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Ueber diese Schimpf- und Uebernamen sollte doch auch ein­mal eine Einzelabhandlung geschrieben werden, wobei gewiß mancherlei kulturgeschichtlich interessantes zutage kommen würde; für uns kann es hier nur einen Punkt der Betrachtung abgeben, von dessen Behandlung wir nur hoffen, daß sie unseren Lesern nicht zu lang ausgesponnen erscheinen möge, war sie doch im Zusammenhange und an dieser Stelle nothwendig und nicht zu entbehren!

( pte) sandeltro)

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Uebrigens ist bis dato nur von kerndeutschen Namen die Rede gewesen. Aber in den Familiennamen haben wir ebenso wie bei den Taufnamen mit der Mode zu rechnen, die sich so gar häufig mit dem Einheimischen nicht genügen ließ, sondern in die Fremde ging, um auch den Namen ein fremdländisch Gewand zu ent­lehnen, sei es nun à la Grec, à la Romain oder à la Française! Die Bekanntschaft mit dem klassischen Alterthum führte eine ganze Sintfluth von antit zugestuzten, ur­sprünglich deutschen Namen ins Leben ein: das Fremde sollte vornehmer sein, denken ließ sich bei einem so umgewan­delten oder kühn er­fundenen Fremd­namen auch nicht mehr, oft aber we niger  , als bei dem als zu gewöhnlich beiseite geschobenen deutschen. Wie be­troffen würde man­cher dareingeschaut. haben, wenn ihm die eigentliche Be­deutung eines so stolz und erhaben klingenden Fremd­namens klar ge= wesen wäre; wenn er etwa, jenes stol­zen und kriegsfun­digen Römers ein­gedenk, sich Cäsar nannte, wie groß wäre wohl sein Schreck gewesen, wenn ein Sprach­kundiger ihm gesagt hätte: Auf gut deutsch   bist du nun eigentlich auch weiter nichts als ein ge­wöhnlicher Krause." Cäsar sowie Krause bezeichnet ursprüng­lich einen Menschen mit frausem, lockigen

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lateinische Verse aus der Feder geflossen waren, schämte sich nun vor lauter aufgeblähtem Gelehrtendünkel des Namens seines Vaters, der ein biederer Schmied war. Diesen Gewerbsnamen seines Vaters übersetzte er lateinisch: Faber*), dazu setzte er Aonius, was an die Musen, die Göttinnen der Dichtkunst, erin­nern soll; so hieß er nun Fabronius, Musenschmied, was man, ohne ihm sonderlich unrecht zu thun, auch mit Reimschmied über­sezen könnte. Vilmar, der ein verdienstliches Namenbüchlein geschrieben hat, bemerkt bei Gelegenheit dieser übersetzten Namen, er habe einen Holzhacker gekannt, welcher zwar Xylander hieß, aber sein Holz stets auf gut deutsch   sägte und spaltete, und der marburger Postmeister mit dem langen griechischen Namen Meso­mylius( d. i. Mittelmüller, der Ahnherr war Müller in der Mittelmühle bei Wetter!) merkte nicht, daß er das Gesangbuch in der Kirche verkehrt hielt, denn er hatte weder auf griechisch

noch auf deutsch   lesen

gelernt! Auch diese Fremdlerei forderte

d du hit the den Zorn der Sati­

Georg Gottfried Gervinus. Seite 431.)

Haupthaar. Da hätte er ja wieder das alltäglich Gewöhnliche, was er vermeiden wollte bei der Namensverleihung, freilich hätte er die Nichtkenner des Lateinischen glücklich getäuscht, nicht aber die Wissenden.

Die Vergriechung und Verlateinerung der Namen war in der Reformationszeit gut im Zug. Fast alle Löffler, die Latein fonnten, nannten sich Cochlearius, alle Dehler, Dehlschlägel, Dehlmann u. s. w. Olearius, und Luthers   gelehrter Freund Melanchthon   ist nur unter diesem Namen bekannt und nicht jeder­mann weiß, daß dies eine Vergriechung des alten Namens Schwarzert sein soll. Die Uebersetzung ist außerdem noch falsch, mit schwarzer Erde hat der ursprünglich deutsche   Name des Gelehrten Melanchthon   garnichts zu thun. Die Habermann nannten sich nun Avenarius, die Holzmann Xylander, die Neumann Neander  , die Bäcker, Becker oder Beck Pistor, Pistorius, woraus man denn wieder verdeutschend das süddeutsche Pfister und Pfistermeister machte. Der Schneider ward ein Sartorius, der Wagner ein Plaustrarius. Ein gewisser Mosmann zu Gmünden an der Wohra, dem ehliche schlechte

riker heraus. So schrieb Moscherosch  in seinen an anderer Stelle in diesen Blät­tern angezogenen Gesichten Philan­ders von Sittewald" auch erbittert gegen diese Mode seiner Zeit. Sein Held Philander von Sitte­wald wird von den alten deutschen Recen Siegfried, on Ariovist   und andern arg gescholten auch sob seines Namens: Warumb dann, so du ein geborner Teutscher bist, hastu nicht auch einen deutschen Namen? Was soll dir ein griechisch und he= bräischer Name im Teutschland? Was ist Philander für ein Gefräß? Bistu von Sittewaldt, warumb hastu einen wälschen Namen? Was? Hm? Was meinstu? ?" Schämt ihr euch denn ewrer selbst und ewrer red­lichen Vorfahren? Schäme dich für den Teuffel, wenn du

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eine ehelich deutsche   Ader in deinem Leibe hast, daß du einen andern Namen, einen Außländischen Namen, vnd den du viel­leicht selbst weder verstehest, noch weissest, solst einem verständigen, bekannten Teutschen Namen vorziehen oder mit Wälschen Farben anstreichen, mit De und Di füttern wollen.

Wer seinen anererbten Namen Flickt mit wälschem Neß zusammen Und wär' gern ein Junkerlein,

Der hat Mangel an eim sparren Und gehört ins Buch der Narren, Solt er sonst ein Doktor sein!"

Und doch verlateinerte und vergriechte alle Welt ihren deutschen Namen; wer nicht sprachmächtig genug war, ihn ganz zu über­sezen, der hängte ihm doch wenigstens das Schwänzchen us oder ins als Endung an, um sich über den Pöfel" zu erheben!

*) Die Vorfahren des berühmten Bleistiftfabrikanten Faber waren auch Leute, die den einfachen Namen Schmied trugen.