und sie heimlich ins Bett triechen. Bon ihrer Flucht aus der feuchten Feierrunde nimmt wohl kaum jemand Notiz. Man feiert Schulentiaffung auch ohne die Schulentlassenen.

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Es könnte, nein, es müßte in Arbeiterkreisen anders sein mit den familiären Schufentlassungsfeiern. Für Arbeiterkinder ist die Schulentlaffung als Eintritt in das Leben der Erwachsenen mit allen seinen vielen Sorgen und Nöten und seinen wenigen Freuden eine sehr ernste und wichtige Sache, die ihrer Bedeutung entsprechend gefeiert werden follte nicht in einer feuchten, sondern in einer fröh lich- ernsten Feierlichkeit. Die familiäre Schulentlassungsfeier könnte und müßte eine Möglichkeit sein, Eltern und Kinder näherzubringen. Der Arbeitervater müßte dem zukünftigen jugendlichen Arbeiter oder Lehrling als erfahrener Kamerad näherkommen, der bereit und fähig ist, im Sturm und Drang   der jungen Seele glättend und aus­richtend einzugreifen. Ein paar verständnisvolle Worte in der be­

diesem Tage des Eintritts ins Leben den ernsten Versuch unter­nehmen, ihren Söhnen näherzukommen und die Bäter ihren Töchtern. Der für junge Menschen immer irgendwie hinderlichen und manchmal sogar gefährlichen Entfremdung zu ihren Eltern, die allermeist ihre Ursache hat in schlechten Lebens- und Wohn­verhältnissen der Arbeiterfamilien, kann gerade durch ein Näher­kommen zwischen Eltern und Kindern am Tage der Schulentlassung tatkräftig entgegengearbeitet werden.

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Die großen Jugendweihen, wie sie von den Berliner  Sozialisten veranstaltet werden, sind ein guter. Anjang, wichtige Abschnitte im Arbeiterleben in diesem Falle Eintritt ins Leben­in einem der Arbeiterwirklichkeit und der Arbeitersehnsucht ent­sprechenden Sinne feierlich zu umrahmen. Es muß nun weiter ver­sucht werden, diesen Geist auch in den familiären Schulentlassungs­feiern spürbar werden zu lassen. Das Näherkommen zwischen Eltern und Kindern in ernster und froher Umrahmung und nicht mehr der Alkohol sollten der Inhalt dieser Familienfeiern sein. Am Tage der Schulentlassung sollten die Eltern ihre Kinder an sich bringen durch den Versuch, elne Kameradschaft aus dem gemein­samen Arbeiterschicksal zu entwickeln, sie sollten alles vermelden, was Eltern und Kinder voneinander führen kann, und das geschieht sehr leicht beim Anblick des betrunkenen Baters. Werdet Freunde der Jugend! Das ist die Lofung für die Eftern bei der Schulentlaffung ihrer Kinder.

Jugend und Arbeitslosigkeit in Schweden  .

Der schwedische Jugendverband, der schen im November vorigen Jahres einen Mitgliederstand von 50 339 erreicht hatte und somit, nach der Bevölkerungszahl gemessen, die stärkste Sektion der So­zialistischen Jugendinternationale darstellt, beschäftigt fich feit jeher mit der Lage der arbeitslosen Jugendlichen. In einer Eingabe an die Regierung und an den Reichstag   im Frühjahr 1929 verlangte der Verband besondere Beachtung dieses Problems. Seine Borstands­fizung vom November führte zu einem Blan, der jeht in der Form einer Umfrage in der gesamten Mitgliedschaft verwirklicht wird. Es foll forgfältig zufammengestelltes Material über die Arbeits­tosigkeit und ihre Formen bei der sozialdemokratischen Jugend Schwedens   gesammelt werden. Zu den Daten, die von den Vereins­vorständen über den Beschäftigungsgrad der Mitglieder und zu den Angaben, die von den arbeitslofen Mitgliedern selbst angefordert werden sollen, kommen noch Angaben über die Arbeitslosigkeit im allgemeinen. Insbesondere wird die Frage gestellt, ob und wie die Arbeitslosigkeit der Junendlichen mit Lehrlingsausbildung trifft und ob der Bereinsvorstand der Meinung ist, daß der Jugendliche mit solcher Ausbildung größere Aussichten auf Arbeit hat.