Es sei eine Ueberraschung für Malchen, erklärte sie, ein Ballkleid, das heißt, sie wolle erst ein solches daraus machen.

,, Das wollen wir schon vollbringen," versicherte er ,,, ich kann sehr gut zuschneiden, und nähen kann ich auch."

Sie mußte unwillkürlich zu ihm aufsehen, der so hoch und statt­lich vor ihr stand und dessen scharfgeschnittenes, kühnes Gesicht mit den blizenden Augen so garnicht der Tradition eines Schneider= gesellen entsprach. So erschien ihr denn sein Antrag allzu drollig, und sie mußte herzlich darüber lachen.

Nein," sagte sie ,,, dergleichen will ich Ihnen nicht zumuthen." Sie?" wiederholte er gedehnt und runzelte dabei die Brauen. ,, Sind wir nicht allein und gönnst du mir da nicht das trauliche , Du'?"

,, Du!" sagte sie, und wie sagte sie's.

Ein Kuß lohnte sie dafür, aber der Lohn schien ihm noch zu gering. Minna versicherte aber, sie müsse sich nun ernstlich mit dem Ballkleid beschäftigen.

,, Siehst du," erklärte sie, das ist ein alter Stoff, den ich ge­waschen habe, ganz weiß ist er nicht mehr geworden und er sieht recht unscheinbar aus."

,, Sehr hinfällig, man pflegt das fezzig zu nennen." ,, Aber ich habe Malchen versprochen, ein schönes Kleid daraus zu machen."

Ich fürchte sehr, du wirst dies Versprechen nicht halten können."

,, Aber Friz, dann geht sie nicht, und dann gehe ich auch nicht, und dann-"

,, Dann könnte ich nicht mit dir tanzen? Minna, es ist mein sehnlichster Wunsch, er muß erreicht werden, und wenn wir zaubern müßten."

"

Ja, zaubern, das wollen wir," rief Minna, das Wort auf­fangend, voll fröhlichen Uebermuts. Wir wollen Rosenknöspchen darauf hinzaubern, in solcher Anzahl und Menge, daß man vor den Blümchen den Stoff nicht sieht."

,, Versteh ich dich recht, wir werden sie darauf malen?".

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,, So ist's."

,, Aber das ist ja eine herrliche Idee."

,, Die Idee ist von mir."

,, Dafür muß ich dich küssen." Er ließ die Tat dem Worte folgen.

,, Aber Frizz, wir müssen sehr fleißig sein."

,, Nun ja, wir werden fleißig malen und füssen."

Ich weiß nur nicht recht, wie wir das machen werden." ,, Das Küssen?"

,, Nein, das Malen!"

,, Wir malen mit Leimfarbe, das trocknet sogleich ,, Und patroniren die Knöspchen auf den Stoff."

" Bravo  , du hast Erfindungsgeist. Was sind wir für ein Paar! Wie werden wir unsre Hauswirthschaft einrichten! Praktisch und billig; ich werde dir alle Kleider malen, und unsre Möbel-"

,, Die wirst du mit Trockenöl anstreichen, das, wie mir scheint, die Eigenschaft hat, daß es niemals trocknet. Da, es klebt alles, sogar der Tisch,-aber Frizz, Friß!"

Ja, auch der Tisch," gestand Friß reumütig.

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Wohin sollen wir aber den Stoff ausbreiten, um ihn zu malen?"

Fritz überlegte einen Augenblick, dann brachte er eine Anzal Reißbretter und legte sie über die Tischplatte.

,, So, das ist rein und sicher," sagte er; und nun will ich gleich den Leim kochen und die Farbe mischen."

Das werde ich machen, Frizz, hier am Spiritus, schneide unterdessen die Patrone."

So tummelten sie sich voll regen Eifers, voll glücklicher Ge­schäftigkeit hin und her. Und aus dem alten Deckenfutter der seligen Eltern erblüten alsbald zarte rosa Knöspchen unter ihren Händen, und auch in ihrem Herzen knospete es und blüte es. Sie waren in der Rosenzeit der ersten Liebe und in der glück­lichsten im Menschenleben, besonders wenn die Liebe so rein und so genügsam bleibt, wie hier. ( Fortseßung folgt.)

Ueber die geistigen Geseke  , denen der Fortschritt der Civilisation unterworfen ift.( 1. Fortseßung.)

Der Verbreitung von Kenntnissen, und nur ihr allein, ver­danken wir das allmäliche Aufhören des größten Uebels, welches die Menschen je sich selber zugefügt. Denn daß religiöse Ver­folgung ein größeres Uebel ist, als irgendein anderes, leuchtet ein, nicht sowol aus der unendlich großen, ja fast unglaublichen Zal ihrer bekannten Opfer, als aus dem Umstande, daß die un­bekannten viel zalreicher sein müssen, indem die Geschichte uns feine Nachricht gibt von denen, die körperlich verschont wurden, damit sie geistig desto mehr leiden möchten. Wir hören viel von Märtyrern und Glaubenszeugen, von denen, welche durch das Schwert umkamen oder vom Feuer verzehrt wurden, aber wenig von der viel größeren Zal derer, welche durch die bloße Drohung der Verfolgung zum äußerlichen Aufgeben ihrer Ansicht getrieben wurden und dann, zu einem Abfall, vor welchem sich das Herz entsetzt, gezwungen, ihr ganzes übriges Leben in der Ausübung einer fortdauernden, erniedrigenden Heuchelei zugebracht haben. Dies ist der wahre Fluch religiöser Verfolgung. Wenn die Menschen gezwungen werden, ihre Gedanken zu verbergen, so entsteht die Gewohnheit, sich durch Verstellung zu sichern und Straflosigkeit durch Betrug zu erkaufen. So wird der Betrug eine tägliche Notdurft, Heuchelei eine Gewohnheit des Lebens, die ganze Haltung des öffentlichen Denkens verdorben und die Masse des Lasters und des Irrtums furchtbar vermehrt.

Ein anderes Uebel, welches der Menschheit unendliche Leiden verursacht hat, ist ohne Zweifel das Kriegfüren. Auch hier werden wir finden, daß jede Vermehrung der Intelligenz ein schwerer Schlag für den kriegerischen Geist gewesen ist. Mit den intellektuellen Erwerbungen eines Boltes vermindert sich die Nei­gung zum Kriege; in völlig barbarischen Ländern gibt es keine solchen Erwerbungen, der Geist ist eine leere, dürre Wüste, und so bleibt nichts übrig, als Tätigkeit nach außen; persönlicher Mut erscheint als das einzige Verdienst. Der Mann gilt nichts, der keinen Feind getötet hat, und sein Ruhm wächst mit der Zal der getöteten Feinde. Von diesem Zustand der Wildheit bis zu der Höhe der Civilisation fürt eine lange Stufenleiter; auf jeder Stufe verliert die Herrschaft der Gewalt etwas und gewinnt

alles

die Macht des Gedankens. Langsam, eine nach der andern, er­heben sich die intellektuellen und friedlichen Klassen; zuerst werden sie von den Kriegern tief verachtet, dennoch fassen sie allmälich Boden, nehmen zu an Zal und Macht und schwächen bei jedem Zuwachs den alten kriegerischen Geist. Handel, Verkehr, Industrie, Gesetze, Diplomatie, Literatur, Wissenschaft, Philosophie dies war ursprünglich unbekannt und wurde dann zu einer be­sondern Aufgabe für eine besondre Klasse, deren jede nun für das Ansehen ihres Tätigkeits- oder Wissenszweiges nach Kräften wirkte. So wird mit dem Forschritt der Kultur ein Gegengewicht erlangt und der kriegerische Eifer durch Beweggründe aufgewogen, von denen nur Kulturvölfer geleitet werden können, weil sich bei ihnen gewisse Klassen der Gesellschaft gebildet haben, welche bei der Erhaltung des Friedens interessirt sind und deren vereintes Gewicht genügt, den Klassen, in deren Interesse der Krieg liegt, die Wage zu halten). In einem zurückgebliebenen Zustande der Gesellschaft drängen sich hervorstechende Talente zur Armee, so wie aber die Gesellschaft sich weiter entwickelt, eröffnen sich neue Quellen der Tätigkeit und entspringen neue Berufsarten, die einen wesentlich geistigen Charakter haben und dem Talent Ge­legenheit zu edlerem Erfolge bieten.

Wärend in der alten Geschichte die Hauptkrieger nicht nur Männer von bedeutender Bildung, sondern auch von umfassendem Geiste und in jeder Hinsicht die ersten ihrer Zeit waren, wie Themistokles, Epaminondas  , Perikles  , Alcibiades  , Demosthenes  , Thucydides  , Xenophon   und viele andre, finden wir dagegen in der neueren Geschichte, seit dem sechzehnten Jahrhundert, unter dem Kriegerstand nicht zehn Schriftsteller, welche jene Alten als Autoren oder Denker erreicht hätten. Selbst Gustav Adolf  , Friedrich der Große, Cromwell, Washington  , Napoleon können nicht für tiefe Denker in schwierigen Gegenständen gelten und haben auch nichts Bedeutendes zu dem Schatz unsrer Wissenschaft hinzugefügt.

*) Für unsere europäischen ,, Kultur" völker teilweise noch Zukunfts­Red. mufit."