Ich segne diesen Gedanken und das glückliche Ungefähr, das uns hier zusammentreffen ließ." Er beugte sich mit einem schalt­haft scherzhaften Lächeln tiefer zu ihr herabe Ich wäre sehr geneigt, dies als eine Vorherbestimmung anzusehen."

Der Ton, in dem er das sagte, war ihr neu, er gefiel ihr, er schmeichelte ihr, ohne ihr Herz zu berühren. Sie empfand indeß mit feinem Tatt, daß, wollte sie sich nichts vergeben, im Gegentheil, das Interesse, das sie erregt hatte, steigern, sie nicht weiter darauf eingehen und dieser Konversation ein Ende machen müsse. Ueberdies waren sie dem Häuschen der Hofräthin sehr nahe gekommen und Elvira wollte nicht mit dem Baron gesehen werden. Sie langte also wieder nach ihrer Mappe, und er war zu gut erzogen, um sie ihr vorzuenthalten. Nur der bittende Blick seiner Augen deutete an, wie gern er sie noch behalten hätte.

,, Es ist die höchste Zeit, daß ich zu meiner Lektion mich ein­finde," sagte sie abwehrend, und darum leben Sie wohl, Herr Baron  ." Sie grüßte und schritt sogleich rascher aus, damit die Absicht andeutend, daß sie einen kleinen Vorsprung zu gewinnen wünsche.

Er war sofort wieder an ihrer Seite.

Mein Fräulein," begann er in einem dringenderen, in seiner Empfindung etwas karrikirten Ton, der sich selbst zu ironisiren schien. Brechen Sie nicht allzurasch und nicht in dieser schnöden Weise unsre kaum erst angeknüpfte Bekanntschaft ab, schicken Sie mich nicht fort."

Elvira blieb stehen und sah ihn an. Die tiefen, dunklen Augen trafen ihn eigenthümlich. Es war, als erriethen sie ihn, als durchschauten sie das falsche Spiel, das dieser Mann mit Weiberherzen zu treiben gewohnt war.

,, Mein Herr," sagte sie langsam und schroff, ein Zufall hat diese Situation und meinen Frrthum herbeigeführt; wir haben sie mit gutem Humor aufgefaßt und scherzhaft weitergeführt, aber wenn dies auch bisher passend gewesen, von nun an erscheint es mir nicht mehr in diesem Licht," ihr Ton ward noch kälter,-

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ich muß Sie daher ernstlich bitten zurückzubleiben und mich meinen Weg allein fortseßen zu lassen. Ich muß dies umsomehr verlangen, da ich auch Herrn Depauli ein weiteres Begleiten nicht gestattet hätte."

Der Bavon kniff die Augen und Lippen zusammen, aber außer dieser etwas spöttischen Grimasse verrieth nichts den Verdruß, den er verspürte, und seine Haltung gewann noch an Liebens­würdigkeit.

Ich füge mich Ihren Befehlen, mein Fräulein, Sie sollen mich für keinen Budringlichen halten, aber ich erbitte mir als eine Gnade, daß Sie mir Ihren Namen nennen; Sie kennen den meinigen."

Ich heiße Elvira Weiß."

,, Ich danke Ihnen, und nun lassen Sie mir eine kleine Hoff­nung, Sie wiederzusehen."

Sie nickte mit dem Kopfe. Es war ein Abschiedsgruß, es konnte auch eine Zustimmung bedeuten. Das Lächeln, das diese Geberde begleitete, war liebenswürdig und erlaubte doch keine Folgerung. Sie entfernte sich rasch, mit hocherhobenem Haupte, das sich auch nicht einmal mehr nach seiner Seite wandte. Er war stehen geblieben und sah ihr nach.

,, Ein reizendes Ding," dachte er. Eine Blume, noch voll Duft und Aroma. Und ich Glücklicher finde dergleichen, wo ich es am wenigsten gesucht. Natürlich, zu so seltenen Blüten führt nur ein glücklicher Zufall."

Er zog sein Cigarrenetui hervor und entnahm eine Havanna  , die er entzündete.

,, Elvira also, Elvira Weiß-" Seine Blicken folgten der hochgewachsenen, jugendlichen Erscheinung, bis sie in einer Biegung ihm entschwand. Nun," dachte er ,,, ich werde erfahren, wer, was und wo ihre Familie ist, und ob es gerathen wäre, diesem dunkel­äugigen, pikanten Geschöpfe in Liebe sich zu nahen. Vederemo!"

Er blies behaglich die kleinen Wölkchen vor sich hin und schlenderte langsam, die Stadt vermeidend, dem Flusse zu, wo seine Forellenfischer ihn erwarteten. ( Fortsetzung folgt.)

Ein Musterinstitut für volksthümliche Naturkunde; der botanische Garten zu Breslau  . Von Rothberg- Lindener.

Das Bild, das wir in den Gewächshäusern, kalt oder warm gehaltenen, sowie an den glasbedeckten Erdbeeten gewinnen, ist ein nicht weniger eigenartiges, sie von äußerlich ähnlichen Luxus­anlagen unterscheidendes. Kostbare Frühgemüse, Ananas, Melone, werden da nicht getrieben; lange Galerien mit den gleichmäßig runden dunklen Laubkronen der sogenannten Orangebäume suchen wir vergebens, auch die von der Mode grade in Beliebtheit ge­brachten, neuesten erotischen Gewächse finden wir nur in einer beschränkten, sich nicht verdrängenden und prunkenden Anzahl von Exemplaren vertreten unter der überaus reichen Mannichfaltig­keit bald den Blick fesselnder, bald ganz bescheidener, ja unan­sehnlicher, doch ebenso interessanter Gewächse der wärmeren Zonen aller Welttheile und altbekannter oder kaum erst der Forschung neu aufgeschlossener Länder.

Nachdem wir uns so über den abweichenden Eindruck klar geworden, den wir im breslauer botanischen Garten von dem eines bloßen Lurusparks zu erfahren erwarten müssen, wollen wir versuchen, durch eine orientirende Wanderung in seinen Gängen einen Ueberblick über den Inhalt, sowie eine Einsicht in die Mittel zu gewinnen, mit deren Hülfe dieser naturwissenschaftliche Lehr­garten volksbildend zu wirken trachtet.

Gleich nach dem Eintritt in den Garten, der von Morgens bis Abends 7 Uhr sich für jedermann frei öffnet, empfängt uns das schattige Laubgewölbe einer hochragenden Roßkastanienallee, die in grader Richtung weiter führt. Einige Tafeln mit An­schlägen ziehen unsere Blicke auf sich. Als wohldressirte Bürger eines Gesetzstaates beeilen wir uns, ihren Inhalt zur Kenntniß zu nehmen, um nicht vielleicht unversehens irgend welcher Ueber­tretung wegen in materielle Buße und moralische Gewissensbisse zu verfallen. Aber anstatt drohender Ge- und Verbotspara graphen, und außer der tröstlichen Versicherung, daß Trinkgelder hier keine offene Hand finden dürfen, überrascht uns eine orien tirende Angabe des gesammten wissenschaftlichen Inhalts des Gartens, sowie eine Aufführung der( 120) Vegetationsgruppen, in welche der ganze Pflanzenreichthum des Gartens eingetheilt

( 1. Fortsetzung.)

ist. Da derartige, bald gedruckte, bald geschriebene Anschläge und Tafeln von mancherlei Format und jeglicher Größe dem Besucher noch sehr häufig entgegentreten, so sei gleich hier be­merkt, daß dieselben allemal kurze Hinweise, Belehrungen, Er­gänzungen zu den zugehörigen Pflanzenaufstellungen enthalten, und daß diese Promemorien solcherweise das erste und wichtigste Mittel sind, den Besuch des Gartens für Verbreitung allgemeiner Kenntnisse ersprießlich zu machen. In der That, ein mitgeführtes, umfangreiches botanisches Lehrbuch würde für den nicht Bewan­derten von gar keinem Nugen sein, da er, um mit ihm vertraut zu werden, erst so viel Monate darin studiren müßte, als er zum Durchwandern des Gartens Stunden gebraucht.

Schreiten wir mit nun schon geschärfteren Blicken durch die Kastanienallee, so bemerken wir an diesen Bäumeu Anzeichen einer spiraligen Drehung der Stämme um ihre Aren, außerdem aber in der Längsrichtung laufende erhabene Leisten an der Rinde. Wir brauchen uns hier nicht mit den sonst üblichen Redensarten: Spiel oder Laune der Natur" über die Frage nach der Ursache der Erscheinung hinwegzutäuschen, denn Prof. Göppert belehrt uns aus seinen Beobachtungen, daß diese Zeichen nicht etwa, wie manche vermuthen würden, Spuren von Bligen seien, sondern davon herrühren, daß ein großer Theil unserer Bäume bei 15 bis 25 Grad Kälte mit lautem Geräusch aufspringt, oft bis über die Mitte des Stammes, aber sich wieder schließt, sobald mildere Temperatur eintritt, und daß in der wärmeren Jahreszeit die unter der Rinde liegende saftführende und das Wachsthum ver­mittelnde Gewebsschicht die Wunden durch Ueberwachsen zu heilen und zu vernarben sucht.

Links seitwärts aus dieser Allee tretend, gewahren wir eine interessante Pflanzenfamilie in eine umfangreiche Gruppe geordnet: es ist die der Haidesträucher( Erica), unter denen als Angehörige auch verschiedenerlei Alpenrosen von unsern Alpen, vom Kaukasus  , sowie vom Himalaya   und von Nepaul zu finden sind; jüngere amerikanische Eichen gewähren diesen Pflanzen den nöthigen Schutz vor zu heißer Sonnenwirkung, Eichen, deren Laub oft