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Erbrechen, Kolitschmerzen im Unterleibe, die Haut wird blaß und kühl und bedeckt sich mit flebrigem Schweiß, der Herzschlag un­regelmäßig, die Stirn wird von heftigem Kopfschmerz eingenommen, die Pupillen werden enge, die Ohren brausen oder klingen, der Schwindel wird stärker und die Gedanken fangen an sich zu ver­wirren. Hierauf finden sich Krampfanfälle ein; der vorher betäubte Kranke stößt mitunter einen Schrei aus; schließlich stellt sich all­gemeine Lähmung ein, der Blick wird starr, die Pupille weit, die Empfindung zum Theil aufgehoben, das Athmen wird immer schwerer, der Herzschlag schwächer, der Puls unfühlbar, und be­wußtlos oder in einem Krampfanfall hört der Kranke auf zu leben. Zuweilen treten neben dem Erbrechen auch Speichelfluß, schwärzliche, stinkende Stuhlentleerungen, oft' sogar vermehrte Harnausscheidung ein. Auch findet sich mitunter die Lähmung und der Kräfteverfall ganz plöglich, ohne vorausgegangene Krampf­periode. Ebenso bleibt manchmal soviel Besinnung, daß Fragen ziemlich gut beantwortet werden können. Geht die Vergiftung in Genesung über, so tritt mehr oder weniger tiefer Schlaf ein, nach welchem in der Regel nur Kopfschmerz, Zerschlagenheit der Glieder und großer Efel vor Tabat einige Tage zurückbleiben. Das Nikotin ist nicht in allen Tabaksarten in gleicher Menge vorhanden. So enthält der virginische Tabak 6-7 Prozent, der Elsässer 33, der Kentucky 6, der Pfälzer- 2, der edle Havannatabak noch nicht 2 Prozent. Von diesem ganzen Prozent­faze gelangen aber beim Rauchen nur minimale Bruchtheile in den menschlichen Körper, denn einestheils wird dem Tabak bei seiner Verarbeitung ein großer Theil Nikotin entzogen, andern theils kommen aber wieder die übrigen Alkaloide des Tabaks bei der Verbrennung desselben zur Geltung, beim Pfeifenrauchen be­sonders das ebenfalls betäubende und giftige Pyridin, beim Cigarrenrauchen das nicht minder schädliche Collidin, sowie die weiteren Verbrennungsprodukte: Kohlensäure, Cyanwasserstoff, Schwefelcyan, Essigsäure, Ameisensäure, Metaceton, Buttersäure, Baldriansäure, Carbolsäure  , Kreosot, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlen­oryd und Kohlenwasserstoff, also Stoffe, welche die reinen Nikotinwirkungen mehr oder minder beeinträchtigen, sodaß die chronische Tabaksvergiftung nicht überall gleiche Nicotin Krankheitsbilder liefert. Außerdem kommt die Art des Rauchens in Betracht: ob die Cigarre direkt bis auf das letzte Stümpfchen aufgeraucht, ob sie im Munde sehr durchfeuchtet wird? ob der Raucher eine Spitze benutzt und ob er dieselbe reinlich hält? ob er leichten oder schweren Tabak aus einer langen oder kurzen, Pfeife raucht? ob er nach türkischer Manier den Rauch verschluckt oder eine türkische Wasserpfeife von allen Rauchrequisiten die beste und unschädlichste benutzt? Die Folgen des Tabat­rauchens können also theils solche sein, welche dem Rauch, der eine lokale Wirkung auf die Organe der Vorverdauung- Mund­höhle u. s. w. oder auf die Schleimhaut der Athemwege aus­übt, zuzuschreiben sind, also katarrhalische Erkrankungen der= selben, die wir bei vielen Rauchern antreffen und die sich auch einstellen würden, wenn der Betreffende keinen Tabak, sondern Papier oder Stroh rauchte, theils sind sie direkte Wirkungen der in dem Tabak enthaltenen giftigen Substanzen und ganz besonders des Nikotins. Wir finden mitunter bei starken Tabakrauchern sehr hartnäckige, jeder Diät und jedem Medikament troßende Magen­und Darmkatarrhe, die wahrscheinlich durch Verschlucken des mit Tabakssaft durchtränkten Speichels entstehen und welche sich bessern, wenn der Tabaksgenuß beschränkt oder ganz unterlassen wird.

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Viel schlimmer und trotzdem im Volfe wenig bekannt ist eine ganze Reihe von Nervenerkrankungen, welche man als direkte Nikotinwirkungen aufzufassen berechtigt ist, falls sie sich bei starken Rauchern einstellen. Dieselben treten unter verschiedenen Formen auf, und wir sehen dabei ab von jener Verstimmtheit und Un aufgelegtheit zu geistigen Anstrengungen, welche sich häufig bei

Tabaksrauchern findet, die in diesem Genuß sich eine Art von Betäubung und Weltvergessenheit zu verschaffen suchen, wie der Opium- und Haschischraucher.

Schwerere und nicht selten vorkommende chronische Erkran­kungen sind dagegen: Augenaffektionen, Nebelsehen mit Besserung des Sehvermögens in den Abendstunden, Unmöglichkeit kleine Gegenstände zu unterscheiden, Farbenblindheit mit besonderem Mangel an Empfänglichkeit für die rothe Farbe; in höheren Graden Blindheit infolge Absterbens des Sehnerven( die so­genannte Tabaksneurose) und Ueberempfindlichkeit des Gehörnerven gegen laute Geräusche, besonders gegen Musik. Dann Rücken­markaffektionen; Nervenzuckungen; Nervenschmerzen, besonders aber die als Brustbräune bekannte Erkrankung des Herznerven­systems, welche in Anfällen von heftigen, zusammenschnürenden, bohrenden und brennenden Schmerzen in der Herzgegend oder am unteren Ende des Brustbeines besteht, die nach verschiedenen Richtungen, namentlich nach der linken Schulter und dem linken Arm hin ausstrahlen; Herzklopfen bei der geringsten Veran­lassung; lästige Athemnoth, besonders in den Abendstunden; Impotenz u. f. w. Selbstverständlich können die vorgenannten Erscheinungen auch bei Rauchern mitunter andere Ursachen haben. Man wird aber selten fehl gehen, wenn man sie auf chronische Tabaksvergiftung bezieht, falls sie sich bei Rauchern einstellen, die über Tabaksgeschmack im Munde klagen, selbst wenn sie stundenlang nicht geraucht haben, oder wenn zeitweise Ekel vor Tabak eintritt. Beide Symptome sind gewissermaßen ein Zeichen der Sättigung mit Nikotin, eine Warnung vor beginnender Tabats­vergiftung; sie fordern dringend zur Enthaltsamkeit auf. Wir kommen zum Schluß. Mäßiges Tabakrauchen kann für diejenigen, welche tolerant gegen das Nikotin geworden sind, ein anregendes, das geistige und leibliche Befinden hebendes Mittel sein, wie das Salz zum Brode; auf der anderen Seite kann es aber auch zum gefährlichsten Gifte werden, theils dadurch, daß ungenügende Toleranz gegen das Nikotin besteht und trotz sich einstellender Vergiftungserscheinungen weiter geraucht wird, oder daß der gegen Nikotin tolerant Gewordene zuviel raucht oder zu einer nikotinreichen Tabakssorte greift. Der Tabak wird daher nach wie vor seine Lobredner und Verehrer, wie seine erbitterten Gegner finden, und zwar deshalb, weil viele nicht die goldene Mittelstraße innehalten und weil sich eines nicht für alle schickt. Garnicht rauchen sollten aber zu Katarrhen der Verdauungs- und Athmungsorgane Geneigte, sowie junge Leute vor dem 21. Lebens­jahre, deren Körper noch in der Entwicklung begriffen ist. Man sollte ferner nicht rauchen in engen und kleinen, nur mangelhaft gelüfteten Lokalen oder wenn man sein Stimmorgan anzustrengen genöthigt ist. Mit Unwillen sieht man mitunter in Volksversamm­lungen den ganzen Saal von Tabaksqualm erfüllt, während der Redner sich abmüht, Aufklärung und Fortschritt zu verbreiten, ein Beginnen, welches vom chemischen und physiologischen Stand­punkte aus gerade so aussieht, als wenn einer Reinlichkeit predigt und in einer Kloake sitzt. Noch seltsamer geht es mitunter in Gesangvereinen her. Die biederen Sänger legen die Cigarre aus dem Munde und singen von Freiheit und anderen schönen Dingen, und kaum ist der lezte Ton verklungen, so führt der freiheits­begeisterte Gewohnheitssklave den Cigarrenstummel wieder in den Mund. Die beste Stimme kann durch solch unsinniges Thun zu Grunde gehen.

Stellen sich die oben angedeuteten Erscheinungen ein, so ist aber der Tabaksgenuß unbedingt zu meiden oder zu beschränken. Bei einiger Selbstüber­Manchem wird es schwer ankommen. windung gelingt es jedoch, am leichtesten dadurch, daß man sich auf einige leichte Pfeifen oder Cigarren pro Tag beschränkt und bei unüberwindlichem Drang zum Rauchen ein aromatisches Kau­mittel, z. B. ein Stückchen Ingwer, in den Mund steckt.

Aus den Erinnerungen eines Communarden.

Von R. Rüegg. ( Schluß.)

Wir sagten es schon: Die Julimonarchie warf den Samen zu der Saat aus, welche unterm zweiten Kaiserreich so schauerlich emporwuchs. Die erdrückenden Schranken, welche die alte Monarchie zu Gunsten ihrer Bevorrechteten aufrecht erhalten, fielen, die Bourgeoisie saß jetzt im Rohr und schnitt Pfeifen.

Der Industrialismus entfaltete seine Schwingen, der Kapitalis­mus hatte freie Tage. Die Projekte schossen wie Pilze aus dem Boden. Der Bau von Eisenbahnen und Kanälen, die Ver­werthung neuer Erfindungen, Finanzoperationen, Einführung von Maschinen zur Hebung der Industrie und Landwirthschaft 2c. 2c.