von dem Pfaffen Malthus einnehmen ließ, der den Kampf um's Dasein innerhalb der menschlichen Gesellschaft roherweise nicht nur als unabänderlich, sondern auch als absolut nothwendig darstellte.( Marr beweist übrigens, daß Malthus in dieser Beziehung nur eine Abschreiberrolle gespielt hat, indem er die betreffenden Auslassungen einem älteren, wenig bekannt gewordenen Schriftsteller entnahm, ohne seine Quelle anzugeben.)
Das Vergesellschaftungsprinzip ist, wie gesagt, für die Menschheit gradezu Bedingung ihrer Forteristenz- bei den heutigen und zukünftigen Produktionsverhältnissen mehr als je. Und wenn man mit der spöttischen Frage kommt: ob demnach die menschliche Gesellschaft eine Art Bienenstock darstellen solle? so antworte ich unbedenklich mit Ja! denn ich kann nichts Unvernünftiges darin sehen, daß die Menschheit sich im großartigsten Maßstabe organisirt, gemeinsam arbeitet, gemeinsam Vorräthe aufspeichert, gemeinsam genießt und feine Drohnen duldet! Sind wir auch von jenem idealen Ziele noch weit entfernt, so zeigt doch der bisherige Entwickelungsgang der Dinge, daß wir demselben direkt entgegensteuern.
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Will man nun aber naturwissenschaftlich beweisen, daß ohne individuellen Kampf um's Dasein innerhalb der Menschheit dieselbe alsbald sich so vermehren werde, daß sie weder Nahrung noch Raum zu finden vermöge, so muß ich einfach entgegnen: Abwarten! Noch gibt es eine solche Menge gar nicht oder fast gar nicht bevölkerten Bodens, noch bleibt ein solch' ungeheurer Strich Erde urbar zu machen, noch ist so wenig zu berechnen, wie vielmal bei rationellem Anbau und sonstiger praktischer Ausbeute des Bodens die Ernten 2c. vergrößert werden können, daß für Jahrtausende die Frage der Uebervölkerung eine müssige iſt. Sollte dieselbe jedoch wirklich einmal einen beängstigenden Charafter annehmen, dann wird eine Gesellschaft, die bis dahin zweifellos eine Kulturstufe erreicht haben wird, von der wir uns unmöglich jetzt schon einen Begriff machen können, die geeigneten Hülfsmittel in Anwendung zu bringen wissen. Wir thun jedenfalls besser, wenn wir uns um die soziale Frage der Gegenwart bekümmern, anstatt uns den Kopf zu zerbrechen, was für eine Kalamität einmal entstehen könnte, wenn Dies oder Jenes zur Geltung oder nicht zur Geltung gelangt.
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( Fortsetzung.)
Erwähnt sei aus jener Zeit eine bezeichnende Anekdote: Unter den Kunden des Mr. Mac Guffog war eine Dame mit mehr Geld als Verstand". Sie kam eines Tages in den Laden und verlangte feinste Frische Leinwand. Man legte ihr das Gewünschte vor, mit dem Bemerken, der Preis sei 8 Shilling die Yard.*) ,, Ich wünsche feinere Qualität; diese ist mir nicht gut genug." Man versicherte, es gebe keine feinere und theurere Leinwand, als die zu 8 Shilling. Umsonst, die Dame ließ sich nicht abbringen; und da Herr Mac Guffog die gute Kundin nicht verlieren wollte, so ließ er ein Packet Leinwand herbeibringen, das sei das non plus ultra von Feinheit, aber es foste auch 10 Sh. die Yard! Die Dame war nun zufrieden und kaufte. Nicht zufrieden war aber der Herr Commis, in dessen Kopf sich bereits höchst unkaufmännische Gedanken eingenistet hatten. Dem thörichten Weib eine Lektion geben recht und gut; jedoch einen Betrug verüben das durfte nicht sein. Er setzte in der Rechnung blos 8 Sh. an. Und die Wirkung? Die Dame vermuthete, es sei ein Irrthum begangen worden, schickte den Betrag, welchen sie-die Yard zu 10 Sh. berechnet- für den richtigen hielt, ein, und gerieth, als ihr der Sachverhalt erklärt wurde, in den heftigsten Zorn; man habe sie zum Besten gehabt, man habe sie schmählich betrogen! Vergebens suchte man ihr begreiflich zu machen, daß der vermeintliche Betrug darin bestehe, daß man sie nicht betrogen; Herr Mac Guffog hatte seine beste Kundin unwiederbringlich verloren. Was er zu dieser mißglückten Anwendung der famosen Lebensregel: Honesty is the best policy- Ehrlichkeit ist die beste Politik! sagte, das wissen wir nicht; den sonderbaren Schwärmer, welchen das Schicksal ihm in den Laden hineingeschneit hatte, bestärkte die Sache aber in seinen höchst unkaufmännischen Gedanken. Statt die ,, praktische" Lehre daraus zu ziehen, daß Moral und Geschäft ebenso wenig mit einander zu thun haben, wie Moral und Politik( welch letztere ja heutzutage auch„ Geschäft" ist), kam er zu der polizeiwidrigen Folgerung, daß Verhältnisse, die Solches ermöglichten, ja hervorriefen, durch und durch verschrobene, unnatürliche sein müßten. Die Kluft zwischen den theoretisch anerkannten Regeln der Moral und den praktisch befolgten Regeln der Lebensklugheit enthüllte sich mehr und mehr seinem auf den Grund der Dinge gehenden Verstand, und er fing an, sich zu fragen, ob die Kluft eine ewige sei, kraft unabänderlicher Naturgesetze existire, oder ob sie blos die Folge veränderlicher, reformfähiger, gesellschaftlicher Einrich tungen sei. Wer aber dazu gelangt, sich ernsthaft diese Frage
*) Die Yard
1 Shilling = 3 Fuß.
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1 Mark.
zu stellen, der hat nicht Ruhe, nicht Rast, bis er die Antwort gefunden hat oder den Tod.
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Im Jahr 1785 ging Robert mit Empfehlungen des Herrn Mac Guffog, der ihn nur ungern gehen ließ, nach London , von dessen geheimnißvoller Größe er sich magnetisch angezogen fühlte. Er fand hier bald eine Commisstelle mit 25 L. St. jährlich und freier Kost und Wohnung- höchst günstige Bedingungen für einen Knaben von 14 Jahren. Es war sehr viel zu thun; allein die späten Abendstunden hatte er wenigstens für sich, und der grauende Morgen traf ihn meist noch über den Büchern. Owen blieb aber nicht lange in dieser Stelle; es wurde ihm ein Platz in Manchester angeboten, der 15 2. St. mehr einbrachte, und er griff um so bereitwilliger zu, als der kolossale Aufschwung der Baumwollenfabrikation, welche schon damals ihren Hauptsiz in Manchester hatte, seine Aufmerksamkeit zu erwecken begann. In Manchester vernachlässigte er weder seine Bücher noch das Geschäft, aber er hatte auch seine Augen offen für das emsige, wogende Leben da draußen; und mit forschenden Blicken betrach= tete er die neue Welt der modernen Großindustrie, welche rings um ihn pochte, hämmerte, mit eisernen Fingern spann, mit eisernen Armen wob ,, am sausenden Webstuhl der Zeit" mit eiserner Hand den goldenen Segen Hunderten in den Schooß warf, und mit eisernem Fuß Tausende in das Elend hinabschleuderte.
Mußten die Tausende dem Elend verfallen, damit die Hunderte oben auf Fortuna's Rad siten konnten?
Es war eine gewaltige Zeit. Eine mächtige soziale Nevolution vollstreckte sich in England, während drüben in Frankreich die größte aller politischen Revolutionen sich vorbereitete und ihre düsteren Schatten schon vor sich her wars. Die Dampfmaschine ( Watt), die Baumwollspinne( Arkwright und Kay) und der Dampfwebstuhl( Cartwright) bewirkten eine totale Umwälzung der alten Produktionsweise; die Kleinproduktion wurde zum Tod verurtheilt, dem innerhalb der kleinbürgerlichen Schranken geregelten Handwerk der Boden unter den Füßen weggerissen und die Gesellschaft hinausgeschleudert auf den Ocean der entfesselten freien Konkurrenz, in den Krieg Aller gegen Alle, wo statt der Keulen, Hellebarden und Morgensterne Maschinenschäfte mit zermalmender Kraft geschwungen werden, und wo, wer unbewaffnet in den Kampf geht, gerade so unvermeidlich zu Boden geschmettert wird, wie vor vierthalbhundert Jahren die nackten Bauern von den gepanzerten Rittern: der Bauern Tod".
Noch heute rast dieser Krieg fort, aber es sind doch in den Kulturländern gewisse Bestimmungen zur Geltung gelangt, welche die Barbarei einigermaßen zügeln. Damals eristirte keine Fabrik