wie in großen Städten, wo der Kohlensäuregehalt oft bis zu 20 auf 10,000 steigt.
Noch schlimmer werden diese Verhältnisse in abgeschlossenen Räumen, auf Höfen, in Schulen, Konzertsälen, Theater, Arbeitslokalen u. s. w. Nach Pettenkofer ist eine Luft, welche sich dem Eintretenden durch den Geruch bemerkbar macht, schon ungesund, sie enthält in der Regel mehr als 20 Theile Kohlensäure, während 10 schon die höchste Beimischung sind, welche der Mensch ohne Nachtheil verträgt. Nun hat aber Pettenkofer in verschiedenen großen Schulzimmern nach zweistündigem Unterricht von 60 bis 70 Schülern 70 bis 90 und Leblanc in einem pariser Theater nach der Vorstellung sogar 400 Theile Kohlensäure gefunden!
Wir dürfen uns nicht wundern, wenn unsere Kinder in überfüllten Schulen bleich werden, wenn sich in solcher Luft Stropheln ausbilden und dort beständige Ansteckungsherde für Kinderkrankheiten vorhanden sind.
Der Mensch gewöhnt sich zwar an vieles und auch daran, einen Theil seines Lebens in Räumen zuzubringen, deren Luft das Blut zwar langsam aber sicher vergiftet; die Folgen davon stellen sich aber mit der Zeit unfehlbar ein, als eine Herabstimmung aller Funktionen der Ernährung und Abscheidung; ganz besonders leiden die Respirationsorgane darunter, und es scheint, daß die Schwindsucht befördert, wenn nicht hervorgerufen wird durch Einathmen schlechter Luft.
Eine Luft, welche mehr als 20 Theile Kohlensäure enthält, wird sich schon durch den Geruch bemerkbar machen, weniger wegen der an sich in solcher Verdünnung gerüchlosen Kohlensäure, als weil die lettere, welche vom Athmen der Menschen oder von der Verbrennung von Del und Gas herrührt, immer von andern Zersetzungs- und Ausscheidungsprodukten begleitet ist.
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Nachdem wissenschaftlich festgestellt ist, wie viele Kubikmeter Luft der Mensch täglich braucht, bis zu welchem Grade der Kohlensäuregehalt derselben ohne Nachtheil steigen darf; nachdem man einfache Methoden kennt, die Luft auf ihre Reinheit zu prüfen, sowie zweckmäßige Vorrichtungen reine Luft zu beschaffen, alte, verdorbene zu entfernen, so sollte man meinen, die Menschen würden vor allem darauf bedacht sein, stets reine Luft einzuathmen. Dem ist aber nicht so! Die Nachlässigkeit und Gleichgiltigkeit der Menschen gegen alles, was nicht unmittelbar lästig fällt, ist zu groß; einem rechten Gestank gehen sie wohl aus dem Wege, aber ein leichter Geruch wird meist geduldig und ohne viel Murren ertragen; während beim Neubau von Gebäuden wohl auf gute Lüftungsvorrichtungen Rücksicht genommen wird, wenn auch lange nicht in verdientem Maßstabe, geschieht an alten Häusern, welche garnicht oder in mangelhafter Weise mit Ventilationsvorrichtungen versehen sind, nichts oder wenig zur Verbesserung dieser Uebelstände.
Auffallend ist, wie gerade die Bauern, deren Lebensweise in freier Luft dies am unwahrscheinlichsten machen sollte, in der Regel darauf erpicht sind, in ihren Stuben recht„ dicke" Luft zu haben; im Winter wohnt alles, womöglich auch Bieh, in einer Stube beisammen, es wird darin gekocht, der Bauer raucht dabei seinen Knaster" und fühlt sich erst recht wohl, wenn man die Luft sozusagen mit dem Messer schneiden kann".
Wie immer, stellen sich auch hier Vorurtheil und Aberglauben den Resultaten der Wissenschaft gegenüber; wie ängstlich ist namentlich die sorgliche Hausmutter bemüht, die sogenannte Nacht luft von sich und den Ihrigen fernzuhalten; sie ahnt nicht, daß sie dadurch einen viel schlimmern Feind, die ausgeathmete Kohlen säure am Entweichen hindert; unruhiger Schlaf, Kopfweh, beängstigende Träume, Alpdrücken u. s. w. werden allen möglichen Ursachen zugeschrieben, nur nicht der wenigstens in den meisten Fällen einzig richtigen, der mangelhaften Ventilation; lieber setzt man sich schlechtem Aussehen und Befinden, selbst tieferen Leiden aus, als daß man sich entschließen könnte, die Nacht über ein Fenster zu öffnen, wenn nicht im Schlafzimmer selbst, so doch wenigstens in einem Nebenzimmer. Die bekannte Erscheinung, daß der Schlaf vor Mitternacht der ruhigste und erquickendste ist, läßt sich zum Theil wenigstens darauf zurückführen, daß in den ersten Stunden der Nacht die Luft noch ziemlich rein ist, während der Schlafende später, namentlich gegen Morgen, förmliches Gift einathmet.
Während Geiz, Bequemlichkeit und Vorurtheil einen Theil der Bevölkerung abhalten, die vermehrten Kenntnisse, welche wir über eine der Grundbedingungen unseres Daseins besigen, für sich in Anwendung zu bringen, obgleich er die Mittel dazu hätte, ist ein anderer und zwar der weitaus größte Theil durch die herrschenden
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sozialen Mißstände von den segensreichen Errungenschaften der Wissenschaft ausgeschlossen. Bei ganzen Bevölkerungsklassen bringt es die Nothwendigkeit mit sich, daß viele Personen in engen Räumlichkeiten zusammen wohnen müssen, und daß im Winter das Feuerungsmaterial gespart, also Lüftung geradezu vermieden werden muß. Bei diesen Unglücklichen, also den Arbeitern und Proletariern, wird die Einwirkung schlechter Luft nicht zum großen Theil wieder aufgehoben durch Feldarbeiten in reiner Luft, wie bei den Bauern, sondern sie kommen aus ihren dumpfen Stuben und Arbeitslokalen fast nie heraus, und welch' niederdrückenden Einfluß dies auf den Körper hat, das zeigen die bleichen Wangen und eingefallenen Züge der meisten dieser Leute.
Die Wohnungshöhlen der Städte werden aber nicht nur zum frühzeitigen Grabe ihrer Bewohner, sondern sie sind auch permanente Ansteckungsherde aller Arten von Krankheiten, von welchen auch die Bewohner der oft in nächster Nähe sich befindenden Wohnungspaläste häufig genug heimgesucht werden. Für die herrschenden Klassen eristiren solche Mißstände nicht; die göttliche Weltordnung" will es einmal so, und dagegen läßt sich nichts machen; im schlimmsten Falle, d. h. wenn die Proletarier den Versuch wagen sollten, ihre Existenzbedingungen zu verbessern und diese göttliche Weltordnung" zu ihren Gunsten, also statt wie bisher im Interesse von circa 3 pCt. der Gesellschaft in dem der übrigen 97 pCt. derselben umzuändern, so hat man ja Bajonette und Kanonen dagegen!
Das andere Nahrungsmittel und zugleich die zweite Grundbedingung unseres Lebens ist das Wasser, woraus unser Körper zu circa 70 pCt. besteht, und welches beständig in den verschiedensten Formen ausgeschieden wird, demnach regelmäßig- als Trinkwasser oder als künstliches Getränke- wieder aufgenommen werden muß. Es ist daher selbstverständlich, daß die Beschaffenheit des Genußwassers auf das Wohlbefinden des Menschen von größtem Einfluß sein muß.
In der Erkenntniß dieses wichtigen Umstandes waren die alten Römer uns weit voran; noch heute bewundern wir die Aquadukte( Wasserleitungen), welche bestimmt waren, der Siebenhügelstadt gutes und reichliches Trinkwasser zuzuführen. Auch in Deutschland finden sich Ruinen solcher Leitungen, z. B. zwischen Köln und Trier , bei Mainz und Aachen und an anderen Orten. Schon vor den Römern legten die Perser und Griechen städtische Wasserleitungen an, auch Karthago hatte eine solche, ebenso haben die Chinesen, Egypter, Babylonier, überhaupt alle Kulturvölker des Alterthums, zahllose Wasserleitungen ausgeführt, obgleich oder wahrscheinlich weil ihnen die Pumpbrunnen sehr wohl bekannt waren.
Wie Kunst und Wissenschaft kamen auch diese segensreichen Einrichtungen wieder in Verfall; die Menschen drängten sich in Städte mit engen und schmußigen Gassen zusammen, durch Mauern und Wälle mußten sie sich gegen Angriffe von außen schützen, wobei es nicht zu vermeiden war, daß Massen von Unrath aller Art Boden und Brunnen vergifteten und die Luft mit ihren ekelhaften Ausdünstungen erfüllten, woher es denn auch kam, daß sie sich viel mörderischere Feinde im eigenen Innern schufen, welche in Gestalt von vorhandenen Epidemieen Hunderttausende hinwegrafften.
Die Folgen der unnatürlichen Lebensweise von damals blieben, wie gesagt, nicht aus; aber statt den wirklichen Ursachen der Krankheiten nachzuforschen, sah das in blindem Dogmenglauben befangene Volk in den Seuchen nur Strafen des Himmels. Statt Schulen und Universitäten wurden fromme Stiftungen unterstützt, statt Wasserleitungen und Kanäle Kirchen und Klöster gebaut und Wallfahrten unternommen, welche die Verbreitung von Epidemieen noch begünstigten. Der schwarze Tod" raffte in Europa allein 25 millionen Menschen hinweg. Sühnopfer, Kasteiungen, Prozeffionen und fromme Spenden vermochten nicht, den Verheerungen Einhalt zu thun. An die Stelle des Glaubens trat der Aberglaube; bald waren die Brunnen vergiftet, bald Wände, Bänke und Glockenstränge der Kirchen mit pestilenzialischer Masse gesalbt, oder die Wege mit giftigem Pulver bestreut.
Die wissenschaftlichen Beobachtungen der Neuzeit haben festgestellt, daß die Ursachen der epidemischen Krankheiten nur in Boden, Luft und Wasser gesucht werden dürfen, und es werden demgemäß überall die rühmlichsten Anstrengungen gemacht, lange Versäumtes nachzuholen und Wasserleitungen herzustellen, Abfuhroder Kanalisationssysteme einzuführen u. dgl. Leider sind die diesbezüglichen Arbeiten und Einrichtungen mit großen Kosten verknüpft; manche Gemeinde ist nicht im Stande, diese Opfer zu