Waldshut und Basel nezt er die Ufer eines saftgrünen Eilands, welches von seiner sackförmigen Gestalt Sacconium, zu deutsch Säckingen genannt wurde. Die Gründung des gleichnamigen Städtchens, welches unser Bild getreulich wiedergibt, hat die Sage mit dem Andenken eines irischen Glaubensboten, Fridolin genannt, verwoben. So viel steht fest, daß das von Fridolin gegründete Kloster der Kernpunkt des jeßigen gewerbreichen Städtchens gewesen ist und daß Fridolins Nachfolger in den Klostermauern der Kunst und Wissenschaft, oder was man in jenen barbarischen Zeiten Wissenschaft nannte, eine Zufluchts- und Pflanzstätte bereiteten. Daß sie in Säckingen ihren Säckel nicht vergaßen, liegt auf der Hand. An Besitz von Kostbarkeiten, seltenen Handschriften und Büchern sowie von ausgedehnten Ländereien wurden die säckinger Mönche nur von den Klöstern in Fulda und St. Gallen
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richtsbarkeit der„ frommen" Bäter beizubringen, bemerken wir, daß der Krummstab ihrer Aebte seinerzeit über den jezigen ganzen schweizerischen Kanton Glarus waltete. Im 13. Jahrhundert, der Blüthezeit des Pfaffenthums, wurden die Alebte sogar in den Reichsfürstenstand erhoben. Doch Königreiche sinken in den Staub und nur ihr Name bleibt der Nachwelt, die Heiligthümer der Vorfahren werden zum Spott für die Nachkommen, der Wechsel ist das Schicksal alles Menschlichen. Großes und Kleines, Bedeutendes und Unbedeutendes schwindet mit dem Verrauschen der Jahrhunderte, wenn es nicht die Elastizität besißt, sich jeder Zeit anzupassen. Daß die Klosterwirthschaft von Säckingen diese Elastizität nicht besaß, beweist ihr spurloses Verschwinden nach ihrer Säkularisirung im Anfang dieses Jahrhunderts. Der letzte Rest der prunkvollen Priesterherrschaft ist der reichverzierte Reliquienschrein in der doppelthürmigen Stiftskapelle, jezt Pfarrkirche, mit den Knochen ihres Stifters Fridolin. Das von Napoleons Gnaden badisch gewordene Säckingen hat heute beiläufig 3700 Einwohner und gehört zu den angesehensten Fabrikstädten des Landes; mehrere tausend Arbeiter aus den umliegenden Dörfern sind in bedeutenden Seidenfabriken, Seidenfärbereien, Baumwollwebereien und anderen gewerblichen Anstalten beschäftigt. Die Säckinger sind weit und breit als schneidig und geistig frisch bekannt. Ein Soolbad mit einer warmen Quelle ladet ein, die leibliche Gesundheit zu stärken. Die weitläufigen Gebäuchlichkeiten der gefürsteten Abtei, die man nach der Aufhebung des Ordens mit wenig Erfolg einem adeligen Frauenstifte zur Verfügung stellte, bilden die vornehmste Sehenswürdigkeit des Städtchens. Die Welt würde indeß wenig Notiz von ihm nehmen, wenn es nicht der Humor der Muse Viktor Scheffels für alle Zeit mit dichterischem Glanze verklärt hätte. Beim Anblick des idyllischen Ortes beleben sich die anheimelnden Gestalten, die Scheffel in seinem ,, Trompeter von Säckingen" geschaffen, Gestalten, wie Jung Werner, der durch Liebe und Trompetenblasen sich ein adelig Weib errungen und der glückseligste Mann im römischen Reich geworden", der alte Freiherr mit dem schlimmen Gaste, der sich in dem linken Fuße unberufen eingenistet", ihm zu Füßen ,, der biedere Kater Hiddigeigei mit dem schwarzen Sammtfell, mit dem mächt'gen Schweif", des Freiherrn holde Tochter Margaretha", die im unbewachten Augenblick mit Werners Trompete ,, ungefügige Greueltöne, schneidend falsche Dissonanzen in die Morgenstille bläst", nicht zu vergessen den ,, großen Frescontaler Fludribus", wie er ,, nach der Technik Buffalmacos malte, der mit Rothwein Gluth der kalten Frescofarbe eingehaucht, doch den Rothwein selber trant". Und wer würde die Stadt Säckingen wohl verlassen wollen, ohne, schon aus Pietät gegen den scheffel'schen Humor im ,, Schwarzen Walfisch zu Askalon " eingesprochen zu haben. Freilich darf ihm das Geld nicht schon im ,, Löwen" oder ,, Knopf" all dahingegangen sein, denn:
Im Schwarzen Walfisch zu Askalon Wird kein Prophet geehrt,
Und wer vergnügt dort leben will, Zahlt baar, was er verzehrt."
Dr. M. T.
Verkämpfte Hirsche im Reinhardswalde verendet gefunden ( Bild Seite 413). Eine der stattlichsten und edelsten Gestalten unseres Waldes ist der Edelhirsch( Cervus Elaphus ). Ungeachtet seiner Schlankheit ist er kräftig und schön gebaut und seine Haltung ist eine so edle und stolze, daß er seinen Namen mit vollstem Rechte führt. Seine Leibeslänge beträgt etwa 2,3 Meter, die des Schwanzes 15 Centimeter, die Höhe am Widerrist 1,5 Meter, und die am Kreuz einige Centimeter weniger. Er hat einen gestreckten, in den Weichen eingezogenen Leib mit breiter Brust und stark hervortretenden Schultern, geraden und flachen Rücken, welcher am Widerrist etwas erhaben und am Kreuze vorstehend gerundet ist, langen, schlanken, seitlich zusammengedrückten Hals, und langen, am Hinterhaupte hohen und breiten, nach vorn zu start verschmälerten Kopf, mit flacher, zwischen den Augen ausgehöhlter Stirne und geradem Nasenrücken. Die Augen sind mittelgroß und lebhaft, ihre Sterne länglichrund. Die Thränengruben stehen schräg abwärts gegen den Mundwinkel zu, sind ziemlich groß und bilden eine schmale, längliche Einbuchtung, an deren inneren Wänden eine fettige, breiartige Masse abgesondert wird, welche das Thier durch Reiben an den Bäumen auspreßt. Das Geweih des Hirsches( bekanntlich eine Bier und unter Umständen gefährliche Waffe des Männchens) sißt auf einem furzen Rosenstode auf und ist einfach verästelt, vielsprossig und aufrechtstehend. Von der Wurzel an tragen sich die Stangen in einem
ziemlich starken Bogen, der Stirne gleichgerichtet, nach rückwärts und auswärts, oben krümmen sie sich wieder in sanften Bogen nach einwärts und kehren dann ihre Spigen etwas gegeneinander. Unmittelbar über der Nase entspringt auf der Vorderseite der Stange der Augensproß, welcher sich nach vor- und aufwärts richtet; dicht über derselben tritt der kaum minder lange und dicke Eissproß hervor; in der Mitte der Stange wächst der Mittelsproß heraus und am äußeren Ende bildet sich die Krone, welche ihre Zacken ebenfalls nach vorn ausdehnt, aber je nach dem Alter und der Eigenthümlichkeit des Hirsches mannichfaltig abändert. Die Stange ist überall rund und mit zahlreichen, theils geraden, theils geschlängelten Längsfurchen durchzogen, zwischen denen sich in der Nähe der Wurzel längliche und rundliche, unregelmäßige Knoten oder Perlen bilden. Die Spigen der Enden sind glatt. Aus dieser Beschreibung des Hirschgeweihs ersieht man, daß dasselbe dem Träger desselben verhängnißvoll werden kann, wie es unsere Abbildung bestätigt. Der Hirsch, der im Winter die Thäler, und im Frühjahr die waldigen Vorberge bewohnt, steigt mit zunehmender Hiße bis zu den höchsten Spißen der Mittelgebirge empor, um im Herbst ebenso allmählich wieder thalab zu gehen. Der sonst scheue Schnellläufer, den nur die Kugel seines grimmigsten Feindes, des Menschen, zu erreichen vermag, wird in der Brunstzeit( von Anfang September bis Mitte Oktober) ein herausfordernder, streitlustiger Kämpe. Wenn am Abend der Herbstnebel über die Wiesen zieht, huschen die Thiere( in der Jägersprache die weiblichen Hirsche) aus dem Walde hervor und seßen auf leichten Füßen über die knisternden Baumblätter auf dem Boden, über die Gräben am Rande der Wiesen und über die Wege. Und hinter ihnen drein, mit hochgehobenem Kopfe und nickendem Geweihe, schreitet der Edelhirsch, der sonst weiberverachtende Mann, und besieht sich das tänzelnde Spiel der Frauen und rückt immer näher und näher. Aber da taucht drüben am Waldrande noch so ein stolzes Männerhaupt auf, und dort noch eins und noch eins, und dann ertönt ein dröhnendes, drohendes Rufen, wie vor beginnender, erbitterter Schlacht. Die Thiere stehen indessen abseits unter den Bäumen und spähen mit langgestreckten Hälsen und weitgeöffneten Augen auf die Wiese hinaus. Der Mond kommt langsam hinter dem Hügel herauf und läßt sein funkelndes Licht an den nebelfeuchten Blättern der Buchen und Eichen niederfließen, die mit ihren breiten, knorrigen Aesten, wie vielhundertjährige Riesen, zwischen der dunklen Erde und dem nächtlichen, sternenhellen Himmel stehen, um dem Kampfe der brünstigen Nebenbuhler zuzusehen. Die beiden Stärksten unter ihnen haben sich zum Kampfe gestellt, ohne zu beachten, daß die Wahlstatt sich nicht weit vom Rande eines Abgrundes befindet. Schon fallen zuckend die Schlagschatten der beiden Ringenden über das Moos und Geröll. Da sie an Kräften gleich sind, scheint der Kampf unentschieden. Plötzlich bekommt der Vierzehner bei einer Erhöhung des Terrains Uebergewicht über einen Gegner und mit gewaltiger Kraftanstrengung drängt er ihn zurück, dem steilen Abfall zu. Die Stangen sind fest ineinander verkeilt und ein auf dem weichen Moosboden fast unhörbares Schieben und Drängen findet nur noch statt. Da, seine ganze Kraft zusammennehmend, macht der Vierzehner eine legte gewaltige Anstrengung, der Zehner gleitet mit den Hinterläufen am Rande der Schlucht aus, mit eingeknickten Läufen drängt der erbitterte Gegner nach, nicht ahnend, daß sein verkämpftes Geweih ihn an seinen Rivalen fettet und eine unheimliche Stille tritt ein. Dann tief unten ein Schlag, krachend, schmetternd! Steine rollen und hüpfen. Tief unten prallen sie nochmals auf und weiter und weiter springend verhallt das Geräusch. Und wenn die Sonne durch die duftigen Frühnebel bricht und die Spigen der Gebirgskette vergoldet, dann kreisen zwei Steinadler über den zerschmetterten Leichen der beiden Gegner, deren Geweihe im Tode noch so fest ineinander verschlungen sind, daß sie niemand ohne Verlegung der Enden zu trennen vermag. Y.
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Die Mysterienspiele des Mittelalters und das Oberammer gauer Passionsspiel. ( Schluß.) Die damaligen Kritiker der Dominikanerbühne, die Benediktiner , warfen dem Stück Häresie, das heißt dogmatische Unrichtigkeiten vor und bläuten sich mit den Schauspielern weidlich herum, da sie sich wegen der Tonsur nicht in die Haare fahren konnten. Trotz dieses unerquicklichen Zwischenfalles dauerte die ,, Passion" vierzig Tage und die szenischen Vorrichtungen erstreckten sich über den ganzen Römerberg. Ein Abt zu Cinsiedeln in der Schweiz bewahrt uns in seinem Tagebuche Notizen über ein derartiges Leiden- Christi- Spiel zu Frankfurt . ,, Sechs Kronen haben wir an das Stück gewandt, hätten wir wohl ersparen können." Der Zweifler in der Mönchskutte belehrt uns des weiteren über die Garderoben, z. B. Gott Vaters, der im Apostelgewande erscheint. Auch dem Abt, wie wohl der Mehrzahl des Publikums, gefielen die komischen Buthaten mehr, wie der biblische Kern der Handlung. Auch damals gab es schon vierfüßige Schauspieler. Es wäre vorgeschrieben, meint unser Gewährsmann, den ersten Tag einen Esel, den zweiten Tag zwei Esel erscheinen zu lassen. Jedes Jahrhundert hat irgend eine Losung; im achtzehnten hieß sie Philosophie, im neunzehnten Politik. Als das Kriegsgeschrei der Kreuzzüge verhallte und die Liebeslieder der Minnesänger nicht mehr verfangen wollten, war die Zeit der religiösen Schaustellungen im theatralischen Gewande gekommen.( Goethe hat diese Signatur des fünfzehnten Jahrhunderts in seinem Vorspiel zum ,, Faust "