lassen; man denkt bei ihrem Anblick an die kyklopischen Mauern von Mykenä und kann sich eine Vorstellung von den ungeheuren Dimensionen machen, welche die ganze Kaiserburg gehabt hat.

In den befterhaltenen Theil, das Frigidarium, d. h. das Kaltwasser­bad, gelangt man durch einen Vorhof aus dem Schloß der Aebte, und zwar gewöhnlich, nachdem man auf einer kleinen Wendeltreppe aus der Kapelle herabgestiegen ist, die in der Revolutionszeit ein Sigungssaal des Stadtviertels, dann eine Anatomie und noch später eine Druckerei

war.

Der Eindruck, den man an der offenen Eingangspforte empfängt, wenn man über die in das Frigidarium hinabführenden Stufen den ganzen weiten Raum überblickt, ist in der That ein überwältigender. Es sind kolossale Massen, die hier der zerstörenden Zeit getroßt haben, und noch jetzt, oder gerade jeßt in ihrer stolzen Größe als Ruinen voll altehrwürdiger Majestät, wirken sie fast erschütternd auf die von historischen Erinnerungen getragene Einbildungskraft.

Die tempelartig hochgewölbte Haupthalle ist von einem mächtigen Kreuzbogen überdacht. Da, wo die piscina war, ein schönes Becken, das recht wohl Raum zum Schwimmen bot, steht jetzt lächerlicher Kontrast! ein morsches Altarbild von Holz mit vergoldetem Schnitz­werk; sonst aber sind ringsum viel Reste aus römischer Zeit vorzüglich erhalten. Hoch oben an den vergitterten Fenstern und an den wetter­benagten Thürbogen rankt sich uralter Epheu mit jungem Grün empor, eine freundliche Mahnung an das ewig sprossende Leben über den Trümmern. Die Hallen sind den Winden offen, und das erhöht ihre eigenthümliche Wirkung. Kunstvolles Menschenwerk, das die Zeit der Natur wieder zurückgegeben hat, und dazu den Geist des Philosophen Julianus  , der hier geweilt das alles übt auf das Gemüth den ganzen Zauber historischer Poesie.

Von Julian selbst befinden sich zwei Statuen in Paris  . Die eine, von weißem Marmor, ist im Louvre; aber ihre Beleuchtung ist nicht günstig; die andere, in besserem Licht, steht in der größeren, mittleren von drei Wandnischen des Frigidariums, der Piscina gegenüber. Auf dem Haupte trägt Julianus   hier ein Diadem, und sein Leib ist in ein weites, faltenreiches Gewand gehüllt. Die Linke hält, ganz charakte­ristisch für den Mann der Wissenschaft, eine Schriftrolle. Das unter der Kopfbedeckung hervorquellende haar fällt tief in die Stirn und ist nicht vortheilhaft für den Eindruck seiner Züge; aber die große, ernste, würdige Ruhe des Angesichts läßt troßdem etwas Geistiges, Edles, läßt den Denker erkennen. Die Nase, an sich nicht übergroß, erscheint zu groß, weil die Stirn bedeckt ist. Am wirkungsvollsten ist das Profil.

Das ist Julianus  , dem Paris   ein Lieblingsaufenthalt gewesen. ,, Mein geliebtes Lutetia" hat er die Stadt im ,, Misopogon  " genannt, wo er das Land und sein Leben in demselben mit einer liebenswürdigen Einfachheit schildert, die ihn uns wie einen in der Stille seinem Studium gewidmeten Gelehrten erscheinen läßt. Und in diesem Paris   war es auch, wo im Jahre 361 durch die Legionen seine Erhebung zum Augustus stattfand und mithin seine Macht begann, die den Kampf gegen das kulturfeindliche Christenthum eröffnen sollte. Wir wissen, daß ihm der Tod früh die großen Pläne aus der Hand nahm, daß eine barbarische Zeit erschien, die seinen edlen Namen schmähte, daß mit der langen Nacht des Mittelalters Finsterniß sich über die Welt breitete, die Menschen ihre Liebe zur Freiheit vergaßen und im Dienste der Knechts­religion zu Sklaven wurden. Aber wir wissen auch, daß das Licht ewig, daß es der Quell alles Lebens ist, und daß die Spuren der Menschheitsgeschichte trotz allen Unterbrechungen seinen fortschreitenden Sieg verkünden. Eduard Berg.

Ludwig Börne.  ( Porträt Seite 532.) So wie der Erdmittel­punkt eine bloße Fiktion ist und doch nach Newtons Gesetz die ganze Schwerkraft als von ihm ausgehend angenommen wird, so liegt der Schwerpunkt des einzelnen Menschen wie des gesammten Volkes nur in der Erlangung politischer Freiheit, weil ohne die Freiheit der Patrio­tismus und die Nationalität nur leere Phrasen sind. Seitdem die Faust- Natur im Menschen durch Beobachtung der Vorgänge in der Natur der Menschheit Wissen und Erkennen mehrt, kann den Unfreien auch die Religion nicht mehr trösten, weil er das Incasso des vom Pfaffen girirten Wechsels auf die Entlohnung für irdische Entbehrungen im Jenseits bezweifelt. Der kosmopolitischen Idee, daß die Freiheit über dem Patriotismus stehe, hat bei den dickhäutigen Deutschen   erst im vorigen Jahrhundert Gotthold Ephraim Lessing   zum Durchbruch verholfen. Dem Schleppträger des Preußenkönigs Friedrich II., seinem Freunde und Verfasser der Grenadierlieder, Gleim, schreibt Lessing   über das Thema folgendermaßen: Vielleicht ist der Patriot auch bei mir nicht ganz erstickt, obgleich das Lob eines eifrigen Patrioten nach meiner Denkungsart das allerlegte ist, wonach ich geizen würde, des Patrioten nämlich, der mich vergessen lehrte, daß ich ein Weltbürger sein sollte. Ich habe überhaupt von der Liebe des Vaterlandes( es thut mir leid, daß ich Ihnen vielleicht meine Schande gestehen muß) keinen Begriff, und sie scheint mir auf's höchste eine heroische Schwachheit, die ich recht gern entbehre." Und wie Lessing   auf der Warte der Kultur, der Ab­wehr von pfäffischer Verdummung und der Heranbildung eines denkenden Geschlechtes stand auch Ludwig Börne  . Die Aufgabe seines Lebens bestand darin, das deutsche Volk zu ermuthigen, sich von jeder Fessel freizumachen, die sein innerliches Leben hemmte. Auch er schrieb in ächt kosmopolitischer Weise: Es gibt Tugenden, die unvereinbar, es

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gibt gewisse gute Eigenschaften, die nothwendig mit gewissen Fehlern verbunden sind. Das aber ist die wahre, nüßliche Aufklärung, die man den Völkern geben kann, ihnen zu zeigen, wie sie in außerordent­lichen Fällen, wo sie zum Handeln oder zum Widerstehen gute oder schlimme Eigenschaften, die ihnen selbst fehlen, nöthig hätten, dieselben bei fremden Völkern suchen und zum besten gebrauchen sollten." Lion Baruch, der später umgetaufte Ludwig Börne  , ist am 13. Mai 1786 zu Frankfurt am Main   geboren. Er studirte in Gießen   und Berlin  Medizin und in Heidelberg   Staatswissenschaft. Unter dem Einfluß der französischen   Gesezgebung, welche Gleichheit aller Kulte auf ihre Fahnen schrieb, wurde der Jude Baruch Stadtbeamter. Aber die nach den Freiheitskriegen" hereinbrechende Reaktion hatte nichts Eiligeres zu thun, wie ihn des Amtes zu entsetzen. Er ließ sich 1825 taufen, um die Staatskarriere zu ermöglichen, folgte aber bald seiner Neigung und wurde Literat. Die zwei von ihm gegründeten Zeitschriften ,, Zeit­schwingen" und ,, Wage" verschlang der tausendarmige Polyp, deutsche Reichsmaschine genannt, und drückte dem Literaten den Wanderstab in die Hand. Immer unterwegs zwischen Paris  , Hamburg   und Frank­ furt  , schrieb er die zahllosen Skizzen, Erzählungen, Briefe und Kritiken, deren Wig und Feinheit nur von Heine erreicht worden ist. Die hoch­gespannten Hoffnungen, die er an die pariser Juli- Revolution knüpfte, bestimmten ihn, seinen ständigen Wohnort in Paris   aufzuschlagen und im Verein mit gleichgesinnten Deutschen   und Franzosen   die Zeitung Balance" zu gründen, in welcher er dem Patriotismus, dieser ,, lügne­rischen Tugend", zu Leibe ging. Als ächter Journalist hat der strenge Republikaner   Börne nur zwei Bücher ,, Briefe aus Paris" und die Schrift über Menzel den Franzosenfresser herausgegeben. Seine zu­nehmenden körperlichen Leiden, der unerquickliche Zwist mit Heinrich Heine  , den er mit Nadelstichen verfolgte, und der literarische Streit mit dem Fürsten Bückler- Muskau, den er mit einem Keulenschlag nieder­streckte, steigerten seine Erbitterung zur Verbissenheit und beschleunigten sein Ende. Er starb in Paris   am 13. Februar 1837 und wurde unter allgemeiner Theilnahme am Père- Lachaise   beerdigt. Der Nestor der Republikaner  , Raspail, dem das Schicksal vergönnt war, Louis Philipp und Louis Napoleon   zu überleben, feierte in einer Grabrede Börnes Verdienste um die Menschheit, und der Bildhauer David modellirte eine Grabesbüste mit der täuschenden Wiedergabe der scharfmartirten Gesichts­züge des unerschütterlichen Freiheitskämpfers. Auch seine Vaterstadt Frankfurt   sette ihm nach 41 Jahren ein Monument, welches ein ent­arteter Epigone einige Tage nach dessen Aufstellung verunglimpfte.

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Dr. M. T.

Sitten und Gebräuche der Chinesen in San Francisco  .. ( Bild Seite 533.) Wie die Lebensgewohnheiten der Völker, so ist auch Während der Eskimo mit Steinen ihre Bestattungsweise verschieden. bedeckt, der Indianer auf einem Holzgerüst, der Peruaner im Höhlen­spalt und der Patagonier in Thierfelle eingenäht verwest, bleichen die Knochen des Kabylen im Wüstensande. Christen, Juden und Moslems verscharren ihre Leichen, die Neger Innerafrikas verspeisen sie. Die in Bombay ansässigen Anhänger der Zarathustra- Lehre von Ahriman   und Ormuzd  ( Licht und Finsterniß) sezen ihre Todten auf hohen Thürmen In der Stadt Benares  ( Indien  ), deren Luft zum Geierfraße aus. sozusagen mit Frömmigkeit geschwängert ist, denn sie hat 1000 Hindu­tempel und 333 Moscheen, kann man eine ganze Musterkarte von Die Bekenner der Waischnawa, Bestattungsmethoden kennen lernen. welche Gott Wischnu in seinen verschiedenen Inkarnationen( Fleisch­werdung) anbeten, huldigen der Feuerbestattung; die Sektirer der Saiwa werfen ihre Todten in den heiligen Fluß Ganges  , und die Dschainaiten ( Seßzer), welche sich um die Trimurti Brahma- Schiwa- Wischnu( Drei­faltigkeit der Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung) nicht kümmern, sezen die luftdichtverschlossenen Särge in ihren Tempeln bei. In allen Seel­Ländern ist aber die Hauptsache das Geschäft", welches die sorger" beim Auftritt und Abgang und den verschiedenen andern Akt­schlüssen des Lebensdramas des Menschen machen. Die bezopften Bonzen Buddhas, welche seit unvordenklichen Zeiten die Gesetzgebung Chinas  nur zu ihren Gunsten modelten, haben, um die Zahl der schurfähigen Schäflein nicht zu vermindern, das Dogma aufgestellt, daß nur der­jenige selig werden könne, der zur letzten Ruhestätte im Reich der Mitte" gebettet ist. Der Auswanderung war dadurch zwar ein Riegel vorgeschoben, aber ganz verhindern konnten sie die schlauen Pfaffen doch nicht, weil zuweilen der Hunger, namentlich aber der Durst, den das Gold erzeugt, stärker ist wie der Glaube. Seit der wunderbaren Goldentdeckung in Kalifornien   segeln Tausende der Abkömmlinge des Himmlischen Reiches über den Stillen Ozean nach dem neuen Eldorado am Sakramento  , ohne sich jedoch weder mit der weißen, noch mit der farbigen Rasse Amerikas   zu vermischen, weil sie, wie einst die Griechen und Römer, alle anderen Völker als Barbaren betrachten. Deshalb sieht wohl auch der Chinese, der stets ohne Familie auswandert, Amerika  nur als zeitweiligen Aufenthaltsort an, und wenn er daselbst stirbt, so werden mindestens seine Gebeine nach China   zurückgebracht, um dort in reiner Erde zu ruhen. Unser Bild stellt die Verpackung der Gebeine zu diesem Zwecke dar. Eine Schiffsladung voll, also 300-400 Leichen, werden immer auf einmal auf dem chinesischen Begräbnißplay San Franciscos ausgegraben und in siedendes Wasser gebracht, damit sich das halbverweste Fleisch leichter von den Knochen abtrennen lasse. Das Fleisch sowie die Eingeweide hält der Chinese für unrein, deshalb bleiben.