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gespenstern, allgemach menschliches Fleisch und Bein und verriethen| geniale Leonardo da Vinci   und der als Maler, Bildhauer und mehr und mehr liebevolle Hinneigung zur Natur und sorgfältiges Studium der menschlichen Körperverhältnisse.

Der erste bedeutende italienische Maler, welcher energisch mit der Unwahrheit der altchristlichen Malweise brach und innere Wahrheit mit äußerer Freiheit in seiner Darstellung zu vereinigen suchte, war der am Ende des dreizehnten und zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts lebende Giotto di Bondone  ..

Ihre volle Selbständigkeit erlangte jedoch die italienische Malerei erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts durch Fra Angelico   da Fiesole, der die christliche Tradition mit dem Feuer inniger Be­geisterung erfaßte und durchleuchtete und die altherge brachte Steifheit und Unschönheit des Stils zu an= sprechendster For­menschönheit zu idealisiren ver­stand. Mehr noch als Fiesole   strebte sein Zeitgenosse Masonico di San Giovanni­danach, seinen frommen Bildern durch strenge Naturwahrheit reales Leben ein­zuhauchen.

Anfangs dee 16. Jahrhunderts begnügte sich die italienische Malerei auch damit nicht

mehr; nicht nur in der Art der Dar­stellung, sondern auch in ihren Stof­fen begann sie sich dem wirklichen Leben zuzuwenden und namentlich das Porträt zu fulti­viren. Aber selbst während dieser Zeit war an ein Los­sagen der Kunst von der Religion. nicht im entfern­testen zu denken; nur von den Aeu­Berlichkeiten der Symbolik und der biblischen und Heiligengeschichte wandte sich der künstlerische Ge­staltungstrieb ab, fonzentrirte sich je­doch in den Haupt­werken aller seiner

Architekt nicht minder gewaltige Michel Angelo Buonarotti  . Auch der berühmtefte aller Maler war ein Kind des 16. Jahr hunderts, Raphael Sanzio  , welcher insofern gewissermaßen den Mittelpunkt jener Blütheperiode bildete, als er die Vorzüge all' der verschiedenen Schulen seiner Epoche in seinen Gemälden ver­einte, und an Korrektheit und Großartigkeit der Zeichnung, an Farbenschönheit, Gefühlstiefe und Bartheit, Erhabenheit und Einfachheit der Darstellung, sowie idealer Begeisterung für die Gegenstände seines künstlerischen Schaffens es den besten unter seinen großen Zeitgenossen der florentinischen Schule gleichthat.

Peter Paul Rubens.  

bedeutenden Repräsentanten desto intensiver auf den ideellen In­halt der christlichen Religion, den er auf das erhabendste und rührendste verherrlichte und verklärte. Hand in Hand mit der Vergeistigung des Inhalts gingen erstaunliche Fortschritte in der Technik, deren damalige meisterhafte Vollendung für die ganze Folgezeit Muster und Vorbild blieb.

Es ist erklärlich, daß der Aufschwung der Künste in den ita­lienischen Freistädten die Aufmerksamkeit der Päpste und Fürsten  erregte, und daß deren Weltklugheit und Menschenkenntniß sie im Dienste der kirchlichen und weltlichen Macht zur Beherrschung des Volksgemüths vortrefflich zu verwenden wußte.

Die fünstlerischen Chorführer dieser Glanzperiode der Malerei waren zwei Florentiner: der wunderbar begabte, in Bezug auf Vielseitigkeit des Wissens und der Leistungsfähigkeit beispiellos

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In Deutsch  land nahm die Malerei zur selben Zeit zwar auch einen erheblichen Aufschwung, blieb aber dennoch weit hinter den Leistun­gen der Italiener zurück. Hier be­schränkte sich ihr Wirkungskreis noch auf die Kir­chenaltäre, und auch bei diesen wurde sie an räum­licher Ausbreitung durch die vielge­pflegte Holzschnit funst der Umrah­mungen vielfach gehemmt. Andrer­seits machten Holz­schnitt und Kupfer stich, in Deutschland  vervollkommnet, vielleicht sogar er­funden, der Ma­lerei sowohl den Rang als eine be= deutende Anzahl tüchtiger Kräfte streitig und ver= führten auch die Maler zu einer auf möglichste Zier­fichkeit gerichteten, fleinlichen Be­handlung ihrer Motive, die jede Großartigkeit der Auffassung

aus­

schloß. Dabei paarte sich im Cha­cafter der deutschen Malerei saft und traftlose Schwär­merei mit einem bis zu ärgster Wi­derwärtigkeit ge= triebenen Behagen an der Passion"

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des Heilands und noch viel entsetzlicheren Marterszenen, Zeugniß ablegend für die zu jener Zeit in Deutschland   herrschende, un­glaubliche Gemüthsverrohung. Nur in einem der bedeutendsten Maler jenes Jahrhunderts, dem Augsburger   Hans Holbein  dem Jüngeren, dem deutschen Raphael", erhob sich die deutsche  Kunst über das sittliche Niveau des deutschen   Volks jener Zeit; selbst dem berühmtesten deutschen Maler der Vergangenheit, Albrecht Dürer   aus Nürnberg  , gelang trotz seiner außer­gewöhnlichen Begabung für Zeichnung und des ebenso seltenen Reichthums seiner Erfindungsgabe fast nie eine wahrhaft schöne Gestalt. Das, worin Holbein   sich vor allen deutschen Malern aus­zeichnete, die Großartigkeit der Auffassung und die Schönheit der Form, verdankte er neben seiner eignen hohen Begabung dem Stu dium der Meisterwerke italienischer und niederländischer Kunst.