heißen Dank der Seele zuzustellen, da wandte sie sich noch einmal, erfaßte seine Hand mit ihren kleinen weißen Händchen und, ihn mit der frommen Miene eines Raphaelschen Engels ansehend, bat sie: ,, Was Sie auch zu ertragen haben, was Ihnen auch zustößt, lassen Sie nicht bei sich die Verzweiflung über Ihre Standhaftigkeit siegen. Vertrauen Sie mir, vertrauen Sie unserer Liebe, denken Sie nicht blos an sich, sondern vor Allem an die Nothwendigkeit, daß Sie sich mir erhalten. Ich müßte sterben, wenn Sie von mir gingen." Noch einmal drückte sie mit Innigkeit seine Hand und eilte zur Mutter zurück, welche bereits die Stirne in strenge Falten verzog. ,, Welch ein Engel," flüsterte der junge Mann, ihr nach­schauend, vor sich hin; ,, vielleicht mein Rettungsengel?"

,, Wenn ich mich darauf verstehe, so hat sich hier eine kleine dramatische Scene begeben, wie sie einem nach Stoff schmachten­den Schriftsteller nicht interessanter einfallen kann. Romeo und Julie ohne Musik von Gounod  , was jedenfalls den Reiz un­getrübter erhält. Was meinen Sie? sollen wir nach solchen

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| Strapazen es versuchen, in dieser tollen Sylvesternacht einen stillen Restaurationswinkel zu erobern, wo man fern vom vor­nehmen Gesindel, vulgo Haute volée, ich wollte sagen vom höheren Geflügel, mit einem Glase genießbaren Punsches die dummen Erinnerungen an das alte Jahr, welches den ehrenhaften Ent­schluß gefaßt hat, endlich zu gehen, hinunter zu spülen?"

Aus der alten und

Der Denkstein, welcher im vorigen Jahre auf dem Zürichberge bei Zürich   Georg Büchner   gesezt ward( s. die wohlgelungene Zeich­nung auf S. 36), trägt folgende Inschrift:

Zum Gedächtniss

an

den Dichter von Danton's   Tod GEORG BÜCHNER  

geb. zu Darmstadt   17. Okt. 1818

gest. als Docent an der Universität Zürich   19. Feb. 1837.

Ein unvollendet Lied sinkt er ins Grab,

Der Verse schönsten nimmt er mit hinab.

Herwegh  .

,, Sie sind ein Humorist, also der allerbeste Gesellschafter für einen Mann in meiner Lage, und ich würde Ihre geistreiche Ge­sellschaft in dieser Minute mit Golde bezahlen, wenn ich..."

,, Nicht ein armer Lieutenant mit etwa hundert Reichsmark Monatsgage wäre, nicht wahr? Aber wir sind alte Bekannte von Vaters Zeiten her, und da Sie zumal eine reiche Partie machen werden, so riskire ich nicht ohne selbstsüchtige Hintergedanken, den heutigen Punsch zu bezahlen, ausgenommen wir gehen zu S., dem einzigen Wirth meiner Bekanntschaft, der Selbstverleugnung genug besitzt, der Literatur zu borgen, bei dem ich demgemäß auch Stamm­gast bin. Also gehen wir!" ( Fortseßung folgt.)

der neuen Welt.

durch preußisches Gebiet nicht als hessischen Deserteur zu verrathen. Da er es an dieser Vorsicht aber fehlen läßt, so fangen ihr preußische Werber auf und schleppen ihn nach Emden  , wo er als gemeiner Gre­nadier in die Uniform des Preußenkönigs gesteckt wird. Zum Glück gewinnt ihm seine Geistesbildung die Achtung einiger Offiziere und die Gunst des kommandirenden Generals Courbière  , der ihn zum Lehrer seiner Kinder bestellt. Dennoch treibt es ihn, die schmähliche Fessel der Kriegsknechtschaft gewaltsam zu zerbrechen; er macht im Winter unter furchtbaren Beschwerden einen Fluchtversuch, wird aber in einem Dorfe, in welchem er nach 24stündigem Marsche halbtodt vor Ermüdung und Hunger anlangt, von dem Dorfamtmann in Empfang genommen und Tags darauf nach Emden   zurückgeschleppt. Dort erwartet ihn die un­

Ueber die Einweihungsfeier werden wir am Schluß der Biographie menschliche Bestrafung, mit der die militärische Gerechtigkeit Preußens Büchner's berichten.

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Johann Gottfried Seume  ( s. S. 37) wurde am 29. Januar in dem Dorfe Poserne bei Weißenfels   geboren. Seine Eltern waren Landleute. Der Vater besaß einen festen, streng moralischen Charakter neben einer in seinen Verhältnissen seltenen Intelligenz, die ihn beson­ders in religiöser Beziehung zu sehr aufgeklärten Ansichten geführt hatte. Ihr bescheidenes Vermögen büßte die Familie Seume in den Hungerjahren 1770 und 71, während welcher sie nach Knautkleeberg bei Leipzig   übergesiedelt war, vollständig ein. Trozdem wurde dem jungen talentvollen Sohne eine gute Erziehung zu Theil, da er anfangs bei dem ziemlich gebildeten Dorfschullehrer Weihrauch und dem Dorfpfarrer rege Förderung und später in dem Grafen von Hohenthal  - Knaut­hayn einen opferbereiten Gönner fand. Nachdem er bei dem tüchtigen und edlen Rektor Korbinsky in Borna   sich auffallend rasch nicht unbedeutende Kenntnisse in den klassischen Sprachen und sonstige Vor­bildung angeeignet, wird er in die Sekunda der Nikolaischule in Leipzig  aufgenommen. Nach zweijährigem Aufenthalte auf der Schule wird er mit dem Zeugniß der Reife für den Universitätsbesuch auf die Leipziger  Universität zum Studium der Theologie entlassen. Bald aber gewinnt er die Ueberzeugung, daß er zum Theologen vollständig verdorben ist, und da er keinen anderen, wenigstens keinen seiner Abenteuerlust ent­sprechenderen Ausweg findet, verläßt er heimlich Leipzig  , um sich nach Frankreich   zu begeben und dort auf eigene Faust ein neues Leben zu beginnen. Indeß schon im Beginn seiner Reise sollte er Gelegenheit bekommen, für den Drang der Abenteuerlichkeit schwere Buße zu thun. Er wird von den auf der Menschenjagd begriffenen Werbern des Land­grafen von Hessen- Kassel  , der gleich allen übrigen deutschen Fürsten im vorigen Jahrhundert den scham- und ehrlosesten Menschenhandel trieb und Tausende von Unglücklichen, die in seine Räuberhände fielen, an die Engländer verkauft hat, aufgefangen und nach Amerika   zum Kampfe gegen die Franzosen eingeschifft. Die Qualen des 22 Wochen dauern­den Transports, während dessen die Verkauften, nach Seume's   eigenen Worten, gedrückt, geschichtet und gepökelt wurden, wie die Heringe," erträgt er mit bewundernswürdigem Humor. In den Kampf fommt er nicht, aber das Lagerleben in Hallifax, die militärischen Exercitien und das verzweifelt geistarme Leben segen seinen Gleichmuth auf eine harte Probe.

Gleich nach der Ankunft ist er zum Unteroffizier avancirt; weiteres Emporſteigen verhindert der Friede, welcher auch seine Rück fehr nach Europa   und die Wiederauslieferung an die Hessen   veranlaßt. Um nicht von neuem und zwar diesmal an die Preußen verkauft zu werden, desertirt Seume   und gelangt mit Hülfe mitleidiger Menschen glücklich auf oldenburgischen Boden, wohin ihm die Hessen   nicht folgen durften. Die Unterstügung des Fürsten von Oldenburg   hätte es ihm möglich gemacht, die Heimat zu erreichen, wenn er vorsichtig genug ge­wesen wäre, die hessische Uniform abzulegen und sich bei der Durchreise Verantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht in Leipzig  .

damals die Desertion jedes, auch des gewaltsam und ohne jede Spur von Recht angeworbenen" Soldaten ahndete. Die warme Fürsprache der Emdener Bürger, das Flehen der Kinder Courbière's und die Be­liebtheit Seume's bei dem gesammten Offiziercorps waren indeß Ursache, daß an Stelle des entseglichen Spießruthenlaufens die ungleich mildere Strafe eines sechswöchentlichen Arrestes trat. Schließlich aber entkommt er doch, nachdem ihm ein wohlwollender Bürger Emdens 80 Thaler geliehen und er dieselben bei seinem Regimentskommando als Bürg­schaft während eines zum Besuch seiner Heimat gegebenen Urlaubs de­Nun kehrt er zuerst in die Arme der über den wieder­ponirt hat. gefundenen Sohn unaussprechlich glücklichen Mutter zurück, um sich dann zur Fortseßung seiner Studien nach Leipzig   zu begeben. 1793 wird er Sekretär des russischen Bevollmächtigten, Generals Grafen Igelſtröm, der ihn nach Warschau   mitnimmt und als Offizier in die russische Armee einreiht. 1794 bricht die polnische Revolution aus. In einem mehrere Tage in Warschau   wüthenden und alle seine Schrecken entfaltenden Straßenkampfe werden die Russen niedergemegelt oder gefangen ge­nommen. Nur 400 Mann, an ihrer Spize der General Igelström, schlagen sich, mit dem Muthe der Verzweiflung kämpfend, durch. Seume  , der einem zu Tod verwundeten Freunde noch einmal vor dem Scheiden die Hand drücken wollte, wird abgeschnitten und begibt sich, nachdem er mehrere Tage unter allen Qualen des Hungers und des Durstes, umtobt von den Scenen wildesten Mordens, sich verborgen gehalten hat, freiwillig in die Gefangenschaft der Polen  . Während mehrerer Wochen wird er gleich allen Andern wie ein Kriminalverbrecher behan delt; endlich, nach vergeblicher Belagerung Warschaus   durch die Preußen, welche hier, wie bei verschiedenen anderen geschichtlichen Gelegenheiten, die Schergen des russischen Barbarenthums gespielt haben, wird die Hauptstadt durch den russischen Oberkommandirenden Suwarow   genommen. Selbstverständlich gewinnt Seume   damit seine Freiheit wieder. In Begleitung eines jungen russischen Majors kehrt er nach Leipzig   zurück, wo er verbleibt, nachdem er den russischen Dienst quittirt hat. Darauf lebt er abwechselnd in Leipzig   und Grimma  . Im J. 1801 treibt ihn seine Wanderlust zu dem weltberühmt gewordenen Spaziergang nach Syrakus, den er zu Fuß durch Desterreich und Italien   nach Sizilien und zurück durch Italien  , die Schweiz   und Frankreich  , über Paris  , in neun Monaten zurücklegt. Sowohl seine Gedichte", als die Beschrei­bung des Spaziergang nach Syrakus" und eine andere Reisebeschrei­bung, Mein Sommer", sind der Ausdruck seines unter den schwierigsten Lebensverhältnissen bewährten männlichen Charakters und seiner freiheit­lichen Gesinnung. Seume   war ein ganzer Mann, der für alle Menschen kein würdigeres Strebensziel fannte, als Wahrheit und Gerechtigkeit, und für sene eigene Person niemals ein anderes Ziel verfolgt hat. Der Tod traf den erst 47jährigen im Bade Tepliß in Böhmen  , wo er Heilung von schweren Unterleibsleiden gesucht, am 13. Juni 1810. B. G. Ehre seinem Andenken!

Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig  .

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Von heute au werden wir mit jeder dritten Nummer eine Beilage in der Stärke eines halben Bogens geben, Die Verlagshandlung. und hoffen recht bald im Stande zu sein, mit jeder Nummer diese Beilage geben zu können.