rend wir dieses schreiben, haben die Engländer die drei strategisch wich tigen Punkte Afghanistans   besetzt und sind dabei, den Gesandtenmord an Schuldigen und Unschuldigen zu rächen. Für Nassr- Eddin, den bis über die Ohren verschuldeten Schah von Persien, ist die Zeit gekommen, seine Gläubiger zu befriedigen, denn jezt kann er seine wichtig gewordene Neutralität an den meistbietenden russischen und englischen Rivalen günstig veräußern. Die in den Jahren 1838, 1842, 1863 betonte Theilung oder Annexion Afghanistans   ist durch die telegraphisch gemel­dete Thronentsagung des Emirs Jakub Khan zu Gunsten seines Soh nes in die Ferne gerückt. Da aber der präsumtive Thronfolger erst fünf Jahre zählt und England seine Vormundschaft übernommen hat, rüstet Rußland   in dem Gouvernement Orenburg eine Armee von 40,000 Mann aus, die im fünftigen Frühjahr unter der Führung des Siegers von Khiva   und Khokand, General Kaufmann, in Afghanistan  einfallen soll, um, von den aufrührerischen Stämmen der Berdurani und Ghilzai, die immer im russischen Solde standen, unterstüßt, den Eng­ländern neue Verlegenheiten zu bereiten. Vielleicht ist es der Funke, der die Minen an der Donau   und Weichsel zum Auffliegen bringen wird.

Die neuesten telegraphischen Depeschen bestätigen den Rückzug der Russen von Merw   und melden einen tollkühnen Einfall der Teketurk­menen im kaspischen Gouvernement Krasnowodzk, ein Beweis der to­talen Niederlage der Russen. Vielleicht stachelte das englische Gold die Menschenräuber, die in Krasnowodzk alle Männer niedermachten und über 200 Frauen und Kinder in Gefangenschaft schleppten, zu diesem Rachezug!?

Die Engländer können sich schon die Unterstützung der russenfeind­lichen Teketurkmenen erlauben, denn General Roberts hat in Kabul   einen Schaz von 9 Lacs Rupien( 1,800,000 Mark) gefunden, dessen Lager­ort ihm sonderbarer Weise der Emir Jakub Khan verrathen hat. Wem fällt dabei nicht der Ausspruch des Ignatius Loyola  , des Gründers der Jesuiten  , ein: Der Zweck heiligt die Mittel." Dr. M. T.

Mammons Weltfahrt. Die Liebe ist das Weltall   und das Weltall   ist die Liebe." Also leitet Professor Dr. Ludwig Büchner  , der Kraft- und Stoff- Büchner, sein neuestes Werk ein, welches den Titel führt: Liebesleben in der Thierwelt." Bei unvernünftigen Thieren mag es zutreffen, aber nicht bei vernünftigen Menschen. Unser Alpha und Omega ist der Mammon, das Gold. Betrachten wir einmal den Hergang, wie das Gold, von den Fesseln der Erde befreit, im Laufe der Zeit zum weltbewegenden Gößen geworden ist. Welches Volk zuerst Münzen geprägt hat, ist ein Geheimniß, das in den Nebeln der Ürzeit schwindet. Die älteste Nachricht von gemünztem Gelde giebt die Bibel in der Erzählung, daß Abimelech, König von Gerar, dem Erzvater Abraham   ein tausend Silberlinge geschenkt habe. Wenn wir dem mythischen Abraham eine historische Bedeutung beilegen wollen und ihn als Zeitgenossen des ägyptischen Pharao   Menes gelten lassen wollen, so überzeugen uns die Funde in den Mumiengräbern, daß die Aegypter schon vor Abraham   Goldmünzen geprägt haben. Sie bestanden aus Ringen, welche angereiht wurden und deren Gewicht den Werth bestimmte. Aehnliche ringförmige Münzen hatten auch die Ureinwohner Europas  , die Kelten, die sie, auf Schnüren aufgereiht, um den Leib trugen. Heute noch bedienen sich die Zulus   so der Messingringe, aus denen ihre Gürtel bestehen.. Vier solcher Gürtel, jeder aus zwei bis vier hundert Ringen bestehend, bilden z. B. den Preis für ein Pferd, zwei Gürtel den Preis für eine Kuh. Die ältesten Metallmünzen Chinas   stammen aus dem elften Jahrhundert vor Christi Geburt. Sie waren würfelförmig und von Gold. In der Mitte hatten sie ein viereckiges Loch, durch welches sie zum Gebrauch auf Drahtschnüre gereiht wurden. Sie waren nicht geprägt, sondern gegossen. Im alten Mexiko   gab es seit undenklichen Zeiten dünne Zinn- und Kupferstücke von hammerförmiger Gestalt als Münzen. Die alten Hebräer hatten den Sekel, der eigentlich ein Ge­wicht für edle Metalle war, aber auch als Münze gebraucht wurde. Er war fein geprägt und trug auf der einen Seite einen rauchenden Mannakrug und die Worte ,, Sekel Israels", auf der Rückseite die grünende Ruthe Arons und die Worte ,, Das heilige Jerusalem  ." Spar­taner, Athener   und Byzantiner hatten eiserne Münzen, die Syrakusaner welche von Zinn  . Die älteste noch existirende griechische Münze stammt aus dem Jahre 650 vor Christus und ist von Atys, einem König der Lydier, geprägt. Unter den Römern figurirten erst Metallstücke als Geld. König Numa Pompilius   ließ die erste Kupfermünze schlagen. Von den Römern erlernten die gothischen und longobardischen Könige das Prägen der Münzen. In Frankreich   erschienen die ersten, mit einem Kreuz bezeichneten Münzen unter dem merowingischen König Chlodwig  . Ihren Gehalt bestimmte die Wage, deßhalb noch heute die Benennung Kreuzer, Livre, Lire, Pfund. In Deutschland   prägte man die ersten Heller im siebenten Jahrhundert. Silbermünzen erschienen erst nach Entdeckung der Harzbergwerke im Jahre 972. Schließlich wollen wir des Papier  - oder Scheingeldes erwähnen, Scheingeld geheißen, weil es den Schein für das Wesen giebt. Den Chinesen gebührt der Ruhm, neben zahlreichen anderen Erfindungen auch die des Papier­geldes gemacht zu haben. Das erste Papiergeld kam im neunten Jahr­hundert nach Christi Geburt   in China   auf und bestand in Anweisungen auf Salz und Eisen, welche die Regierung ausgab. Vom Papiergeld, der Schuldverschreibung des Staates, kommt man unwillkürlich auf die Schulden der Privaten. Auch darin geht uns das Alterthum mit

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rühmlichem Beispiel voran. Die Schulden des größten Römers" Julius Cäsar  , ehe er in Amt und Würden war, betrugen 42 Millionen Mart; Otho   machte, ehe er Kaiser ward, eine Schuld von 33,600,000 Mark. Diesem kolossalen Minus entspricht das nicht minder erhebliche Plus. Crispus  , ein Bürger zu Vercellä zu Zeiten des Kaisers Augustus, besaß 34 Millionen Mark Grundeigenthum; Demetrius, ein Freigelasse­ner des Pompejus, hatte 4000 Talente, gleich 24 Millionen Mark im Vermögen; Pallas, ein Freigelassener des Kaisers Claudius  , hatte 48 Millionen Mark in seinem Besitz; der Philosoph Seneca   erwarb in vier Jahren 46,800,000 Mark und der Dichter Virgil 1,680,000 Mark. So etwas ist weder Kant noch Schiller passirt. Dem Vermögen war auch die Verschwendung der Römer entsprechend. Nach­dem Apicius  , der berüchtigte Feinschmecker und Schlemmer, auf seine Küche 16,000,000 Mark verwandt, große Summen in Geschenken ver­schwendet hatte und seinen Vermögensstand nachsah, fand er, daß er nur noch 16,800,000 Mark übrig hatte, vergiftete sich aber aus Furcht, Hungers zu sterben. Wenn Lucullus ein Gastmahl gab, wie er es gewöhnlich mit einigen Freunden einzunehmen pflegte, so verwandte er 33,000 Mark darauf. Die Dotationen des deutschen Reichs nehmen sich gegen die des Kaisers Nero   und anderer Römer sehr mäßig aus. Nero   schenkte seinen Kriegern zu verschiedenen Zeiten 372,900,000 Mart. Nachdem Pompejus   die Seeräuber überwunden hatte, gab er den Römern bei seinem Triumphe 4,000,000 Mark und jedem Soldaten 600 Mark. Sein Nebenbuhler Julius Cäsar   schenkte zu einer Zeit jedem Soldaten von den alten Legionen 360 Mark und den Rittern 3600 Mark, zu einer anderen Zeit schenkte er jedem Manne 1650 Mark, einmal gar 3000 Mark und den Hauptleuten 6000 Mark. Unbeschreiblich groß waren die Geschenke, welche die römischen Kaiser an das Volk machten. Vielleicht befördeten sie dadurch die moralische Fäulniß des Volkes und beschleunigten den Zerfall des Weltreiches, dessen einziger Göße das Gold war. Die alten Phönizier fanden in Spanien   so viel Gold und Silber, daß sie die eisernen Schiffsanker zurückließen und mit goldenen und silbernen zurücfuhren; fast ebenso erging es den Spaniern in dem von ihnen entdeckten Südamerika  . Und doch ist Spanien   zu einem Staate dritten Ranges herabgesunken, ein Beweis, daß Gold nicht der Schlüssel zur Pforte des Völkerglückes ist. Dr. M. T.

Spinnen und Weben. Das Gewebe, eine der ersten Aeußerungen des menschlichen Kunsttriebes, die Herstellung der Kleidung durch Spin­nen und Weben, was kann es uns alles erzählen! Machte doch der Mensch an ihm wohl auch die ersten Versuche zum Verzieren in Zeich­nung und Farbe und zeigt an demselben der menschliche Fortschritt in der Kunstfertigkeit doch lange sein höchstes Können, weil das Gewebe als Zierde des Körpers, als Schmuck seiner Heiligthümer ihm zunächst am Herzen lag.

Daß die Zeit, wo Bertha( wahrscheinlich die Göttin Hertha) spann und Penelope am Webstuhl saß, weit, weit hinter uns liegt, ist ja jedem männiglich bekannt. Dieser Umstand entschuldigt die Thatsache, daß wir den Erfinder des Spinnrockens und des Webstuhls ebenso wenig kennen, wie den des Pfluges und des Dreschflegels.

Die aus dem Laibacher Torfmoor und den schweizer Seen zu Tage geförderten Thonklumpen, welche, kreisförmig durchbohrt, heute noch in Indien   wie zur Zeit der Pfahlbauten zur Beschwerung der Roll­walze des Webstuhls dienen, liefern den Beweis, daß die Webekunst älter ist, als das Schmelzen der Metalle.

Das British Museum   in London   bewahrt zwei unscheinbare Stück­chen Bissus, jenes Wollstoffes, der schon 300 Jahre vor Christi Geburt in Alexandrien   gefertigt wurde und dessen zartes Gewebe die Formen des Körpers kaum verhüllte. Zwei andere Stückchen charakterisiren die byzantinische Webeart, wie sie in Griechenland   vom achten bis zum zwölften Jahrhundert n. Ch. G. geübt wurde. Das Dessin hat in der Beichnung eine strenge, wappenförmige Form; es reihen sich Kreise und Vier-, Sechs-, Achtecke aneinander; in denselben sind einzelne Thiere oder Thierkämpfe dargestellt; das Ornament ist untergeordnet. Seide war schon 1000 Jahre v. Chr. G. bei den Chinesen so all­täglich, wie bei uns Leinen, und dieses Volk war so streng im Geheim­halten der Seidenbauzucht, daß erst im sechsten Jahrhundert n. Ch. G. in Griechenland   Zucht und Weberei sich verbreiteten. In Folge des regen Handels des maurischen Aegyptens mit den Chinesen sahen und bewunderten die Mauren   die phantasiereiche Behandlung in Aus­schmückung der Gewebe und verarbeiteten ihre edlen strengeren Formen mit den anmuthigeren der Chinesen, wodurch jene stylvollen Dessins ent­standen, welche mustergiltige Vorbilder für alle Zeiten bleiben und einen so tiefgehenden und langwährenden Einfluß auf die textile Kunst und sogar auf dekorative Architektonik gewannen. Wir rothen Barbaren, wie uns die Chineseu nennen, wurden erst durch die Kreuzzüge mit diesen Herrlichkeiten bekannt. Im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert entstand die sicilianische und norditalienische Imitation der chinesisch- mau­rischen Stoffe. Sie zeigen außer wenigen Farben, darunter hauptsächlich Purpur in allen Nuancen, vielfach auch Gold, das aus den Minen von Oberägypten   gewonnen wurde. An die Stelle der goldgewirkten Stoffe, Brokat genannt, traten später die goldgestickten, bis die englische und französische   Revolution diesem Lurus den Garaus machte.

Erst nach der Vertreibung der Araber aus Sicilien   blühte in Ba­lermo und Amalfi  , in Lucca  , Florenz  , Mailand   und Venedig  , aber immer noch nach sarazenischen Mustern, die Seidenfabrikation auf. Im