Hilft die Arbeitsdienstpflicht?
Jugenderziehung durch Wartestandsbeamte und Heeresangehörige.
Im Zusammenhang mit den Vorschlägen zur Bekämpfung der| Arbeitslosigkeit wird die Durchführung einer Arbeitsdienstpflicht für Sugendliche lebhaft erörtert. Im alten Reichstag lagen ein nationalfozialistischer und ein wirtschaftsparteilicher, im Preußischen Landtag ein deutschnationaler Antrag auf Einführung der Arbeitsdienstpflicht vor. Der Chriftlich- Soziale Bolfsdienst, die Jungdeutsche Bolts. nationale Reichsvereinigung, der Werwolf haben die Arbeitsdienst pflicht in ihrem Programm stehen. Baterländische Verbände und Frauenvereine stehen ihr mit Sympathle gegenüber. Ein Bund für Arbeitsdienstpflicht" tat fich auf. Eine Reihe von Verbänden Schloß sich zu einer Arbeitsgemeinschaft für deutsche Arbeitsdienst. pflicht zusammen, in deren Namen ein Kuratorium die politische Möglichkeit und finanzielle Durchführbarkeit der Arbeitsdienstpflicht prilfen soll.
storbene Senatspräsident Dr. Flügge. Er schägt die zu erwartenden Koften auf jährlich 1159 Millionen Mart, ebenfalls ohne die Kosten für Unterbringung und Transport.
Daß folche Summen nicht verfügbar find, auch wenn der wirtschaftsparteiliche Anschlag auf die öffentlichen Betriebe zur Ausführung fäme, braucht bei der Finanzlage des Reiches nicht bewiesen zu werden. Außerdem: die Wirtschaftlichkelt der Arbeitsdienstpflicht wird selbst von ihren Befürwortern bezweifelt. In der Raffeler Boft" schreibt Graf Berlepsch : Bei der Arbeit, die eine auf Grund allgemeiner Arbeitspflicht zufammenberufene Gesellschaft von Menschen zu leiften hat, steht die Rentabilität nicht im Vordergrund." Die Arbeitsdienstpflicht wäre also nichts anderes als ein fehr foftspieliges Experiment, für das sich die Steuerzahler sehr bedanken. Arbeitsdienstpflicht ist ziviler Militarismus. Nun zu der erzieherisch politischen Seite der
Die Auffassungen über den Zweck der Arbeitsdienstpflicht find fo vielfältig wie die Interessen, die die genannten Ver- Arbeitsdienstpflicht. Die Wirtschaftspartei fagt im§ 1 ihres Ent pflicht find so vielfältig wie die Intereffen, die die genannten Ber- wurfes:„ Die Arbeitsdienstpflicht dient der Erziehung der deutschen bände vertreten. Mit Schlagworten wie Wiedergefundung des Jugend zu freiwilliger Unterordnung gegenüber dem Wohl der deutschen Volkes“,„ Erziehung zu Disziplin, Verantwortungsgefühl Algemeinheit, zu geregelter Arbeit und Pflichterfüllung." Daß die und Arbeitswille" sucht man für den Gedanken zu werben. Die Jugend zur Arbeit erzogen werden foll, ist eine ganz infame Berextremen Nationalisten wollen ble allgemeine Arbeitsdienstpflicht als Erfaz für die durch den Versailler Bertrag verbotene allgemeine höhnung der 600 000 Jugendlichen Erwerbslofen. Denn nicht unluft Ersay für die durch den Versailler Vertrag verbotene allgemeine zur Arbeit, sondern Mangel an Arbeit ist doch die Ursache der Wehrpflicht. Alle treten fle mit der Behauptung auf, die Arbeits- Arbeitslosigkeit. Die Jugend will arbeiten, mur fie fann es nicht, Dienstpflicht sei ein Mittel zur Einschränkung der Erwerbslosigkeit, weil nicht genug Arbeitsplätze vorhanden find. besonders der Jugendlichen, weil mit ihr zufägliche Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden können. Wie steht es damit?
Die Arbeiten des Deutschen Arbeitsdienstes". Die Wirtschaftspartei hat am 18. Oftober 1930 dem Reichstag den Entwurf eines Gefeßes zur Durchführung der Arbeitsdienst pflicht mit 24 Paragraphen vorgelegt. Danach sollen sich bie Arbeiten des Deutschen Arbeitsdienstes" vorzugsweise erstrecken auf Erdarbeiten aller Art, die im öffentlichen Interesse liegen, wie Wegebau, Meliorations, Kanalbauten und ähnlichen; Kanzleiarbeiten im Hilfsdienst bel öffentlichen Behörden und bei den Arbeitsdienststellen; Notstandsarbeiten jeder Art zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Betriebe".
Für Erdarbeiten fäme in erster Linie die Dedlandkultur in Frage. Nun läßt sich aber nicht jedes Debland fultivieren. Dann ift die Menge der verfügbar zu machenden Arbeitstage verhältnis. mäßig gering zur Zahl der Arbeitsdienstpflichtigen. Nach dem wirtschaftsparteilichen Entwurf soll jeder männliche Deutsche von Bollendung des 17. Lebensjahres bis zum Ende des Kalenderjahres, In dem er das 25. Lebensjahr vollendet, für ein Jahr arbeitsdienstpflichtig sein. Die Arbeitsdienstpflichtarmee würde bei dieser Regefung 450 000 Mann start sein. Mit diesen Arbeitskräften wären nach Urtellen aus Landbundkreisen in drei bis vier Jahren alle Debländer zu kultivieren und Arbeit dann nicht mehr vorhanden. Für Kanal- und Wegebauten dürften Arbeitsdienstpflichtige kaum in Frage kommen; denn dafür sind übergenug freiwillige Arbeiter vorhanden.
Die Notstandsarbeiten zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Betriebe" bedeuten in der Braris nichts anderes als organisierten und staatlich fanttionierten Streifbruch. Schließlich faffen sich sehr viele Arbeitszweige au lebenswichtigen Betrieben erklären. Mit der zufäßlichen Arbeitsbeschaffung durch Arbeitsdienstpflicht ist es also fehr mager bestellt und die Arbeitslosigkeit nicht einzudämmen.
Was foftet die Arbeitsdienstpflicht?
Die Arbeitsdienstpflicht würde aber auch eine schöne Stange Geld tosten. Ueber die Aufbringung der Mittel gibt es die unterschiedlichsten Meinungen. Nach dem wirtschaftsparteilichen Entwurf soll die Finanzierung des Deutschen Arbeitsdienstes" grundfäßlich erfolgen durch Bezahlung der vom Arbeitsdienst gefelfteten Arbeiten. Darüber hinaus werden die zur Durchführung diefes Gesetzes erforderlichen Mittel zur Hälfte von der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitstofenversicherung, zur anderen Hälfte durch eine Besteuerung der Betriebe der öffentlichen Hand aufgebracht".
Den jährlichen Aufwand für Verpflegung, Kleidung, Löhnung, Taschengeld, für Führerpersonal und Verwaltungskosten, für Wohlfahrtspflege und Geschäftsbedürfnisse berechnet der wirt fchaftsparteiliche Reichstagsabgeordnete Sachfenberg auf 413 Honen Mart; nicht einberechnet sind die Kosten für die Unter bringung. Zu einer erheblich höheren Summe tommt der ver
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Auf volkswirtschaftliche Richtigkeit kommt es den Wirtschaftsparteilern aber nicht an, wenn sie ihre reaktionären Pläne In bezug auf die Jugend durchführen können. Das ficht in dem Entwurf fo aus:§ 3 lautet: Die Ausübung des verfaffungsmäßigen Wahlrechts ist für alle Arbeitsdienstpflichtigen an die Vorlage des ordnungsmäßigen Entlassungsschreibens aus dem„ Deutschen Arbeitsdienst" belm zuständigen Wahlvorstand gebunden." Das ist nichis anderes als der Versuch einer Herauflegung des Wahlalters. Organisatorische Gründe finden sich immer zu dem Nachweis, daß erst die 24jährigen jum Arbeitsdienst einberufen werden konnten; sie würden also erst vom 25. Lebensjahr an wahlberechtigt fein.
Die Beltung des Arbeitsdienstes soll einem Personal übertragen werden, das aus Warteftandsbeamten und entlassenen Heeresangehörigen bestehen foll(§ 11). Die letzteren sollen hierbel bevorzugt werden. Also ein Jahr lang würden 450 000 junge Männer unter die Erziehungsgewalt von ausgedienten Offizieren und Wachtmeistern gestellt. Der Kasernenhofdrill bes preußischen Kommiß fände hier seine Auferstehung. In der nationalistischen Presse wird denn auch ganz offen erklärt, daß der eigentliche Sinn der Arbeitsdienstpflicht fein soll ,,, aus den Reihen der Arbeitsdienft
pflichtigen den Grundstock des fünftigen deutschen Volksheeres zu
bilden".
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Die deutschnationale Börsenzeitung" schreibt 28. Februar 1929: Die Wiederaufrichtung unferes alten Boltsheeres ist uns verwehrt. So ist der Wunsch doch gewiß berechtigt, der deutschen Jugend vorerst wenigstens eine Schulung zu schaffen, die der neuen Generation mindestens etwas von dem sittlichen Gehalt des alten Heeres zu vermitteln vermöchte. In diesem durchaus und aufs höchfte berechtigten Streben wurzelt der Gedanke der Arbeitsdienstpflicht."
Die Arbeitsdienstpflicht entpuppt sich als zivile Neuauflage des deutschen Militarismus. Das Zwangsarbeitsjahr die Jugend zu neuer Kriegsbegeisterung entfachen. Alle die des deutschen Arbeitsdienftes foll unter der Leitung von Militärs nationalistischen Redensarten von vor 1914 werden neu aufgeputzt vorgeführt: Erziehung zur Nation, zur Schlafalsgemeinschaft, zum Dienst am allgemeinen Wohl, zur lleberwindung der Parteienzersplitterung und des Klaffentampfes.
Sozialistische Arbeiterjugend und Sozial. bemotratie find gegen die Arbeitsdienstpflicht. Einmal, well fie finanziell undurchführbar ist und wirtschaftlich weil wir nicht wollen, daß die deutsche Jungmannschaft ben Er nicht helfen fann gegen die Arbeitslosigkeit. Dann aber vor allem, ziehungseinflüffen der Reaktion zwangsweise ausgelegt wird. Arbeit für die Jugend zu beschaffen ist oberftes Gefeß, nur muß diese Arbelt freiwillig fein und darf keinem 3wang unterliegen. Gustav Weber.