Ihrer Rechtsverachtung spüren werden Ja, der Tag wird kommen, der schnödem Uebermuthe und seiner Niedertretung alles Mensch lichen ein Ende sehen wird. Dann denken Sie an mich, Herr Krummbügel, unsere Wege gehen vorerst auseinander."

Mit raschen Schritten entfernte sich der junge Arbeiter und ließ den Fabrikanten in einem Anfall von Wuth zurück, der ihn nöthigte, sich in einem Wiegestuhl erst die nöthige Fassung wieder herbeizuwiegen.

V. Ein Höfling am Fabrikantenhof.

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Eine Stunde und noch etwas mehr Zeit kostete es, bis der Herr des weitgedehnten Etablissements sich soweit von seinem Aerger über die Frechheit" und den Uebermuth" des heutigen Arbeiterstandes erholt, um sein Nachmittagsmahl einnehmen zu können. Die Eßglocke tönte diesmal ganz vergeblich, denn keines der Familienglieder fühlte das Bedürfniß, an dem Mahle theil­zunehmen. Das verstimmte Herrn Krummbügel insoweit, daß er in den Speisen nur herumstocherte und während dessen seinem Unmuth in abgerissenen Bemerkungen Luft machte. Die Aussicht auf einen sehr langweiligen Abend verdüsterte die Stimmung noch mehr, und es war ihm wie eine Art Erlösung, als der Diener die Ankunft eines Besuchs durch Ueberreichung einer Visitenkarte meldete.

Es war eine Visitenkarte ganz absonderlicher Art, sie hatte die Form des preußischen Eisernen Kreuzes und war an den Rändern mit Silberpapier eingefaßt. In der Mitte war der Kopf des Besuchers photographirt, und auf den vier gezackten Gliedern, die sich um den Mittelpunkt gruppirten, las man: " Bildender Künstler  , Maler, Photograph, goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, silberne Medaille, Diplome von zehn Ausstellungen, Patent, Preise von London  , Paris  , Wien   und Philadelphia  , Spezialität von Porträts, 345 Empfehlungsbriefe von den hervorragendsten Personen der Gegenwart." Und wieder in der Mitte mit Perlschrift der Name: Eugen Kunst.

Lassen Sie den Herrn sofort eintreten," befahl der Fabrikant mit einem Ausdruck höchlichster Befriedigung.

Der Diener ging, und bald erschien eine hühnenhafte Gestalt in einem sammetnen Schnurenrock, in dessen einem Knopfloch ein rothseidenes Band eingeknüpft war. Ein weißes Blusenhemd quoll aus dem halbgeknöpften Rock hervor, überschattet von einem langen, röthlichen Bart. Die mächtige Gestalt trat so selbst­bewußt und imponirend auf, daß der Fabrikant sich bewogen fand, seine Serviette beiseite zu legen und sich zur Begrüßung des Besuchers zu erheben.

" Lassen Sie Sich durchaus nicht stören," rief im tiefsten Grundbaß der Besucher mit einer Geberde, die das Wiedernieder­setzen des Hausherrn wie eine Gnade zu bewilligen schien und denselben auch förmlich dazu nöthigte.

" Bitte, nehmen Sie Play," stotterte Herr Krummbügel, sicht lich bewältigt von dem sicheren Auftreten und dem Imponirenden in dem Wesen des Fremden. Kann ich Sie einladen zu einem Ileinen bescheidenen Imbiß?"

" Ich stehe Ihnen ganz zu Diensten, auch in dieser Beziehung, mein verehrter Herr Kommerzienrath; wir Künstler machen nicht viel Umstände. Es ist zwar meine Zeit. noch nicht, aber nichts destoweniger will ich Ihnen gerecht werden. Ich weiß, es ist sich besser in Gesellschaft."

Damit nahm der Fremde an einem der von den Familien mitgliedern verschmähten Size Platz und langte sich einen Löffel Salat auf den Teller. Herr Krummbügel fühlte sich gedrungen, seinem Gaste die Brotschüssel darzureichen, aber der Künstler wehrte sie mit einer Handbewegung ab und ergriff einen Teller, auf welchem geräucherte Pökelzunge lag, von der er sich ein gut Theil Schnitte auf seinen Teller herunterschob.

" Bemühen Sie Sich nicht," bemerkte er dabei leichthin, ich bediene mich schon selbst."

"

Wünschen Sie Rheinwein oder Burgunder?" fragte der Fabri­fant gefügig.

,, Geben Sie mir Burgunder, der verwandelt sich leicht in Blut. Und reiches Blut ist die Hauptsache, das macht den Körper und den Geist auch reich. Also, Sie sind Herr Krummbügel? Ich freue mich ganz ungemein, einen so weit berühmten Indu striellen unseres Landes von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen, einen König der Industrie, speziell einen Kanonenkönig, wie man Sie gemeinhin zu nennen pflegt."

,, Sie sind sehr gütig, mein Herr, und ich bin fast beschämt..."

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Nur keine falsche Bescheidenheit, die Welt weiß, wer Sie sind, und ich wäre gewiß nicht in diese Wüste der Kunst gekommen, wenn ich nicht durch den weltberühmten Namen, den Sie Sich zu erwerben gewußt, hierher gelockt worden wäre. Erst neulich, als ich im Bade Wildungen meine Galerie hervorragender Industrie­könige ausbreitete, rief einer der Herren Diplomaten: Haben Sie noch nicht das Porträt des Herrn Krummbügel, der dürfte doch vor allen Dingen nicht fehlen. Ich entschuldigte mich, daß ich infolge der vielen Bestellungen noch nicht dahin gekommen, daß ich aber den ersten günstigen Tag, den mir meine Geschäfte lassen, dazu benutzen würde, in Ihren Ort zu kommen. Und so kam ich trotz allen Schwierigkeiten hierher.... Haben Sie keinen Champagner?"

" Gleich sollen Sie ihn haben. He, Joseph! Champagner- den rothgesiegelten! Sie sollen sehen, Herr....

Eugen Kunst ist mein Name," bemerkte der Gast mit Würde, und langte sich eine Bratenschüssel mit Kalbfleisch herbei. Mein Name deutete meinen fünftigen Beruf mir schon von Geburt an, und der Kunst habe ich gelebt bis heute. Diese Pfeffergurken sind wirklich ausgezeichnet. Späterhin habe ich mich allerdings mehr der Photographie zugeneigt, mehr aus Liebhaberei als aus Geschäftsrücksichten, ich nehme gern alles, was mir gefällt, mit mir im Bilde nämlich, und die Photographie ist viel bequemer, obwohl ich sagen kann, ich zeichne ein Gesicht in drei Minuten." Ist das die Möglichkeit!"

,, Ah, da kommt der Champagner; ich kann sagen, der ist mein Lieblingsgetränk, für ihn lasse ich jedes andere Getränk stehen. Ah, wie das perlt! Hm! Das ist prima Sorte, ich trank sie das letzte mal beim Grafen Esterhazy."

Beim Grafen Esterhazy?" rief der Fabrikant, die Augen weit aufreißend.

Ja, er liebte mich sehr, er liebte die Kunst und die Künstler über alles. Ihn fing ich gewandt, indem ich sein Porträt in drei Minuten zeichnete, während er mir den Rücken zudrehte. Das war die Wette, ich gewann sie mit 300 Kaiserdukaten. Ich will Ihnen auch sagen, wie ich das anfing. Ich stellte den Toiletten­spiegel gegen den großen an der Wand. Er mußte sich vor ersteren setzen, und neben das auf dem andern erscheinende Spiegelbild legte ich das Papier und brauchte blos abzuzeichnen. Hei! War das nicht schlau ausgedacht?"

,, Sehr schlau, haha! So hätten Sie mich nicht gefangen." ,, D, Sie, das ist etwas anderes; bei eineni so intelligenten In­dustriellen hätte ich es auch nicht ristiren wollen. Diese Kornelius­kirschen haben einen sehr delikaten Geschmack. Der arme Graf war sehr leicht zu fangen, deswegen ist er auch bei seinem Riesen­vermögen unter Sequester gekommen. Namentlich haben ihn die Damen vom Ballet hineingeritten. Ich mußte sie alle photo­graphiren. O, ich habe eine pikante Galerie."

Was Sie sagen? Haben Sie dieselben mitgebracht?" fragte der Fabrikant, sichtlich interessirt.

,, Gewiß, Sie können sie bei mir sehen, wenn Sie mir einmal die Ehre Ihres Besuchs gönnen. Kabinetstücke, sage ich Ihnen. Den ganzen Harem des Vizekönigs von Aegypten   können Sie in Augenschein nehmen."

Den Harem des Vizekönigs!" schrie Herr Krummbügel, dem die Augen allgemach zu funkeln begannen.

Ja, auf diese Sammlung bin ich stolz, sie steht einzig da in der Welt. Ich habe sie mit Gefahr des Lebens zusammen­gebracht."

,,, das müssen Sie mir erzählen, ich bin auf solche Ge­schichten ganz versessen."

,, Gut, noch ein Glas von diesem rothen Nonmousseur. Ah, das ist Marke Nummer 1. Woher beziehen Sie ihn? Er macht Ihrem Geschmack alle Ehre."

Ich beziehe ihn direkt von Witwe Cliquot in Rheims  . Aber nun legen Sie los."

,, Wirklich superb. Ich wollte, ich hätte einen Korb, ich könnte ihn bei meinem neuen Werke trefflich brauchen."

,, Sie sollen morgen einen in Ihre Wohnung geschickt bekommen, heute Abend noch. Aber erzählen Sie."

,, Nun, sehen Sie, es war bei der Einweihung des Suezkanals, zu welchem außer den Souveränen auch die hervorragendsten Männer der Kunst eingeladen worden. Ich hatte damals grade die Kaiserin Eugenie porträtirt."

,, Die Kaiserin Eugenie!"

,, Und diese sagte mir bei meiner letzten Sizung: Wissen Sie, Kunst, Sie könnten auch mit nach Aegypten   gehen, da gibt es