Grau, an der Schnauze, den Läufen und dem Hintertheil des buschigen Schwanzes in Kohlschwarz   übergeht. Den ganzen Rücken, von den Schulterblättern bis zur Croupe*), deckt ein tiefschwarzbrauner, ringsum scharf abgegrenzter Sattelfleck. Ein schmales, weißes Baud zieht sich quer über die Brust, vor den Schultergelenken sich verlierend. Das Gesicht und die kurzen, muschelartig abgerundeten Ohren sind kurz be­haart, an den Vorder- und Hinterfüßen ist das straffe, glattanliegende, glänzende Haar nach außen gescheitelt, den übrigen Körper deckt ein dichter, weicher Pelz, welcher nach hinten allmählich zunimmt. Der dicke, stumpfabgerundete, buschige Schwanz mit langen, im Laufe fliegen­den Haarzotten wird schrägabwärts getragen. An jeder der breiten, An jeder der breiten, kohlschwarzen Vorder- und Hintertaben ragt eine Reihe von fünf derben, hellhornweißen Klauen frei hervor, von denen die der mächtigen Vorder­pranken stark halbmondförmig gekrümmt sind. Die Krallen, sowie die blendend weißen, kräftigen Fangzähne sind gefürchtete Waffen des muthigen Thieres, das sich, mit Ausnahme des Menschen, jedem Feinde stellt. In kurzem, raschen Hundetrab folgt der Vielfraß tagelang den Rennthierherden und lauert auf den günstigen Augenblick, bis sich eines der Kälber von der Heerde entfernt. Wie sein zierlicher Vetter, der Fuchs, vermeidet er den Kampf mit dem Menschen, weil er gegen die Schußwaffen stets den kürzeren zieht und immer die Zeche mit seinem Belz bezahlen muß. Die Zähmung des unermüdlichen Bergjägers, der bis zu den Winterverstecken des ewigen Eises pürscht, ist noch niemals gelungen. Dr. M. T.

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*) Satteleinsenkung des Rückens.

Die Kartenschlägerin.( Bild Seite 53.) Die Leichtgläubigkeit des Mädchens auf unserm Bilde wird wohl manchem unsrer Leser ein geringschäßiges Lächeln entlocken, aber Hand auf's Herz! welcher ehrlichdenkende Mensch hat sich selbst nicht schon in einer dunklen Stunde ertappt, in der die in ihm wohnende Sphing allen Grundsäßen der Vernunft und des Verstandes Hohn spricht! So ist es mit dem Ein­zelnen, so ist es, wie uns die Kulturgeschichte lehrt, mit dem ganzen Menschengeschlecht seit uralten Zeiten gewesen. Die Sucht nach dem Abenteuerlichen, der Drang nach dem Ungewöhnlichen ist die Quelle des Aberglaubens. Dieser dämonische Zug, aus Furcht und Hoffnung zusammengesetzt, hat viel dazu beigetragen, dem Fortschritt ein starkes Hemmniß entgegenzustellen, und war immer ein beliebter Hebel der Machthaber aller Art. Der Mensch fühlte sich der Natur mit ihren gewaltigen Erscheinungen gegenüber klein und suchte Schutz bei den Vermittlern" des Himmels. Die Geschichte der ältesten Völker, wie der Chinesen, Inder, Aegypter, Babylonier, Perser, Chaldäer und Juden liefert hierfür die sprechendsten Beweise. Erst die aufgeklärten Griechen betraten den wissenschaftlichen Weg. Ihre Weltweisen lehrten zuerst, daß alles, was bisher als Wunder galt, zu einem großen Weltsystem gehöre, welches nach bestimmten Regeln geordnet ist. Auch die gebil­deten Römer sahen, wie uns Cicero erzählt, mit Mißachtung auf das Gebahren des Volkes herab, welches nach dem Glück oder Unglück ver­heißenden Fluge von Vögeln, nach der schicksalkündenden Eingeweide­lage von Opferthieren sahen, und konnten sich doch selbst von dem Glauben nicht losmachen, daß Vorfälle der geringsten Art, das Be­gegnen eines unliebsamen Thieres beim ersten Austritt auf die Straße cc., von Bedeutung für das Glück des Tages seien. Mit dem Christenthum wandelte der mächtige orientalische Fatalismus mit seinem Apparat von Wahrsagerei, Sterndeuterei, Teufelsspuck und Wunderschwindel in den Westen hinüber, um hier in dem Humus der heidnischen Religionen ein üppiges Wachsthum zu entfalten. Der jüngste Tag war das große Schreckbild, auf welchen alle außergewöhnlichen Natur- und Himmels­erscheinungen hindeuteten. Es sind dunkle Pfade, auf welchen die Kezer­und Herenrichter hinziehen. Hohe Geister folgten dieser mystischen Zeit­richtung, und selbst Männer wie Dante, Baco von Verulam u. a. sind nicht völlig davon frei. Erst die kirchliche und politische Reformation des 16., 17. und 18. Jahrhunderts befreite die Wissenschaft von dem Wust scholastischer Thorheit. Die weltumgestaltenden Erfindungen des 19. Jahrhunderts machten die Naturerkenntniß auch dem Volke zu­gänglich. Der Zusammenhang und die Wechselwirkung der Naturkräfte entschleiert sich immer mehr vor den Augen der Wissenden, aber der in dem Gemüth des Unwissenden wohnende Sinn für das Uebernatür­liche wird von den Betrügern noch lange ausgebeutet werden, zumal das Kontingent der Gläubigen aus Frauen aller Stände besteht. Unser Bild stellt die beiden letzten Spuren der Erwerbsmittel des Aber­glaubens dar: das Wahrsagen aus den Linien der Hand und aus den Spielfarten. Die Wiege beider Schwindelsorten stand in China  . Die Handwahrsagerei trugen die Zigeuner in aller Herren Länder, die

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Kartenwahrsagerei kam mit den Sarazenen nach Europa  . Das einzige Lobenswerthe an den Spielkarten ist ihre Bedeutung für die Entstehungs­geschichte der Buchdruckerkunst. Bis zum 15. Jahrhundert wurden die Spielfarten mit Aufwand großer Kunstfertigkeit gemalt, von da ab stach man sie in Kupfer und benußte den Holzschnitt zu ihrer Verviel­fältigung. Man unterscheidet zwei Hauptgattungen von Karten, die Tarok- und die Vierfarbenkarte. Die Sorte, welche die zahnlose Sibylle vor den jungen Mädchen auf unserm Bilde ausbreitet, gehört zur ersteren. Die schlaue Prophetin, welche gegen Honorar den Schleier der Zukunft lüftet, hat sich, um ihr Orakel wirksamer zu gestalten, mit dem ganzen Brimborium der Herenküche umgeben. Ihr zu Häupten sißt Minervas gluthäugige Begleiterin, die Eule, und unter dem Tische, weich im Korbe gebettet, das zierliche Kätzchen, welches seine Bedeutung im Hereneinmaleins wohl nur seiner Vorliebe zu nächtlichen Ausflügen verdankt. Den Gegensatz zu dem hinfälligen Alter und der kräftigen Jugend, sowie zu dem Vertrauen und der List, welch' lettere die Dumm­heit stets für irgendeinen Zweck der Habsucht zu gewinnen weiß, hat der Maler so trefflich geschildert, daß er uns jeder Erklärung durch Worte überhebt. Solange der Mensch von natürlichen Ursachen über­natürliche Wirkungen erwartet, wird es den Malern ebensowenig an Wahrsagerszenen, wie den Wahrsagern an Kunden fehlen. Die Dirne auf unserm Bilde hat voraussichtlich eine lange Zukunft vor sich, wer will es ihr, bei ihrem engbegrenzten Horizont, verargen, wenn sie gar zu gerne etwas von der ihr bevorstehenden Zukunft erfahren möchte? Die Alte, darauf können wir uns verlassen, versteht ihr Geschäft, und sie wird nichts verrathen, was der Jungen die Lust benehmen könnte, ein zweites mal wiederzukommen; denn gratis wird ja die Zukunft nicht enthüllt, umsonst ist nur der Tod und selbst dieser muß mit dem Leben bezahlt werden. Dr. M. T.

Eine Göttereinquartirung. Im Jahre 1874 haben die Chinesen das mahomedanische Reich- nan, das schon früher ihnen gehörte, wieder unterworfen und den Beherrscher dieses Landes, Sultan Soliman  , vor dem Thore seiner Hauptstadt Tarifa  ( chinesisch Talifun) enthaupten lassen. Seit damals suchen die Chinesen die Mahomedaner- nans dem Islam abtrünnig zu machen und sie zum Heidenthum zurück­zuführen. Berichten zufolge, die dem indisch- arabischen Blatte ,, Achbar" aus Tarifa   selbst zugekommen sind, hat die chinesische   Regierung auf ihre Kosten bei fünftausend Stück Götter der verschiedensten Art an­fertigen und sie in den Häusern dieser Stadt vertheilen lassen, wo sie jezt in den Höfen oder vor dem Thore stehen. Täglich muß dann der Hauseigenthümer dem so bei ihm einquartirten Gott Weihrauch opfern und ihn auch von Zeit zu Zeit vom Kopf bis zum Fuß neu kleiden. Mit der Bewachung dieser Götter ist die Polizei der Stadt betraut, die dabei von mehreren Bonzen( chinesische   Priester) unterstützt wird. Schwört dagegen ein Mahomedaner wirklich seinen Glauben ab, so wird sein Haus für hundert Jahre steuerfrei und er erhält nebstbei anch eine Dekoration von der Regierung, z. B. eine Pfauenfeder, einen Knopf u. s. w. eine Auszeichnung, die nicht lächerlicher ist, als manche andere in europäischen   Ländern. Dr. M. T.

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Die Bedeutung der Oliven in Italien  . Die Olive nimmt schätzt das Ergebniß an Del während eines Zeitraums von zehn Jahren unter den Bodenerzeugnissen Italiens   einen ersten Rang ein. durchschnittlich auf circa 1½½ millionen Hektoliter und das Erträgniß des Verkaufs auf circa 200 millionen Francs. Die Provinzen Neapel  und Sizilien liefern allein nahezu zwei Drittel des gesammten Ertrags. Dr. M. V.,

Gegen die Eisenbahnen. Als sich im Anfang der vierziger Jahre der hessische Landtag in Kassel   mit der Frage der Erbauung von Eisenbahnen beschäftigte, sprachen von den Abgeordneten besonders die Herren v. Ochs und Bär gegen die betreffenden Projekte. Hierauf war bei einem gewißten Konditor eine Eisenbahn en miniature als Backwerk zu sehen. Ein großer Ochse stürzte sich gegen die Lokomotive und ein Bär griff hemmend in die Räder derselben. Spaßvögel wollten darauf das Verslein gelesen haben: Der Eisenbahnen Lauf Hält weder Bär noch Ochse auf." Dr. M. V.

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Briefe und Briefträger im alten Aegypten  . Die schreibseligen Aegypter schrieben viele Briefe, von denen eine große Anzahl bis auf uns gekommen ist, und besaßen sogar das Institut der Briefträger und ein eignes Wort in ihrer Sprache: ,, fai schat" für dieselben. Dr. M. V.

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Inhalt. Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph von B......( Fortsetzung). Ueber Fremdwörter im Deutschen  , von M. Wittich( Fortsetzung). Das neue Recht im neuen Reich, von P. D.( I.) Johann Wolfgang Goethe  , von Dr. M. Vogler( Fortsetzung). Das Jubiläum der Lokomotive. Der nordische Vielfraß( mit Illustration). Die Kartenschlägerin( mit Illustration). Eine Götter einquartirung. Die Bedeutung der Oliven in Italien  . Gegen die Eisenbahnen. Briefe und Briefträger im alten Aegypten  .

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Expedition: Färberstraße 12. II.

Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser   in Leipzig  ( Südstraße 5). Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig  .