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Ein Besuch in Miramar.

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Von einem Naturforscher.

( Schluß.)

( Nachdruck verboten.)

Wir begeben uns an's Meer und zwar an jene Bucht anf die Samen verschiedener Pflanzen aus den Früchten heraus­der Westseite des Schlosses, die durch eine Schußmauer zum gemacht und Unbrauchbares auf einen Haufen geworfen. Da Hafen Miramar geworden. Die Sonne brennt dort am Sep- sehen wir an nicht beachteter Stelle in einem offenen Gartenbeet tembernachmittag heiß, aber der Wasserspiegel liegt ruhig, wie einen niederliegenden Strauch mit schlanken Zweigen, zartge­eine Krystallplatte; man sieht bis auf den sonnigen Grund des fiederten Blättern und rosavioletten Blüthenköpfchen, nebst sonnen­Wassers mit jener Klarheit, als schauten wir durch das beste einschließenden Hülsenfrüchten. Ich wähne, eine ächte Akazie vor optische Instrument. Seltsame Fische, große und kleine, sonnen mir zu haben; allein bei der ersten Berührung und leisen Er­sich und spielen, in den elegantesten Bewegungen sich hin und schütterung klappen die Fliederblättchen über dem gemeinsamen herscheuchend, zwischen den Algensträuchern; es sind Meergründeln, Blattstiel zusammen und belehren uns, daß die keusche Sinn­Schollen, Sardellen und manche andere Thiere, die jeden Morgen pflanze( Mimosa pudica) hier ebenso gut, als in ihrem heißen auf den Fischmarkt von Triest   gebracht werden. Vaterlande gedeiht. Man erzählt sich von dieser sonderbaren Pflanze allerlei Mährchenhaftes; das Interessanteste an letzterem ist aber, daß es nicht Mährchen, sondern Wahrheit. In ihrem Vaterland bildet sie ansehnliche Gebüsche, deren Blätter sich im eigentlichen Sinne des Wortes schlafen legen, wenn der Abend hereinbricht, um am sonnigen Morgen wieder aufzuwachen und ihre einzelnen Theile voll und ganz dem Lichte auszusetzen. Bei Tag ist sie so empfindlich, daß die leichte Erschütterung der Erde, welche durch ein vorbeitrappendes Pferd verursacht wird, hinreicht, um sie in eine schlafähnliche Ohnmacht zu versehen. Es scheinen indeß auch ihre Nerven" einer Abstumpfung fähig zu sein; denn bei anhaltender Erschütterung erwacht sie schließlich wieder aus ihrer Ohnmacht, ohne daß die ununterbrochen auf sie einwirkenden Reize neue Schlafstellungen verursachten. Man hat diese Pflanze in einem offenen Wagen spazieren geführt und während stunden­langer Erschütterungen am hellen Sonnenlicht wieder aus ihrer Schlafstellung erwachen sehen. Hält der Wagen für einige Zeit an, so frat bei der nächsten Erschütterung abermals Schlafstellung oder Ohnmacht" ein. Das Attribut der Keuschheit kommt ihr mit Recht zu; denn außer einigen andern Pflanzen trifft man solch zimperliches Benehmen nur bei Mimosa pudica.

Von der blendend hell beleuchteten Hafenmauer aus sehen wir blaß- weißlich schimmernde Klümpchen auf dem ruhigen Wasser spiegel sich langsam hin und her bewegen; manche bleiben ruhig an derselben Stelle liegen: es sind kleine Rippenquallen, die zu Dutzenden hier ihr träumerisches Wesen treiben. Wir steigen hinunter und versuchen, sie mit der hohlen Hand aufzufangen. Eitles Bemühen! Auf der undurchsichtigen Hand, die wir sachte in's Wasser tauchen, sind diese zarten Organismen unsichtbar und so oft wir den Arm zurückziehend glauben einen guten Fang gemacht zu haben, enthält die hohle Hand eben nichts als Wasser. Nun benüßen wir ein kleines Glasgefäß, eine unten geschlossene Röhre von Daumesdicke, die uns endlich ermöglicht, nach mehreren vergeblichen Versuchen eine dieser kleinen Bestien zu erwischen. Das kleine durchsichtige Wesen ist kaum von der Größe einer Haselnuß und tanzt im Glas langsam auf und nieder. Im Schatten wird es für uns unsichtbar, nur im Sonnen licht sind seine Umrisse erkenntlich: das Gegentheil von einem Gespenst. Die Konturen schimmern in allen Regenbogenfarben; denn es sind die 8 Längsleisten, die wie Rippen von einem Pol zum andern verlaufen, mit Flimmerzilien besetzt, welche in ihren wellenförmigen Bewegungen die wunderbarsten Lichteffekie er­zeugen. Die Zilien sind bei näherer Betrachtung dem unbewaff neten Auge schon bemerkbar; hält man das Glas gegen die Sonne, so scheinen die 8 flimmernden Längsleisten farbige Funken zu sprühen. Ich stecke das kleine Glas mit der ätherisch zarten Bestie in die Westentasche; nach einer Stunde lebt die Qualle noch; allein in der zweiten Stunde stirbt sie und zerfällt alsbald in ihre flüssigen Moleküle: ein faßbarer Traum, eine vergängliche Erscheinung eine Allegoric auf das einzelne Menschenleben. Könnte man so stille dahingehen, im Sterben noch ein flimmerndes Phänomen, vergoldet vom Sonnenglanz eines Septemberhimmels über der leuchtenden Adria  !

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Die eingetretene Ebbe und die sonntägliche Ruhe, welche über der ganzen Herrlichkeit sich ausbreitete, veranlaßten uns, eine Barke aufzusuchen, um unsere wissenschaftlichen Zwecke zu ver­folgen. Zu dem Ende hatten wir den nordwestlichen Theil des Parkes zu gewinnen. Der Weg führte uns wieder über die breite Terrasse mit den Blumen- und Blattpflanzen- Teppichen. Vorn, am Rande der Terrasse, begrüßt uns eine Erzstatue, der berühmte Adorant, seine betenden Hände gegen das Meer ausgebreitet. Weiter zurück, abwechselnd mit hohen Palmen, stehen noch einige Bronceftatuen, zunächst die herrliche, meergeborne Venus von Medici und ein blühender Apollo, beider Antlig ebenfalls dem offenen Meere zugewendet. Nebenan stehen die malerischen Riesenrispen eines amerikanischen Ziergrases( Gynerium argen­teum) und blühende Yuccaarten. Rechts und links ist die Terrasse durch hohe Wände hellgrüner Cupressineen abgegrenzt und längs der äußeren Wege stehen düstere, schlanke Cypressen, zum Theil mit Früchten schwer beladen. Den hintern Theil dieser Terrasse grenzt ein schattiger Laubgang ab. Welch ein Blick von dort aus über die nahen Herrlichkeiten hinweg, zwischen den dunkeln Bild­säulen der Mediceerin, des Apollino und des Adorant hindurch zum Schloß und Meer! Natur und Kunst haben hier das Herrlichste zusammengetragen, um die Illusion bis zum Extrem zu treiben. Der Boden, auf dem wir stehen, ist klassisch und Ser, welcher ihn so umgeschaffen, ein verlorener Kaiser. Durch dunkle Schattengänge, aufsteigend bald, bald auf ebenen Wegen wandelnd, gelangen wir in die nordwestliche Ecke des Partes. Sie liegt ziemlich hoch über dem Meere. Dort-ab­gegrenzt vom eigentlichen Park der Lustwandelnden werden

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Auf einem Haufen weggeworfener, faulender und verdorrender Parkpflanzen liegen große Früchte des Flaschenkürbis, einer Lagenaria, die nach meiner festen Ueberzeugung vom lieben Gott" nur dazu geschaffen wurden, damit die Botaniker beim Sammeln von Wasserpflanzen ein passendes Gefäß zur Hand finden. In dieser Ueberzeugung griff ich nach einem solchen Flaschenkürbis, schnitt oben den Deckel weg, entfernte den Inhalt und hatte sodann das schönste Trinkhorn vor mir.

Wir sind nun an der Grenze des Parkes angelangt und steigen auf malerischem Fußpfad zum Meeresufer hinunter, gegen das nahe Grignano, einem kleinen Nest mit etlichen Fischerhütten. Dort ist aus losen, durch keinerlei Mörtel mit einander ver­bundenen Steinen eine Art Hafenmauer aufgebaut, um den Fischern das Ein- und Aussteigen beim Abgang und Landen der Barken zu ermöglichen; denn das Meer ist seicht und das Ufer sanft ansteigend. Dort ist der Landungsplatz jener Todten, die sterben wollten, weil sie liebten, ohne vom Stamme der Asra zu sein. Gewiß, eine recht sonnige Stelle für nasse Todte. Ein lumpiges Fischermädchen von 5-6 Jahren, im bloßen Hemd und baarfuß bis an die Kniee, läuft herzu und überreicht uns etliche vom Meer ausgeworfene Muschelschalen. Wir sind ja Fremde und da will sie ein Almosen haben. Auch hier wieder die Grazie in Lumpen gehüllt; aber sie ist noch jung, während drüben am Eingangsthor zum Park die romanische Eleganz in der Person eines ergrauten Bettlers zum Ausdruck gelangt. Wir streifen hier Wiege und Grab. Zwischen drin liegt das Leben der Aermsten unter den Armen.

Ein Fischer lenkt unsere Barke. Wir fahren langsam vom Lande ab; unsere Blicke sind auf den von Tangen aller Art be­wachsenen Meeresgrund gerichtet. Baum und strauchartige Cystosira- Arten bilden den submarinen Oberwald. Zwischen drin stehen violette und rothe Blüthentange, grasgrüne Darm- Ulven und die grünen blasenähnlichen Körper von Rivularia Arten. Dort haben wir auch die an großen untergetauchten Steinen vor­kommende, wurmartig aussehende Dasycladus clafæformis mit ihren großen Fortpflanzungsorganen angetroffen und der Selten­heit wegen in reicher Menge gesammelt. Der Flaschenkürbis leistete dabei ganz vortreffliche Dienste.

Wir fahren zwischen großen Felsen, die ihre verwetterten Häupter neugierig über das Wasser erheben, längs des steinigen