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König von Schweden  , habe hier gesessen und einem Seegefecht zwischen den Dänen und Schweden   zugeschaut. Welche der beiden Versionen richtig ist, oder ob beide, wie die Mehrzahl der Legenden, erlogen sind, das ist schließlich einerlei, aber das eine steht fest, daß die Aussicht von diesem herrlichen Ort unsagbar schön, töniglich ist, wenn am Früh morgen am östlichen Himmelssaum die Sonne aufsteigt, und, ehe uns ihr erster Lichtstrahl trifft, wunderbare Farbentöne vom dunkeln Violett bis zum grellen Feuerroth auf der schimmernden, weiten, unbegrenzten Meeresfläche hervorruft. In Gluth getaucht, mit flüssigem Gold über­gossen, erscheinen dann die zackigen, zerklüfteten Kreidefelsen und erblassen mehr und mehr, je höher die Sonne emporsteigt. Erst dann, wenn der helle Tagesschein die letzten Schatten aus der Tiefe der Schluchten verscheucht hat, läßt sich die ganze Großartigkeit der sturmzerfressenen Felsenwand wahrnehmen. Doch

Wo schwelgend sich die Augen laben, Will der Magen auch was haben.

Auch dafür ist gesorgt. Nur wenige Schritte vom Königsstuhl ent­fernt, mitten in der prächtigen Buchenwaldung der Stubbeniß, welche sich vier Stunden lang hinzieht, liegt das Wirthshaus Stubbenkammer, wo seit langen Jahren der Wirth, der alte Behrendt, seinen Gästen Geschichten erzählt, die sich so zur Wahrheit verhalten, wie die als Reliquie aufbewahrten Sprossen der Leiter, welche Jakob im Traum gesehen hat, zur Wirklichkeit. Aber die Weine sind bei ihm echt, die Speisen gut, und wer ein paar Tage dort oben bei ihm gewohnt hat, dem wird das Herz schwer, wenn er wieder scheiden muß. Der Spa ziergang nach dem Herthasee durch den prächtigen Buchenwald   ist un­vergleichlich schön. Wir wollen seine Schilderung dem oben zitirten römi­schen Schriftsteller Tacitus   überlassen: ,, Auf einem Eiland des Oceans ist ein keuscher Hain, in demselben ein geweihter Wagen, in welchem, mit Kühen bespannt, die Göttin zu Zeiten im Lande umherfährt. Fröhlich die Feste und festlich die Orte, welche sie ihres Gastbesuchs würdigt. Die des Umgangs mit Sterblichen gesättigte Göttin fehrt zum Tempel zurück. Wagen, Gewand und die Göttin selbst werden im geheimen See gewaschen. Sklaven verrichten den Dienst, welche der See sofort verschlingt." Es ist die alte, ewig neue Geschichte, daß die Sklaven immer das Bad ausgießen müssen. Y.

Ausstellung der Drechsler und Bildschnitzer Deutschlands   und Desterreich- Ungarns   zu Leipzig  . III( Schluß). Gut zu nennen waren auch die von Franz Schneider in Leipzig   ausgestellten Sachen; namentlich ein großes Buffet mit in Eichenholz geschnitten Jagdstücken. Ferner eine in Eichenholz geschnißte Wanddekoration, deren Bestimmung man freilich nicht auf den ersten Blick erkennt, mit dem Standbild Shakespeares in der Mitte in einer Nische, auf den Seiten zwei Felder mit den Relief­Medaillonbildern Beethovens und Michel Angelo's  . Das Gesims wird von vier weiblichen Figuren getragen, die allerdings mit der auf der Standuhr der wiener Assoziation nicht konkurriren können. Der Sockel zeigt auf der einen Seite die berühmtesten Maler und Bildhauer der Renaissance, auf der anderen hervorragende Musiker und in der Mitte einige Szenen aus den Dramen Shakespeares in Hochrelief. Zu tadeln ist, daß die Figuren viel zu klein sind, um aus einiger Entfernung er­kannt zu werden. Der Sockel als tragender Theil hätte überhaupt etwas mehr Kraft aufzeigen können, wie auch die reiche und gut aus­geführte Ornamentik mehr zur Hebung des Ganzen beigetragen hätte, wenn sie weniger zimperlich wäre. Eine vorzügliche Leistung ist ein Salontischchen mit geschnißtem Gestelle und einer von Nußbaum-, Eben­und Mahagoniholz eingelegten Platte. An einem sonst gut ausgeführten Gestelle Rauchtischchen kann man es wohl nicht gut nennen ist zu tadeln, daß der Figur, welche in den ausgebreiteten Händen Streich holzapparat und Zigarrenabschneider hält, die Schale zur Aufnahme des Leuchters etwas zu gewaltsam in den Kopf eingesetzt wurde. So macht auch ein geschnitztes Uhrgehäuse einen etwas sehr groben Eindruck. Zwei Stücke vom Bildhauer Ebers( Leipzig  ): eine Füllung und ein Rahmen zeichnen sich sowohl durch stilvolle Behandlung wie durch saubere technische Ausführung aus. Ebenso eine von Bildhauer Schumann daselbst ausgestellte Staffelei nebst Mappe, in Nußbaum, im Stil der italienischen Renaissance und sehr reich ornamentirt. Weniger schön sind die auf der Bekrönung angebrachten kleinen Figuren. Von den Nürnbergern ist erwähnenswerth eine vom Schreiner und Holzschnitzer Kiefer geschnigte Truhe; auch bringt dessen Landsmann Behl recht schöne in Elfenbein geschnigte Sachen. An einem von diesem ausgestellten Sonnenschirmstiel gleichfalls Elfenbein kann man jedoch um des­willen keinen Geschmack finden, weil die zarte Hand, welcher das zweifel hafte Vergnügen einst zutheil wird, ihn zu tragen, nicht der Gefahr entrinnen kann, von der den Griff ausmachenden geflügelten Jungfrau

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| verstümmelt zu werden. Man sollte doch bedenken, daß so ein Stück nicht immer zur Schau dienen soll. Neben recht schönen Bilderrahmen, weniger guten Albumdeckeln, Roulette's u. dgl. haben die Nachkommen Albrecht Dürer's   und Peter Vischer's   sehr reichlich Schachspiele mit den dazu gehörenden Figuren vorgeführt, wobei erwähnt werden muß, daß die letzteren meist viel zu hoch sind, um zum Spiel praktisch zu sein. Auch findet man in den meisten andern Sachen keineswegs den Formenreichthum, wie die Kraft und Frische, welche uns die Meister­werke der größten deutschen   Repräsentanten der Renaissance aufweisen. Es ist dies kein besonders günstiges Zeugniß für die Gewerbtreibenden und Künstler Nürnbergs  , welchen wie denen in keiner andern Stadt so viele herrliche Vorbilder unserer großen Vorfahren zur Verfügung stehen. Stefan Zechmeister in Berchtesgaden   erreicht mit seinen Leistungen nicht einmal die bescheidenen Erfolge der bereits angeführten dort befindlichen Schnißschule. Die sein Aquarium tragende Kindergruppe ist plump und steif; die kleinen Figuren im Jagdkostüme an einer am Rücken an­gebrachten Vorrichtung aufgehängt, und an Stelle der Unterschenkel mit Gemshörner versehen, die ihre krummen Spigen vorn nach oben rich­ten, jedenfalls zum Aufhängen von Kleidungsstücken u. dgl. bestimmt. machen einen widerlichen Eindruck. Aehnlichen Unsinn findet man auch noch bei andern Ausstellern; so sah ich frei hängende Figuren, denen man an Stelle der Beine große frumme Geweihe in den Leib geschraubt hatte, daß derartige Sachen ohne Sinn und Gefühl hergestellt, folglich auch stillos sind, braucht nicht nachgewiesen zu werden. Von den ver­tretenen Thür- und Fenstergriffen hat, was exakte und saubere Aus­führung bei geschmackvoller Form anbelangt, ohne Frage die Firma Jßleib und Bebel das beste geleistet. In ihrem Interesse sowohl als in dem der Ausstellung hätte es aber nichts schaden können, wenn sie das Programm nicht so einseitig aufgefaßt und auch von den lobens­werthen Arbeiten in Bronze u. dgl., denen wir auf der Ausstellung im vorigen Sommer begegneten, einige mit vorgeführt hätte. Auch wäre den zwei schönsten Stücken, einer Handhabe aus Büffelhorn und einer Thürklinke aus Elfenbein etwas mehr Abwechslung in der Form zu wünschen; die vielen aufgehäuften Rundstäbe und Hohlfehlen erzeugen Monotonie und überladenen Charakter. Auch die Konkurrenten der genannten, Grunert und Lehmann, bringen manches Gute, erreichen jedoch in der Form erstere nicht. So trägt ein Thürgriff aus drei schwachen Hornstäben spiralförmig gewunden trop sauberer Ausführung doch allzusehr den Charakter der Spielerei. Abgesehen davon, daß so ein Ding von Thürgriff sich auch äußerlich als Griff darstellen soll, kann man einen, wie den angeführten, doch keineswegs herzhaft anfassen, ohne in Gefahr zu kommen, ihn zu zerbrechen. Der beste unter den Bronzegriffen, entworfen vom Baurath Lipsius, trägt seinem Zweck auch zu wenig Rechnung und zeichnet sich mehr durch die dem Komponisten eigene Sucht des Haschens nach Originalität als durch stilvolle Aus­führung aus. Einige recht gut komponirte, in Bronze ausgeführte fleinere und größere Griffe übergehen wir, da uns dieselben schon früher an anderen Orten als Originale von berliner Fabrikanten begegneten. Sehr schöne in Elfenbein geschnigte Gegenstände bringt Barcillot aus Berlin  . So zeigen z. B. sein ,, Christus am Kreuz" und die Statue eines antiken Mädchens nebst einigen kleineren Figuren das feine anato­mische Verständniß des Künstlers. Ein in Silber und Gold garnirter, in Elfenbein geschnitzter Becher ist gleichfalls sehr geschmackvoll aus­geführt. Zwei in demselben Stoff gearbeitete Spiegelrahmen gefallen weniger, weil die durchbrochenen Ornamente zu massiv sind; ein so feines und edles Material wie das Elfenbein verlangt entschieden zarte Formen. Verstöße dagegen können auch durch die sauberste Ausführung, die allen Arbeiten Barillot's nachgesagt werden muß, nicht paralysirt werden.- Erwähnung mag noch finden, daß von der sehr großen Anzahl von Tabakspfeifen viele schön genannt zu werden verdienen, viele darunter sind aber von solcher Größe, daß sie zu allem taugen, nur nicht zu ihrem Zweck: dem Rauchen. In ähnlicher Weise zeichnen sich auch viele Spazierstöcke aus, bei denen der Griff nur das eine ausdrückt: Rühr' mich nicht an! Wenigstens ist das entschieden der Fall an den von Gehrecke aus Elmshorn   ausgestellten, von denen der eine Griff ein häßlicher vorweltlicher Drache ist mit ganz spißen Hörnern und Flügeln, der andere ein Medusenkopf, welcher nicht minder gegen seine Benügung protestirt. Es ist geradezu unbegreiflich, wie solches Zeug hergestellt und auf einer Ausstellung dem Publikum vorgeführt werden kann. Zum mindesten zeigt aber diese traurige Thatsache von dem großen Mangel an Verständniß für stilvolle Behandlung. Man rede nicht von der Schuld des Publikums, welches vorwiegend solchen Unsinn verlange, wir haben es mit einer Ausstellung zu thun, die eben auch auf den Konsumenten erzieherischen Einfluß üben soll, die vielen verwerflichen Sachen auf dieser liefern jedoch den Beweis, daß sich ein großer Theil der verschiedensten Berufsarten selbst noch nicht klar ist über die Auf­gabe des Gewerbes. Fr. Nauert.

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Inhalt. Idealisten, von Rudolf Lavant  ( Fortsetzung).- Irrfahrten, von 2. Rosenberg( Fortsetzung). An der Wiege des Christen­thums. Kulturhistorische Skizze von C. Lübeck( Fortseßung). Die Entstehung des Tanzes einst und jeßt. Kulturgeschichtliche Skizze von Friedrich Volkmar. Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph v. B......( Fortseßung). Kreidefelsen bei Stubbenkammer auf Rügen  ( mit Illustration). Ausstellung der Drechsler und Bildschnißer Deutschlands und Desterreich- Ungarns   zu Leipzig  . III( Schluß).

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Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser   in Leipzig  ( Südstraße 5). Expedition: Färberstraße 12. II. in Leipzig  . Druck und Verlag von W. Fink in Leipzig  .