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Ballei haben ein durchaus protestantisches Gepräge. Vom Kaiser Napoleon   im Jahre 1811 aufgehoben, wurde das morsche Institut in allerneuester Zeit wieder hergestellt. Die aristokratischen Statuten ( zur Aufnahme gehören vier Ahnen von zweihundertjährigem Adel) sind wohl der Todeskeim des Instituts und werden sicherlich diese lächer liche Mumie am 700 jährigen Jubiläum( 1891) verhindern. Was nicht in den Organismus des Volkes eingreift, wird als entbehrlich von diesem Organismus abgestoßen. Dr. M. T.

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Karawanserai im Balmenhain bei Tripolis.  ( Bild S. 113.) Wenn man in den Werken der römischen Geschichtsschreiber die Nord­füfte Afrikas  , das heutige Marotto, Algier  , Tunis  , Tripolis   und Aegypten   als die Kornkammern Roms preisen hört, um deren Besitz die furchtbaren punischen Kriege geführt wurden, so fragt man sich ver­wundert, was wohl die Verarmung dieser einst gesegneten Länder her­beigeführt habe. Die Antwort ist einfach: der Islam  , die Religion der Faulheit. Die Wucht dieser Ländermasse, welcher vor allen Dingen thätige Menschen zur Entwicklung ihrer großen Hülfsquellen fehlen, wirkt erdrückend auf den Europäer, schrieb vor Jahren der deutsche  Afrikareisende Vogel. Wir haben es zur Erklärung unseres Bildes diesmal nur mit Tripolis   zu thun. Es ist im verwegenſten Sinne des Wortes ein geographischer Begriff, der nur im Norden vom mittel ländischen Meer begränzt ist. Die westliche Gränze gegen Tunis  , die südliche zur Wüste Sahara   und die östliche gegen Aegypten   festzustellen, fällt den türkischen   Behörden, die seit 1835 durch die Vermittelung Englands das Kommando im Lande führen, nicht im Traum ein. Im Alterthum Cyrenaïka genannt, hatte die Provinz blühende Städte, darunter Cyrene   und Ptolemais, deren Einwohner nach Hundert tausenden zählten. Die prachtvollen Bildwerke, welche die englischen Reisenden Borcher und Smith unter ihren Trümmern fanden, können mit denen von Palmyra   und Memphis   verglichen werden. Die jeßige Hauptstadt des Landes, Tripolis  , unter dem 33. Grad nördlicher Breite und dem 31. Grad östlicher Länge am mittelländischen Meer gelegen, ist ein Gewirr halbverfallener Häuser mit 18,000 Einwohnern; davon find etwa 3000 Christen und 4000 Juden, die übrigen bekennen sich zum Islam. Die Zahl der Einwohner des ganzen Landes, welches den doppelten Umfang von Deutschland   hat, anzugeben, ist unmöglich, weil sie Nomaden sind. Die zweite nennenswerthe Stadt des Landes heißt Bengasi   und ist trotz der herrlichen Umgebung ebenso verwahr­lost als Tripolis  . Beide Städte wären längst das Ziel europäischer Touristen, wenn sie eine Dampferverbindung mit der nahen unter eng­lischer Botmäßigkeit stehenden Insel Malta   hätten. Das Land hat zwar ein heißes, aber durchaus gesundes Klima; die Durchschnittstem­peratur beträgt 21 Grad Wärme nach der Stala des Celsius. Alle Fruchtbäume der Mittelmeerzone, sowie Wein, Reis und Mais gedeihen im Schatten der Palmen. Daß bei dieser Ergiebigkeit des Bodens, der ohne Mühe doppelte Ernten gestattet, und bei der durch Seebrisen gemilderten Temperatur die faulen Einwohner für die innere Einrich­tung ihrer Wohnstätten so viel wie gar nichts thun, ersieht man aus dem Bilde des Karawanserais im Palmenhain bei Tripolis  , der den nach Mekka   pilgernden Frommen als Nachtlager dient. Von dem grauenvollen Schmuß dieses Gasthofes" entwirft der Afrikareisende Gerhard Rohlfs   eine drastische Schilderung, mit deren Einzelheiten wir die Geruchsnerven unserer Leser verschonen wollen. Als Verkehrspunkte des Mittelmeeres haben die Städte Tripolis   und Bengasi   eine nur geringe Bedeutung, desto wichtiger sind sie als Ausgangspunkte von Entdeckungs- und Forschungsreisen. Denham, Clapperton, Dudney, Lyon  , Benchey, Barth, Richardson, Vogel, Overweg, Mircher, Rohlfs, Alexandrine Tinné   und Nachtigal  , alle gingen von Tripolis   aus, von Beurmann nahm Bengasi   als Ausgangspunkt. Abgesehen von den wissenschaftlichen Instrumenten und den Luxusartikeln, findet hier der Reisende alles, was er zur Expedition nach Innerafrika nöthig hat. Die Kameele sind hier billiger, als im übrigen Nordafrika  , eingeborene Diener leicht zu beschaffen, Nahrungsmittel und Tauschwaaren in ge­nügender Menge vorhanden. Als ein Zeichen der Zeit führen wir schließlich noch an, daß seit 1864 in Tripolis   wöchentlich eine arabische Beitung erscheint und seit 1870 der Telegraphendraht über Alexandria  das öde Tripolis   mit der Außenwelt verbindet. Im Vergleiche zu ihren vielgeplagten europäischen   Berufsgenossen, führen die tripolita­nischen Telegraphenbeamten ein stilles, beschauliches Leben, weil es, wie uns Rohlfs erzählt, oft wochenlang nichts zu telegraphiren gibt.

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Dr. M. T.

Deutschlands   Bücher. Schon oft wurde als Gradmesser der Kultur eines Volks der Umfang seiner Journalliteratur angenommen, zutreffender aber dürfte man auf die Kulturhöhe einer Nation schließen, wenn man die von ihr jährlich produzirte Anzahl Bücher in Betracht zieht. Denn wenn auch keineswegs die Gesammtsumme allein ent­scheidet, vielmehr schwereres Gewicht auf Qualität als Quantität gelegt werden sollte, so steht es doch fest, daß die Nation, welche verhältniß­mäßig am meisten Bücher produzirt, durch diese hohe Summe auch zugleich das größte Bedürfniß nach Lektüre dokumentirt, was unzweifel­haft als Vorbedingung aller fulturellen Bildung betrachtet werden kann. Gibt man die Richtigkeit dieser Anschauung zu, so stellen sich die Ver

hältnisse für Deutschsand äußerst günstig; und wenn wir auch keinen besondern Grund haben, die enorme Summe der produzirten Bücher ihrer Qualität wegen ohne Mißtrauen zu betrachten, so begrüßen wir dennoch die Thatsache, daß Deutschland   verhältnißmäßig am meisten Bücher produzirt, mit aufrichtiger Freude, da wir darin ein gesteigertes Bedürfniß nach Lesestoff erblicken, welches im Laufe der Zeiten wohl auch eine richtigere Wahl als bisher zur Folge haben dürfte. Von den jährlich in Europa   erscheinenden dreißigtausend Büchern werden in deutscher Sprache allein circa vierzehntausend herausgegeben, wäh­rend in England und Frankreich   nur je fünftausend alljährlich erscheinen. Allerdings bleiben diese vierzehntausend Bücher nicht in Deutschland  allein, sondern finden ihre Wege zu den dem Mutterlande zum Theil entfremdeten Deutschen   in Ungarn  , den russischen Ostseeprovinzen, Ame­rika 2c. 2c. Immerhin ist die Gesammtzahl der in deutscher Sprache herausgegebenen Bücher so groß, daß sie die Behauptung rechtfertigt, daß das Lesebedürfniß hier ungleich größer als in andern Ländern ist, besonders wenn berücksichtigt wird, daß der deutsche Bücherverkauf bei weitem nicht so forcirt wird als dies in andern Ländern der Fall ist. Von dem Fortschritte der deutschen Bücherproduktion kann man sich am besten einen Begriff machen, wenn man erwägt, daß z. B. im Jahre 1564: 256 Bücher erschienen, im Jahre 1601: 1137, im Jahre 1765: 1517 und im Jahre 1878: 13,912. Aus einer Zusammenstellung in der Vossischen Zeitung, welcher der J. C. Hinrichs'sche Katalog in Leipzig   zu Grunde gelegt ist, ergiebt sich folgende Vergleichung der einzelnen Literaturzweige:

Theologie

Recht und Politik Medizin Naturwissenschaft Philosophie Pädagogik. Jugendschriften Sprachwissenschaft Geschichte, Geographie Mathematik und Astronomie Kriegswissenschaft

Handel, Gewerbe, Industrie Land- und Forstwirthschaft Schöne Literatur und Kunst Volksschriften. Vermischte Schriften Karten

Zahl der literarischen Erscheinungen im Jahre 1860 1872 1878 1454 1234 1246

884 1015 1319

428

485

789

556 587

793

95

180

164

791 1266

1775

269

296

443

612

784

948

857

1002

1010

93

160

151

175

318

315

518

747

959

360

353

504

1367 1418

1752

224 466 873 701

209

715

?

200

293

Insgesammt 9496 11127 13912

Diese Zusammenstellungen dürften für die Leser der ,, Neuen Welt" nicht ohne Interesse sein, denn es werden hierdurch Beiträge zur Kultur­geschichte der Gegenwart geliefert, deren Licht- und Schattenseiten sie getreulich wiederspiegeln. Während im Jahre 1872 nur 21 natur­wissenschaftliche Bücher mehr erschienen, als im Jahre 1860, umfaßte dieser Literaturtheil im Jahre 1878 793 Bücher, also 206 natur­wissenschaftliche Bücher mehr als im Jahre 1872 und 227 mehr als im Jahre 1860. Die pädagogische Rubrik erscheint gleichfalls mit einer erheblichen Steigerung und zwar um 509 Bücher mehr als im Jahre 1860. Nicht minder erfreulich ist die Thatsache, daß die theologische Literatur innerhalb zwölf Jahren nur um 12 Bücher zugenommen hat, und heute nur den zwanzigsten Theil der gesammten deutschen Litera­tur umfaßt, während sie vor circa 20 Jahren den vierten Theil der deutschen Bücherproduktion für sich in Anspruch nahm. Während sich also aus der obigen Zusammenstellung eine Zunahme der Bücherpro­duktion in den populären, naturwissenschaftlichen, industriellen, päda­gogischen Gebieten ergiebt, ist die leidige Theologie" in verhält nißmäßig progressiver Abnahme begriffen, ein Umstand, der den Lesern der ,, Neuen Welt" gewiß nicht unangenehm sein wird. Aber auch die Schattenseiten der Gegenwart spiegeln sich in obiger Zusammen­stellung wider und zu dieser Schattenseite gehört die umfangreiche kriegswissenschaftliche Literatur, welche im Jahre 1872 hundert­unddreiuudvierzig Bücher mehr umfaßte als im Jahre 1860 und heute noch den dreißigsten Theil der gesammten Produktion repräsentirt. Die fortgesetzten Kriege einzelner europäischer Großmächte, die ,, Erfin­dungen und Verbesserungen" der Waffen 2c., die vollendetere Methode der Kriegführung mußte durch den Druck unseren Nachkommen natürlich mitgetheilt werden. Daß solche Bücher aber nicht blos geschrieben, sondern auch in andern, als Fachkreisen gelesen werden und, wenn man ein richtiges Kulturbild unserer Zeit bekommen will, gelesen wer­den müssen, ist zwar wenig erbaulich, indessen ist die angeführte Thatsache, daß das deutsche   Volk ein verhältnißmäßig lebhaftes Lese­bedürfniß empfindet, eine Bürgschaft dafür, daß es auch im Laufe der Zeit die richtige Wahl bei seiner Lektüre treffen lernen und damit die ihm nicht förderlichen oder gar schädlichen Literaturzweige gründlich beschneiden wird. -t.

Das Wachsthum des Menschen. Wissenschaftlichen Nachweisen zufolge beträgt die Länge eines neugebornen Knaben im Durchschnitt 496, die des Mädchens 483 Millimeter. Im ersten Jahre nimmt die­