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nicht so reichlich gedeckt, und namentlich im strengen war Schmalhans oft sein Küchenmeister.*) Jetzt aber aut es sorglos in die Zukunft und denkt gar nicht daran, daß die schönen Tage auch einst ein Ende nehmen. Rein zum Ver­gnügen sucht es hier und da eine kleine Fliege zu erhaschen, selbst auf einen Abendfalter erstreckt sich seine Jagd, doch entgeht er diesmal noch der geschickten kleinen Räuberin. Die Maus gibt deshalb diese nicht sehr einträgliche Jagd auf und wendet sich zu der Getreidemandel, um an den vollen Aehren das Werk der Zerstörung zu beginnen. Wir haben hier Gelegenheit, uns von der Schädlichkeit des kleinen Nagethiers zu überzeugen, denn weit über seinen Bedarf zerstört es muthwillig die segenschweren Aehren, wie ja auch schon das Volkssprüchwort sagt: Wenn die Maus satt ist, fängt sie an zu schroten." Doch nicht blos an dem reifen Getreide beweist die Maus ihre Schädlichkeit, sie nagt an allen Theilen der Gewächse, vernichtet schon zur Zeit der Aussaat viele Samenkörnchen und Keime und wird den jungen Pflanzen durch das Abnagen der innersten und zartesten Sprossen ebenfalls höchst verderblich. Später verschont sie die feinen Wurzelfasern und auch die grünen Halme nicht und ist somit wohl mit Recht zu den allerschädlichsten Thieren zu zählen. Doch schon naht ein Feind des kleinen Säugethiers. Fast geräuschlos fliegt die schöne Blaurate oder Mandelkrähe vom nahen Waldrande herbei. Ihr scharfes Auge hat das Mäuschen entdeckt, und pfeilschnell schießt sie hernieder, um dem muth­willigen Zerstörer den wohlverdienten Lohn zu geben. Doch noch früh genug hat diesmal der kleine Räuber den Feind bemerkt, um blitzschnell in das schüßende Innere der Mandel flüchten zu können. Verdrießlich fliegt die Rake noch ein Stückchen über dem Boden hin, um in einem furzen Bogen zurückzukehren und auf der Spitze der Mandel sich niederzulassen. Aufmerksam blickt sie zur Erde, ob nicht die geflüchtete Feldmaus sich hervorwagen werde; daneben vergißt sie jedoch auch nicht, eine Heuschrecke oder ein anderes großes Insekt wegzuschnappen. Der thörichte Land­mann meint zwar, sie setze sich auf seine Getreidehaufen, um dort die reifen Aehren ihres Segens entladen zu helfen, und ver­scheucht sie deshalb wohl von seinem Acker, aber er beweist hier durch so recht, wie wenig er das Leben der ihn umgebenden Thierwelt kennt, denn sonst würde er wissen, daß die Mandel­krahe sich nicht oder doch nur ausnahmsweise, im Falle der Noth, von Pflanzenstoffen ernährt, sondern lediglich von thierischer Kost lebt. Allerlei Insekten, wie Maikäfer, Johannis- oder Brachkäfer, Raupen, Schmetterlinge, Heuschrecken 2c. sind ihre Hauptnahrung. Die Getreidemandeln besucht sie also nicht der reifen Körner wegen, sondern sie wählt diese allein zu dem Zwecke, um von hier aus die höchst schädlichen Heuschrecken wegzufangen. Gleich zeitig ist sie auch ein eifriger Mäusejäger und deshalb des größten Schutes würdig.

Vielfach wird die Rake von Unkundigen mit der allerdings nicht zu schützenden Raben- und Nebelkrähe verwechselt und deshalb verfolgt, doch ist sie von diesen bei einiger Aufmerksam feit leicht zu unterscheiden. Während das Federkleid der ersteren durchweg schwarz, das der Nebelkrähe aber zur Hälfte grau und zur Hälfte schwarz aussieht, macht sich die Rake schon von weitem durch ihre veilchen- oder grünlichblaue Färbung kenntlich. Der Rücken ist hellbraun gezeichnet und erhöht hierdurch die schöne Zeichnung des Vogels. Am häufigsten trifft man die Mandel­trähe an Waldrändern und in lichten Vorhölzern an, auch liebt sie die hohen Bäume am Feldwege und in der Nähe der Vieh­weiden. Ihr Nest legt sie in Baumhöhlen an und unterscheidet fich hierdurch am auffälligsten von den eigentlichen Krähenvögeln, zu denen man sie gewöhnlich, obwohl nicht mit Recht, zählt. Einige Zoologen stellen sie in die Gruppe der Eisvögel. Sie ist ein Zugvogel und langt meist im April in unseren Gegenden an, um schon in den letzten Tagen des August mit den ersten

*) Verfasser sah im strengen Winter 1871-72 ein Mäuschen auf einem Feldwege im Schnee einherlaufen, das, vom nagenden Hunger getrieben, alle Furcht vergaß und immer wieder sich ihm nahete und seine gefetteten Stiefeln anzunagen versuchte.

Wanderern uns zu verlassen und die Reise nach Afrika   anzu­treten.

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Unterdeß ist die Sonne schon tief herabgesunken; in den feurigsten Goldtinten erglänzt der westliche Himmel und verkündet das Nahen des milden Sommerabends. Ein erfrischender Hauch weht vom nahen Walde, und mit innigem Behagen athmet unfre Brust die würzige, kühle Luft. In solchen Augenblicken sind wir am empfänglichsten für die wunderbare Schönheit der Natur, und aufmerksam achtet unser Auge auf jeden Vorgang im stillen Natur­leben. Da regt es sich in der Nähe des großen Steinhaufens am Rain langsam kriecht eine giftige Kreuzotter daher. Behaglich hat sie den Tag über in der Nähe ihrer Wohnung zusammengeringelt im Sonnenschein gelegen und still und lauschend auf Raub gelauert. Jetzt schleicht sie noch ein wenig zwischen den Stoppeln umher, um eine Maus oder auch ein Vöglein, das schon zur Ruhe sich auf die Erde niedergelassen, zu überraschen. Die Kreuzotter ist Deutschlands   einzige Giftschlange und am sichersten an einer vom tiefsten Schwarz bis zum dunkeln Braun­grau gefärbten, sich immer in dunklen Tinten von der umgebenden Grundfarbe abhebenden Zickzackbinde auf dem Rücken erkennbar. Der übrige Theil des Oberkörpers ist sehr verschieden gefärbt. Bei den männlichen Thieren ist die Grundfarbe weißlich, mehr oder weniger in's Silberfarbene und Hellbraune schillernd. Die Weibchen ändern mit dem verschiedenen Alter vielfach ab, immer aber sind sie dunkler gefärbt. Alte Weibchen sind zuweilen fast ganz schwarz. Sie erreichen nicht selten 75 Em. Länge, während das Männchen selten über 70 Em. lang wird. In ganz Deutsch  -= land findet man diese Giftschlange, vorzüglich liebt sie aber feuchte und waldige Orte, doch verschmäht sie auch das Feld nicht, wenn sie hier nur Buschwerk oder hohes Gras, alte Baum­stämme oder Steinhaufen findet, die ihr ein sicheres Versteck bieten. Von hier aus unternimmt sie in der Dämmerung kleine Raubzüge, auf denen ihr Mäuse, Maulwürfe, Frösche und Eidechsen als gute Beute zufallen. Im Frühling beraubt sie auch manches Lerchennest und verzehrt mit größter Ruhe die nackten Jungen, trotzdem das Elternpaar ängstlich und laut schreiend sie um= flattert. Erblickt sie ihren Raub und ist sie ihm nahe genug, so zieht sie den Hals ein, um blitzschnell den Kopf vorzuschnellen und ihre scharfen, etwas nach hinten gebogenen Giftzähne dem Thier in das Fleisch zu bohren. Sofort strömt durch den hohlen Zahn aus der auf jeder Seite des Kopfes hinter dem Auge sich befindenden Giftdrüse ein Tropfen Gift in die Wunde, und schon nach wenigen Augenblicken ist das Thier seiner Verletzung erlegen. Selbst dem Menschen wird die Kreuzotter sehr gefährlich, und in weniger denn einer Stunde nach dem Biß ist ihr schon oftmals der stärkste Mann zum Opfer gefallen, wenn nicht rechtzeitig die zweckmäßigen Gegenmittel zur Anwendung gebracht worden waren. Als ein solches wird in erster Reihe das Aussaugen der Wunde empfohlen, und man braucht dabei keineswegs ängstlich zu sein, wenn man nur nicht etwa im Munde selbst eine kleine Wunde hat; denn das Schlangengist ist nur schädlich, wenn es unmittel­bar in das Blut gelangt. Doch darf man keinen Augenblick säumen, denn jede Sekunde Verzug bringt Gefahr mit sich. Hat man ein scharfes Messer zur Hand, so mache man oberhalb und unterhalb der Verletzung kleine Einschnitte und suche sie recht lange blutend zu erhalten. Dabei unterlasse man nicht, einen recht scharfen Druck mit dem Finger auf die Wunde auszuüben, um das Blut und mit ihm das Gift herauszutreiben. Auch Auswaschen der Wunde- am besten mit Chlorwasser- ist zu empfehlen, ebenso die möglichst schnelle Anbringung von Schröpf­köpfen. Nie versäume man es aber, baldmöglichst einen geschickten Arzt herbeizuholen, dem es durch Schwitz- und andere geeignete Mittel oftmals gelingt, die Folgen des Bisses zu verhüten. Wird nicht sofort ein geeignetes Gegenmittel zur Anwendung gebracht, so findet nach dem verletzten Theil sogleich ein gewaltiger Blut­andrang statt, wodurch die Stelle stark anschwillt und roth und blau unterläuft. Sofort tritt auch eine Zersetzung des gesammten Blutes ein, das in wenigen Minuten eine schwärzliche Färbung ( Schluß folgt.)

annimmt.