des Fahrzeugs war echt griechisch, nicht sonderlich rein, aber be­haglich. Beim Betreten der einzigen Kajüte machte ich die un angenehme Entdeckung, daß ich sie mit einer türkischen Familie, bestehend aus einem Vater, drei Müttern und sechs Kindern, theilen mußte. Die Kinder, glücklicherweise der Heulperiode ent­wachsen, spielten um den Vater, der auf dem einzig vorhandenen Möbel, einer Schilfmatte saß, sein Nargileh( Wasserpfeife) rauchend, und mich, wie es schien, sehr unangenehm überrascht, mit scheelen Blicken anjah. Jedenfalls hatte ihm der schlaue Janatis meine Mitreise nicht mitgetheilt, sonst hätte sich sicher der eifersüchtige Türke den ungläubigen Störer des Hausfriedens verbeten. Kaum murmelte ich mein Salem( Gruß), als in einer Teppichspalte drei bis an die Nase verhüllte Frauenköpfe auftauchten, um den Franken neugierig zu mustern. Soviel mich der Yaschmak( Kopftuch) be­urtheilen ließ, gehörten sie nicht zu den schönsten Exemplaren der Evastöchter. Auf einen Wink des gestrengen Gemahls ver­schwanden sie hinter der provisorischen Schuhwand des Haremliks ( Frauengemach). Der arme Muselmann, der wie auf einem Ameisenhaufen zu sitzen schien, dauerte mich, und ich beschloß, ihn von meiner störenden Gegenwart zu befreien. Ich stieg hinab in die stygische Nacht zu den Matrosenhängematten, um ein Ruhe­plätzchen für mein müdes Haupt zu suchen, aber der Mensch begehre nimmer zu schauen", eine Nacht in dieser Umgebung könnte selbst der selige Prophet Mohamed von mir nicht ver­langen.

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Als ich in die Kajüte zurückkehrte, sah ich den Türken in seinem Horvani( Ehrenmantel) mit dem schleppenden, allen Orien talen eigenthümlichen Gang auf und ab gehen. Wahrscheinlich wollte er mir als Beamter imponiren, aber bange machen gilt nicht". Ich machte kurzen Prozeß, holte mir Hammer und Nägel und konstruirte in einem Winkel der Kajüte vermittelst eines alten Segels und meines Plaids ein die Augen der Türkinnen nicht verlegendes Junggesellenboudoir. Ein dankbarer Blick des Türken und das dreistimmige Richern seiner Frauen belohnte mein züchtiges Beginnen. Ob ich von Huris( den Jung­frauen in Mohameds Paradies) geträumt habe, kann ich mich nicht mehr erinnern; nur sowohl weiß ich noch, daß ich bei den Inseln der Seligen"( Prinzeninseln) erwachte. Den Abschied von Konstantinopel   hatte ich also glücklich verschlafen, aber trotz dem nichts verloren, denn rings war dichter Nebel, wie er im Oktober in Londons   Straßen auch nicht dichter ist. Ueber einigen Erdhaufen, die einst das heilige Jlion gewesen sind, ging die Sonne kaum sichtbar auf. Von der byzantinischen Küste und ihrem Vis- à- vis, der Linie Silivri- Rodosto- Gallipoli, der heutigen Promenadenstation der englischen Flotte, sah ich soviel wie gar­nichts. Unter einem verfallenen Dardanellenkastell, ich glaube Lampsaki hieß das Eulennest, machte mich der Kapitän auf die Stelle aufmerksam, wo der verliebte Leander vor einigen tausend Jahren beim Durchschwimmen der Meerenge ertrunken sein soll, welches Wagstück, ohne zu ertrinken, Lord Byron  , der britische Dichter, kopirte, was um so erstaunlicher ist, als, wie bekannt, der poetische Sonderling ein lahmes Bein hatte.

Im Morgengrauen des andern Tages weckte mich ein Zank quartett, virtuos vorgetragen von einer männlichen und drei weib­lichen Zungen. O, du armer dreifach beweibter Moslem! Die türkischen Frauen stehen immer auf dem Kriegsfuß zu einander, aber ihrem Mann gegenüber stehen sie wie ein Mann".

Besorgt um mein Trommelfell sprang ich auf und eilte an's Decf. Unter steifem Ostwind zog unser Schiff zwischen den Fels­klüften der Juseln Imbros   und Lemnos.

Wie wenig braucht es in der Luft, um Stimmung und Land­schaft zu verändern. Der allwissende Helios entsteigt der strah­lenden See. Ich grüße:

Ruhige Bläue, dich auch, die unermeßlich sich ausgießt Um das braune Gebirg', um den grünenden Wald, Und den durstigen Blick labt das energische Licht, Kräftig auf blühenden Auen erglänzen die wechselnden Farben.

Im Hochgenuß des Schauens vergaß ich die keifenden Weiber, die meinen Schlummer gestört; vergaß die blutdürftigen Springer, mit denen ich mein Lager getheilt; vergaß die bleierne Schwere der vom harten Lager ermatteten Glieder. In der kräftigen Brise tränkte sich allmählich Körper und Geist mit neuem Lebens­äther bis in's Innerste.

Zieht man so an den prachtvoll wechselnden Küsten des ägäischen Meeres hin, wird einem ganz von selbst die homerische Götterwelt lebendig und wäre sie noch nicht ausgedichtet, halb

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unbewußt würde man daran mitſchaffen. Nach fast zweitausend Jahren guckt in Griechenland   durch die Hülle des heuchlerischen Christenthums mit seinen schwarz verzerrten Heiligen das sinnen­freudige Göttergesindel durch. Auch die Panagia Kimisis( Mariä Himmelfahrt  ) an unserem Schiffsschnabel hatte eine verzweifelte Aehnlichkeit mit der schaumgeborenen Liebesgöttin.

Mit einem Ruck wurde ich durch das Erscheinen des Türken in die frömmelnde Gegenwart versetzt. Nachdem er Hände und Füße gewaschen( den Kopf brauchte er nicht zu waschen, das hatten seine drei Weiber besorgt), richtete er sich gegen Mekka  , schloß seine Ohren mit den Händen und murmelte eine Sure ( Vers) aus dem Koran  , wahrscheinlich ohne sie zu verstehen, denn das koranische Arabisch, wesentlich von dem Neu- Arabisch ver­schieden, hat mit der türkischen   Umgangssprache, die wie das Finnisch und Magyarisch turanischen Ursprungs ist, gar keine Aehnlichkeit. Dann kniete er nieder und berührte einige mal mit der Stirn die Erde, resp. die Bretter unseres ziemlich schmutzigen Verdecks, streckte die Arme aus, als wollte er etwas Unsichtbares abwehren, fuhr mit der flachen Linken über das Gesicht und machte nach rechts und links eine Verbeugung, um sich bei den beiden Engeln zu bedanken, welche laut Koran   unsichtbar mit ihm gebetet hatten.

Am Abend ankerten wir vor Athos, dem nordöstlichsten der drei Arme der Halbinsel Chalkis  .

Der Türke begab sich mit seiner Familie an Land, um mit der Araba  , einem sehr primitiven vierrädrigen Vehikel, das ihn schon am Strande erwartete, seine Reise nach Bazar Djedid fortzusetzen, wo er Mudhir( Bürgermeister) war. Obzwar sich unsere Unterhaltung über das Maschallah"( Gott   behüte dich) nicht erstreckt hat, nahm er doch herzlichen Abschied von mir und nöthigte mir einen prächtigen Czibut( Tabakspfeife) als An­denken auf.

Großartig war der Morgen auf dem langgestreckten Berg­sattel. Aus waldverhangenen Schluchten leuchteten helle Gebäude, und lustige Bäche plätscherten durch die Cypressen und Tere­binthengruppen oder durch die stillen Waldwiesen, von bunten Rindern belebt, dem Seestrande zu. Die Zeiten des Miltiades und Themistokles, des Darius und Xerxes   dämmerten vor mir auf. Hier um das chalcidische Dreizack mit seinen großen Land­zungen Pallene, Sithonia und Akte, zwischen dem Kap Pailuri, Trepano und Monte Santo( unserem Ankerplatz), dem lachenden Lemnos gegenüber, scheiterte die persische Flotte. Ein Zufall rettete Griechenlands   Freiheit und seine Kultur, welche bis auf den heutigen Tag die Basis unserer geistigen Macht bildet. Wir gebrauchen täglich, und nicht blos die Gelehrten, die reichen Gaben, die uns als ein kaum auszubeutendes Erbe die griechische Kultur hinterlassen hat. Der Denker, der Dichter, der bildende Künstler zumal findet hier nacheiferungswürdige Muster, und gefällig aushelfend bietet die griechische Sprache ihren Wortschatz den praktischen Bedürfnissen des Lebens.

Während die Kaffeesäcke aus- und die Delfässer eingeladen wurden, theilte mir der nur mit dem Chiton( Hemd) und der Fustanella( Mittelding zwischen Hose und Weiberrock) bekleidete Janakis interessante Daten über den Priesterstaat Athos mit. Wie er so dastand, der rüstige Greis, auf's Steuer gestüßt, war er ein unbezahlbares Modell eines Argonauten. Die Wohlgestalt des Leibes und das gefällig Glatte und Schlanke der Bewegung stempelten ihn unwiderleglich zum Nachkommen des Theseus  . Und er begann mit dem Tonfall eines Rhapsoden:" Auf dieſem zwanzig Stunden langen und durchschnittlich fünf und eine halbe Stunde breiten Stück Erde   befinden sich 21 Klöster mit 8000 Mönchen und 500 Anachoreten( Einsiedler). Wie einst die Einwohner von Adrianopel   und Saloniki haben auch sie sich schon vor dem Falle Konstantinopels   den Türken unterworfen und die Pforte war großmüthig genug, ihnen das zugute zu rechnen und für jährlich nur 24000 Gulden Tribut die Verfassung ihres hierarchischen Staates zu belassen."

Das hätte ich den siegreichen Barbaren garnicht zugetraut," warf ich ein.

" Der Türke ist ritterlich," erwiederte Janakis, sich eine frische Cigarette drehend und mir die Tabaksbüchse mit dem gold­braunen Latakia  ( persischen Tabak) reichend." Er läßt jedermann seine Wege zum Himmel aufsuchen und macht niemals Proselyten, hält auch von den Renegaten nicht viel. Im Frieden kümmert er sich nicht im mindesten um die christlichen Klöster, obwohl er weiß, daß sie die geheimen Herde der Agitation sind. Bricht der Krieg los, so schlägt er die Mönche wie Ratten todt. Mit