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Erhielte eine derartige Bestimmung Gesetzeskraft und würde wenn man behauptete, ein Regierungsapparat, welcher sich so un­durch eine wachsame, unangemeldete und dauernde Controle der fähig zeigt, bestehende, so leicht aus dem Weg zu räumende Uebel­Heizeinrichtungen für genaue Beobachtung derselben gesorgt, stände zu bekämpfen, beweise dadurch, daß seine Existenz selbst 90 Procent der jetzt fortwährend vorkommenden Kohlen- das größte Uebel ist? Aber diese völlige Unthätigkeit seitens der orydvergiftungen wären unzweifelhaft von vornherein Behörden hat auch Unthätigkeit und Gleichgiltigkeit seitens der vermieden. Dies ist so einfach, daß es einem Kinde einleuchten direkt Betheiligten zur Folge. Weil keine Behörde die Haus­muß. Auch wird durch luftdichten Verschluß der Ofenthüren, bei wirthe dazu anhält, wollen diese nur in den seltensten Fällen sonstigem guten Zustande des Ofens, die Entweichung der Wärme Verbesserungen an den Defen anbringen lassen: das können ja ebenso wirksam verhindert, wie durch Klappenverschluß des Rohres. die Miether selbst thun, wenn ihnen der Ofen nicht gefällt. Die Leider sind die Kinder keine Gesetzgeber und Sanitätsbeamte, und Miether ihrerseits wissen, daß ihnen nur zu häufig, wenn sie daher geschieht von alledem gar nichts. Wohl kümmert sich die etwas zur Verbesserung der Wohnung thun, vom Wirth entweder Behörde mit einer peinlichen Aengstlichkeit um viele Dinge, die die Miethe gesteigert oder die Wohnung ganz gekündigt wird. dem schlichten Menschenverstande höchst unwesentlich erscheinen. So unterbleibt auch ihrerseits meist jede noch so nöthige Re­Wenn bei Revision einer Apotheke die allerdings fast immer paratur, und sie ruiniren sich für die schwere Miethe noch ihre schon einige Zeit vorher dem Besitzer angekündigt wird ein Gesundheit und verkürzen sich das Leben. Hat sich jedoch erst Gefäß mit Bleiweiß   oder Kupfervitriol oder Höllenstein vor- die Einsicht immer mehr verbreitet, daß es so nicht weitergeht, gefunden wird, dessen Schild nicht mit einem rothen Rande ver-| daß das allgemeine Wohl einen besseren Zustand und eine strengere sehen ist, so schreibt der Revisor ein seitenlanges Protokoll über Controle der Heiz- und Ventilationsvorrichtungen erfordert, so den fehlenden rothen Rand, und die Regierung gibt dann dem wird die Gesetzgebung und Verwaltung sei es die jetzige oder Apotheker auf, schleunigst den rothen Rand anzubringen, und eine andere eine andere dieser Forderung, dieser sittlichen Empörung über diktirt ihm eine Nachrevision zu. Man könnte hier wohl sagen: die schreiende Vernachlässigung des allgemeinen Wohlseins ent­,, Difficile est satyram non scribere"( es ist schwer, keine sprechen müssen. So gut sich die Herren Hausbesitzer haben Satyre zu schreiben), wenn nicht die Sache zu ernst wäre. Weil daran gewöhnen müssen, daß die Behörde sich von der Reinigung vielleicht ein Apothekerlehrling ein nicht rothberändertes Gefäß ihrer Latrinen überzeugt, werden sie sich auch daran gewöhnen, voll Bleiweiß   mit einem solchen voll Magnesia verwechseln könnte daß die Heiz- und Ventilationsvorrichtungen ihrer Häuser wo­- obgleich das sehr unwahrscheinlich ist, wird der ganze möglich noch strenger controlirt werden. Inzwischen entferne Jeder, Regierungsapparat in Bewegung gesetzt, um zu bewirken, daß in wo er nur kann, aus freien Stücken die Ofenklappen und sorge allen Apotheken der preußischen Monarchie wie es anderwärts für Anbringung luftdicht schließender Ofenthüren, für gute Ver­ist, weiß ich nicht-die Bleiweißgefäße mit rothen Rändern schmierung der Fugen, gute Röhren. Wo es möglich ist, bringe versehen sind, damit sie nicht mit Gefäßen unschädlicheren Inhalts man Doppelfenster oder Doppelscheiben an, welche die Ausstrahlung verwechselt werden können. Daß aber Jahr für Jahr viele Hun- der Wärme mehr hindern, als sie die Klappe zurückhält, sowie derte von Menschen durch schlechten, aber verbesserungsfähigen tegelförmige, oben und unten offene Schornsteinaufsätze, die das Zustand der Oefen ums Leben kommen und Millionen Menschen Zurücktreiben des Rauches durch den Wind verhindern. Allen dadurch krank und siech werden, das schiert keine Bureaukraten wird das freilich nicht möglich sein; in der heutigen Gesellschaft und national- servile Gesetzgeber.*) Hätte man da wohl Unrecht, ist eben ein wirklich gesundes und glückliches Dasein für die Mehrzahl nicht möglich und die besseren Elemente können nichts Besseres thun, als diese Erkenntniß immer weiter verbreiten. sionen wird streng auf die Beachtung dieser Bestimmung gesehen. Daß es aber Tintenfabrikanten gibt, die dieses heftige Gift jede Woche pfund­weise ihrem Fabrikate zujeßen, darum fümmert sich keine Sanitätsbehörde.

*) Wie sich die Aufmerksamkeit der Behörden oft auf ganz un­wesentliche Dinge concentrirt und wirklich beachtenswerthe unbeachtet läßt, dafür könnten noch zahlreiche Beispiele angeführt werden. Hier nur eins. Quecksilbersublimat muß in den Apotheken und Droguen­handlungen unter doppeltem Verschluß gehalten werden, und bei Revi­

Aus der alten und der neuen Welt.

Hebert( sprich Ebähr), dessen Portrait wir Seite 77 bringen, war eins der Häupter der Pariser Commune   von 1793 und 1794. Im Jahre 1755 zu Alençon   von armen Eltern geboren, erwarb er sich durch außerordentlichen Fleiß, unterstügt von guten Anlagen, einen Schaß von Bildung und Kenntnissen, welcher ihn nach langem Ringen in den Stand seßte, mit Erfolg die journalistische Laufbahn zu betreten. In die Revolution warf er sich mit Feuereifer, jedoch ohne berauscht zu werden. Seine berühmte Zeitung Père Duchêne"( spr. Pähr Düschähn) wetteifert mit Marat's" Ami du Peuple  "( pr. Ami pöhpl) und ,, Journal de la République"( pr. Schurnall dla Republic) in richtiger ( wir würden sagen staatsmännischer", wenn das Wort nicht durch unsere modernen ,, Staatsmänner" in Mißkredit gekommen wäre) in ächt praktischer Auffassung der Verhältnisse. Von ihm hat die Partei der Hebertisten" ihren Namen, d. h. die Partei der Revolutionsmänner, welche mit ihm begriffen, daß die Revolution unvollständig sei, wenn sie blos die politi­schen Formen und nicht auch den sozialen Inhalt der Gesellschaft um­gestalte. Kurz, die Hebertisten repräsentirten das sozialistische Element in der französischen   Revolution, so weit damals ein solches entwickelt Hebert   wurde im Frühjahr 1794 mit den bedeutendsten seiner Mitstreiter von dem fanatischen Kleinbürger Robespierre   aufs Schaffot geschickt. Vier Monate später, am 9. Thermidor, folgte ihnen der beschränkte Gesellschafts- und Gottretter aufs Blutgerüst nach. Durch seinen Staatsstreich gegen die Hebertiften hatte er sich selbst den Boden unter den Füßen weggezogen.

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zum festlichen Reigen einladen. Alle Fenster sind geöffnet und von den geschmückten Balkonen herab schaut der stolze Adel der Lagunenstadt dem bunten Treiben zu. Aber unheimlich für das Auge wirkt das Dunkel eines Hauses zwischen den festlich erleuchteten Palästen. Durch die herabgelassenen Jalousien hindurch dringt nur der matte Strahl einer Ampel, sonst herrscht überall dichte Finsterniß. Hier waltet tiefe Trauer. Werfen wir einen Blick in das einsame Gemach, das nur spärlich vom Ampelschein erleuchtet ist. Auf dem Pfühl liegt dahin­gestreckt eine Jungfrau, deren marmorblasse Wangen errathen lassen, daß sie eine Beute des Todes geworden. Wer hatte es geahnt, daß das noch vor Kurzem blühende, anmuthige Antlig sich so schnell ent­färben würde, daß die einst so wohlklingende Stimme für immer ver­stummen sollte! Noch vor wenigen Tagen konnte man sie mit der Palette und dem Griffel sehen, wie sie ein Gemälde voll von Farben­reichthum, reich an Genialität der Erfindung unter Leitung ihres Meisters vollendete. Und wer war dieser Meister? Ihr Vater, der berühmte Tintoretto, unter den Schülern Tizians der besten einer, der durch die Freskenmalerei im Markusdom sich für alle Zeiten( Tintoretto   lebte von 1512-1594) ein Denkmal unvergänglichen Ruhms gesezt hat. Ber zweifelt und gebrochenen Herzens kniet er am Todtenbette der heiß­geliebten Tochter, die in den Tagen des Kummers sein einziger Trost, in der Zeit des Glücks sein höchster Stolz war.

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g.

Tintoretto   am Sterbebett seiner Tochter.( S. d. Bild S. 76.) Auf den Straßen und Pläßen Venedigs   herrscht fröhliches Leben. Ueberall ertönen die heiteren Klänge der Musik, welche die lebensfrohe Menge Verantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht in Leipzig  .-Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig  .

Die Wahrheit steckt tief im Brunnen" hat Demokritos gesagt, und die Jahrhunderte haben es seufzend wiederholt: aber es ist kein Wunder- wenn man, sobald sie heraus will, ihr auf die Finger schlägt. Schopenhauer.