416

manche Seite des Volkslebens sich in schönrer Weise offenbart,| kämpfung durch seine eignen Verwandten, die Koraischiten in als die zur Mode gewordene Anschwärzung orientalischen Lebens glauben machen will.

Infolge der Kreuzzüge und der späteren Einfälle und Erobe­rungen der Türken in Europa  , aus welchen eine lange Reihe von Kämpfen folgte, die zeitweilig ganz Europa   erschütterten und er schreckten, hat sich, eifrig gefördert durch religiösen Fanatismus, die Mythenbildung in Bezug auf den Orient der weitesten Volks­freise bemächtigt, und die daraus erwachsenen Vorurtheile machen es heute gewissen Gewalthabern leicht, die Abschlachtung eines ganzen Volkes falten Blutes vorzunehmen.

Die Kulturhistoriker haben sich, namentlich in den zwei letzten Jahrzehnten, jedenfalls angeregt durch das Interesse, welches die endliche Lösung der sogenannten Orientfrage in der ganzen zivili­firten Welt erweckte, mit Vorliebe auf das Studium der Kultur­entwicklung des Orients geworfen, und es sind daraus eine ganze Reihe von Werken hervorgegangen, die viel Licht verbreiteten, große Ueberraschung bei ihren Lesern hervorriefen und die ge­hegten Vorurtheile stark in's Schwanken brachten.

Zu den besten derartigen Werken gehört die Kulturgeschichte des Orients unter den Chalifen", die Herr A. v. Kremer vor einigen Jahren( 1875) in Wien   erscheinen ließ. Das Werk be­ruht auf gründlichem Studium der Quellen und auf vielfacher persönlicher Anschauung von Land und Leuten, wie sich beide heute zeigen; zudem hat der Verfasser vor allem begriffen, daß das Studium der sozialen Zustände einer Epoche, verbunden mit dem der Natur des Landes, die Hauptbedingung zur richtigen Beurtheilung der Erscheinungen und Ereignisse ist.

Es liegt nicht in unserer Absicht den Lesern der Neuen Welt" hier eine umfängliche Darlegung der Kulturentwicklung des Orients zu geben, so wichtig und so lehrreich das auch sein dürfte*), wir wollen uns nur auf ein Gebiet jener Kulturentwicklung be­schränken, das aber hinlänglich zeigen dürfte, wie begründet die obigen Andeutungen über die hohe Entwicklung des, Orients im Mittelalter sind. Das genannte Werk des Herrn v. Kremer ist es, dem wir dabei im wesentlichen folgen.

Das Geistesleben eines Volkes prägt sich ganz besonders aus in der Richtung, welche die Dichtkunst, die Poesie, nimmt. Im Dichter infarniren und konzentriren sich die Ideen, welche ein Zeitalter bewegen, er formulirt in zum Verstand wie zum Gemüth sprechenden Worten die Wünsche, die Hoffnungen und die Klagen des Volks oder einzelner Glieder desselben. Das ist der Grund, warum die gebundene Sprache des wahren Dichters stets einen solch' bedeutenden Einfluß übt. Dieser Einfluß ist nirgends größer als unter Bölkern von starker Phantasie und leicht erregbarem Blute, zu denen die orientalischen Völker zunächst gehören.

Die Wiege des Islam ist Arabien  . Dort und zwar in Mekka  , der heiligen Stadt, war es, wo Mohamed zu Anfang des siebenten Jahrhunderts, als er sich bereits im 40. Lebensjahre befand, seine Visionen bekam, die ihn bestimmten, der Gründer einer neuen Religion zu werden. Die neue Offenbarung" war ein Gemisch von Juden- und Christenthum, die er beide durch fleißigen Um gang mit ihren Anhängern kennen gelernt und mit den über­lieferten religiösen Anschauungen seiner Landsleute, namentlich in Verbindung mit der Verehrung des heiligen Steines in der Kaaba  zu Mekka  , zu einem religiösen System vermengte, das den sozialen Bedürfnissen seiner Landsleute entsprach**). Anfangs fand der neue Prophet nur wenig Anklang, dagegen um so heftigere Be­

*) Der Verfasser hat die Absicht, in einer besondern Arbeit die Entwicklung des Ocients mit Bezugnahme auf den gleichzeitigen Zu stand der Civilisation im christlichen Abendland zu beleuchten.

**) Die Kaaba   ist das Gebäude, in dessen Mitte sich der heilige Stein eingemauert befindet. Dieser Stein ist von länglichovaler und gewölbter Form, circa sieben Zoll groß und in Silber gefaßt. Der Sage nach stammt er von Abraham, der ihn zuerst hier eingemauert, nach dem ihm ein Engel aus dem Paradies denselben gebracht. Der schwarze Stein soll selbst ein Engel sein, der Adam im Paradies bewachen sollte, da er sich aber dieses Auftrags bekanntlich sehr mangelhaft entledigte und Adams Sündenfall zuließ, zur Strafe von Gott   in einen Stein verwandelt wurde. Aber am Auferstehungstage soll der Stein wieder zum Engel werden und dann den frommen Pilgern, die ihn besucht und geküßt, als Zeuge dienen. Die Kaaba zi Mekka   war schon lange vor Mohamed und zwar seit uralter Zeit ein Wallfahrtsort, zu dem die Völker Ajiens aus weitester Ferne wallfahrteten. Die natürlichere Erklärung für das Ansehen des heiligen Steines ist, daß derselbe als Meteor unter feurigem Glanze herniederstürzte und von Hirten gesehen wurde, die seine ihnen übernatürlich erscheinende Herkunft zur Anbetung bewegte, und daß dann im Laufe der Zeit sich die Mythe weiterbildete.

Mekka  , welche fürchteten, daß die schönen Einnahmen, die ihnen der Dienst in der Kaaba   einbrachte, durch die neue Religion verloren gehen könnten. Erst später, als sie sahen, daß das Gegentheil eintrat, söhnten sie sich mit Mohamed aus und wurden seine eifrigsten Anhänger.

Die Mehrzahl der Araber lebte damals wie heute in einzelnen festgeschlossenen Stämmen auf einem ungeheuren Gebiete zerstreut.. Krieg und Raub, Jagd und Liebe waren die Beschäftigungen, um die sich ihr Leben drehte. um die sich ihr Leben drehte. Nur im Süden und Südwesten Arabiens  , im Lande Jemen  , wo ein fruchtbarer Boden vorhanden war, hatten verschiedene Stämme sich als Ackerbauer und Handel­treibende seßhaft gemacht; dort war auch, begünstigt durch die Nähe des Meeres, eine Anzahl angesehener Städte entstanden; und hier auf einem Gebiet, das die Verbindung mit Aegypten  und Vorderasien einerseits, Indien   und der afrikanischen Ostküste andrerseits seit uralter Zeit vermittelte, eine alte und bedeutende Kultur vorhanden. Der ganze mittlere und nördliche Theil Arabiens bildet eine ungeheure Wüste, die nur hie und da von einzelnen fruchtbaren Thälern und bald größeren, bald kleineren Oasen durchsprenkelt ist, welche die Sitze der einzelnen Stämme bildeten, um deren Besitz der Kampf der Stämme unter sich be­ständig von neuem entbrannte. Doch unternahmen die verbündeten Stämme auch häufig Raubzüge auf weite Entfernungen bis tief in's Syrische und in die Tigris- und Euphratländer oder nach Aegypten  . Ein anderer sehr gesuchter Gegenstand ihrer Raubzüge waren die Karavanen, die nach den verschiedenen Ländern und Handelsplätzen mit schwer beladenen Kameelen die Wüste durch­zogen und nur unter starker Bewachung mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg ihren Zug unternehmen konnten. Die Hauptcharaktereigenschaften des Volkes wurden bei dieser Lebensweise Tapferkeit und Kühnheit, verbunden mit großer Schlau­heit, die um so nöthiger war, als man in der Regel den Feind auf weiter Ebene urplößlich überraschen mußte, um des Erfolges sicher zu sein. Auch eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, die Jagd, erforderte dieselben Eigenschaften. Die Raubthiere der Wüste zu erlegen oder die leichtfüßigen Antilopen, den Strauß und die Giraffe oder die Wildkuh zu überlisten und einzuholen, dazu ge­hörten Muth und Geschick und nicht minder außerordentliche Schnelligkeit der Bewegung. Diesem letzteren Umstand ist die hohe Vervollkommnung geschuldet, welche in Arabien   die Pferde­zucht erlangte, und die Verehrung, welche der Araber gegen diesen seinen wichtigsten Genossen bei Kampf, Raub und Jagd empfand. Wo Stämme oder Völker beständig im Kampfe liegen, erheischt das beiderseitige Interesse die Aufstellung von Regeln, die keiner gegen den andern, will er nicht als verächtlich und ehrlos gelten, verlegen darf. Dahin gehörte in erster Linie die Schonung des Lebens Unbewaffneter und Großmuth gegen den besiegten Feind. Dagegen wird es als selbstverständlich angesehen, daß der Besiegte mit Weib und Kind, Hab und Gut Eigenthum des Siegers war und die Person nach Belieben gegen Löjegeld losgegeben oder als Sklave verkauft wurde. Krieger, die im Kampf gefangen wurden, durften nach dem Kampf getödtet werden.

Unter der heißen Sonne des Südens fließt das Blut rascher als im fühlen Norden. Die Leidenschaften sind heftiger, und unter ihnen ist das Liebesbedürfniß nicht die geringste. Ein schönes Weib zu rauben, galt dem Araber als der höchste Preis des Kampfes, für ein solches setzte er freudig sein Leben ein. Doch war an­ständige Behandlung Ehrensache, und die Frau nahm bei den Arabern zu jener Zeit eine ungleich höhere und gerechtere Stellung ein, als dies heute im Orient in der Regel der Fall ist. Die Stellung der Frau sank erst später, als das Haremsleben sich immer mehr entwickelte, und zwar begünstigt durch die fortgesetzten Eroberungszüge, welche stets von neuem Weiber in die Gewalt der Eroberer lieferten und infolge der durch den zunehmenden Reichthum erzeugten Sittenverderbniß, die besonders gefördert wurde durch die Verbreitung widernatürlicher, von unterjochten Völkern, hauptsächlich den Persern, übernommener Laster.

Mohamed wußte seine Religon vortrefflich den sozialen Zu­ständen seines Landes anzupassen. Die Verpflichtung, die er allen Gläubigen auferlegte, für die Ausbreitung des Glaubens zu kämpfen, hatte ihre sehr angenehmen Seiten. Die großen Vor­theile, die er ihnen als Preis des Sieges für dieses Leben in Aussicht stellte, indem er die Vertheilung der Beute derart an­ordnete, daß nach Abzug eines Fünftels für die Armen und eines Fünftels für die Familie des Propheten, der Rest unter die Sieger gleichmäßig vertheilt wurde, die Herrlichkeiten, die nach