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zum Troß sollte ich ein Pfarrer werden. Nunmehr ist Pfarrer und Maler an mir verdorben. Allein mein ganzes Herz hängt an der Kenntniß der Malerei und der Alterthümer." Er trat endlich über, aber so viel steht fest, er tat es nicht um schnöden Gewinn, auch nicht aus Grund einer Glaubensänderung, sondern einzig und allein, seinen brennenden Wissensdurst zu stillen. Für ihn ,, hatte die katho­lische Religion nichts anzügliches. Er sah in ihr nur das Maskenkleid, das er umnahm," so spricht Göthe   über diesen Aft. Gewiß, die An­name eines Glaubens wider die bessere Ueberzeugung hinterläßt einen Flecken auf dem Charakter eines Mannes, aber hatte sein ,, Bekehrer" nicht noch weniger respektable Motive, als er ihn, den ,, als einen gründlich geborenen Heiden   die protestantische Taufe zum Christen ein­zuweihen nicht vermögend gewesen"( Göthe  ), zum Zweck der Erlangung einer glänzenden Stellung in ,, dieser Welt" benüßte! Dann hat unser Dichterfürst wohl auch nicht Unrecht, wenn er sagt, daß der Graf Bü­nau durch den Einfluß seiner gesellschaftlichen Stellung oder indem er ein theures Buch weniger gekauft, ihm diesen Schritt hätte ersparen fönnen. Aber auch noch an maßgebenderer Stelle wäre man durch eine fleine Ersparniß an den verschwenderischen Ausgaben für fürstliche Ver­gnügungen im Stande gewesen, einen der größten deutschen Männer in das Land seiner Wünsche zu bringen, ohne daß er sich dem Gerede des Philisterthums preiszugeben brauchte. Hier hätten also die, welche seine Talente kannten, durch Fürsprache das erringen können, was er sich später durch seine literarischen Leistungen selbst erkämpfte. Genug, in Die den Augen vorurtheilsfrei Denkender hat W. nichts verloren. Schwarzröcke, die Jesuiten   ausgenommen davon ist der erwähnte Pater Rauch, der es ehrlich meinte und ihm viel Gutes erwies hatten denn auch die Absicht, ihn zu ihren Zwecken zu benüßen, indem sie ihn baten, sich durch seine Gelehrsamkeit um die katholische Kirche  verdient zu machen; er ging jedoch nicht darauf ein. Freilich blieben auch vorläufig die versprochenen Unterstüßungen aus. Nachdem er sei­nen Dienst bei Bünau quittirt, zog er nach Dresden  ( Oft. 1754), wo er vom Dezember ab bei dem Maler Deser wohnte. Sein Umgang mit diesem führte ihn mehr und mehr in die Kunst ein, er zeichnet jezt wirklich, ferner der Verkehr mit bedeutenden Kunstkennern för­derte seine Kenntnisse bedeutend. Das Resultat war die Schrift: Ge­danken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst", welche er auf Anrathen des allmächtigen Ministers Brühl   dem König August widmete. Diese Abhandlung) war die Ver­anlassung, daß ihm vom Könige 200 Thaler auf zwei Jare zur Reise nach Rom   bewilligt wurden. Den 24. September 1755 reiste er von Dresden   ab und traf am 18. November in der Stadt ein, welche seit vielen Jahren das Ziel seiner Wünsche gewesen. Eine ausführliche Schilderung der nun folgenden letzten dreizehn Jare seines Lebens würde an dieser Stelle zu weit führen. Von den drückendsten mate­riellen Sorgen nun befreit, lebt er auf in diesem ungebundenen römi­schen Leben, und es ist der beste Beweis seiner genialen Beanlagung, daß nach so langer Zeit der Entbehrung und Gelehrtentätigkeit sein Geist, sein ganzes Wesen sich die Elastizität und Jugendfrische erhalten hat, um sich nicht allein den neuen Verhältnissen anzuschmiegen, son­dern sich mit kühnem Schwung über Zeit und Zeitgenossen zu erheben. Anfangs eine große Zahl deutscher Künstler antreffend, ist es vor allem Raph. Mengs, der berühmte Maler, mit dem er schließlich nur allein verkehrt, von dem er lernt, und bald verfaßt er unter dessen Einfluß seine erste römische Schrift über die Statuen des Belvedere  ; er verwirft jedoch den ersten Entwurf, da er ,, nur Originelles" leisten will und liefert eine neue Bearbeitung. Veröffentlicht wurde die Schrift nicht, aber die Beschreibungen des Apollo, Laokoon   und des Torso des Her fules sind in seine Kunstgeschichte übergegangen. Mit den Kardinälen Archinto, Passionei verkehrt er theils freundschaftlich, theils steht er in deren Diensten; mit dem berühmten Alterthumskenner und-Sammler Philipp v. Stosch in Florenz   steht er erst in brieflichem Verkehr, um für dessen Neffen nach dem Tode des ersteren nach Florenz   zu gehen und dort die große Sammlung des Verstorbenen zu ordnen, einen Katalog abzufassen und zu veröffentlichen. Mehrere Reisen nach Neapel  bereichern unsere Literatur mit den Sendschreiben über die Ausgra­bungen zu Pompeji   und Herculaneum   und außerdem erscheinen noch verschiedene kleinere Abhandlungen über die Werke der plastischen und monumentalen Kunst. Das Hauptwerk, welches seinen Ruf für ewige Zeiten erhalten wird, ist seine Geschichte der Kunst des Alterthums.- Seit 1759 war W. Bibliothekar und Aufseher der Alterthumssammlung des Kardinals Albani, der ihm Freund und Gönner war und blieb, und später wurde er Präsident der Altertümer Roms. Mehrere An­träge von deutschen Höfen realisirten sich nicht aus den verschiedensten Gründen. Er möchte aber doch gern Deutschland   und die dortigen Freunde besuchen und reiste im April 1768 ab. Schon als er die ita lienische Grenze überschritt, überfiel ihn die Sehnsucht nach Italien   und nachdem er Augsburg  , München   und Regensburg   besucht, gab er seinen Reiseplan auf und kehrte über Wien   zurück. Von dort reist er am 28. Mai nach Triest  , hier gesellt sich zu ihm ein ganz ordinäres, erst aus der Strafanstalt wegen gemeiner Verbrechen entlassenes Subjekt, Arcangeli mit Namen. Dieser wittert in dem umfangreichen Gepäck W.'s große Reichtümer, das geheimnißvolle Betragen desselben unter­stüßt seine Erwartungen und am 8. Juni 1768 überfällt er ihn mit

*) Ueber die Werke Winkelmanns selbst gedenkt die Redaktion der N. W. gelegentlich eine Besprechung zu veröffentlichen.

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Dolch und Schlinge in demselben Moment, wo Winkelmann eine An­weisung für den Drucker einer neuen Ausgabe seiner Kunstgeschichte schrieb. Einige Stunden, während denen er sein Testament machte, darauf war er nicht mehr. Sein Mörder wurde ergriffen und hinge­richtet. So starb der Mann, der Vaterland und Kirche verlassen mußte, um draußen in der Fremde den Platz einzunehmen, welchen ihm der Genius angewiesen, auf der Höhe seines Ruhmes einsam und unerkannt durch fünf tödtliche Brustwunden unfähig gemacht, sich zu nennen. Mögen einige Worte Göthe's diese kurze Darstellung eines so bewegten Lebens schließen: ,, Er hat als Mann gelebt und ist als ein vollständiger Mann von hinnen gegangen. Nun genießt er im Andenken der Nachwelt den Vorteil, als ein ewig Tüchtiger und Kräf­tiger zu erscheinen; denn in der Gestalt, wie ein Mensch die Erde ver­läßt, wandelt er unter den Schatten und so bleibt uns Achilles   als ewig strebender Jüngling gegenwärtig. Daß Winkelmann früh hinwegschied, tommt auch uns zu Gute. Von seinem Grabe her stärkt uns der An­hauch seiner Kraft und erregt in uns den lebhaftesten Drang, das, was er begonnen, mit Eifer und Liebe fort- und immer fortzusehen." Fr. N.

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Ueber die deutschen Auswanderungsschiffe brachte die wissen­schaftliche Zeitschrift Gesundheit" vor kurzer Zeit einen Artikel, dessen Inhalt wir hier in möglichst gedrängtem Auszuge wiedergeben, weil sich uns durch vielfache Umfragen und Nachforschungen ergeben hat, daß alle darin enthaltenen Angaben durchaus auf Warheit be­ruhen und ein Bild von der Misere geben, die auf unsern Auswande­rungsschiffen herrscht, wie es kaum treffender gezeichnet werden kann. Der Verfasser des Artikels besuchte unlängst in Hamburg   eines der für die Auswanderung eingerichteten großen Dampfschiffe einige Tage vor seiner Abfart und erhielt eine grauenvolle Vorstellung von der Art, in welcher jene armen Leute die Reise über den Ocean ausfüren. Die Höhe des weiten Zwischendecks, in welchem sich die Schlafräume für die Auswanderer befinden, beträgt kaum die Hälfte der Höhe eines Wonzimmers in guten bürgerlichen Wonungen. Große Gevierte sind durch Holzplanken abgeteilt, welche nicht bis zur Decke gehen, sondern mit ihrer oberen Kante etwa 21/2 Fuß von derselben abstehen. In diesen eingeplankten Räumen, zwischen denen ein schmaler Gang übrig gelaffen ist, sind die Schlafstellen eingezimmert, dicht neben einander, immer ein Bettraum für zwei Personen und so neben einander gelegt, daß es nicht möglich ist, in jedes Bett einzeln zu kommen, son­dern daß man über eine Reihe von Betten hinwegsteigen muß, um zu dem mittelsten zu gelangen, also auch über die Schläfer, wenn deren bereits in den Betten sich befinden. So nebeneinander liegend einge­pfercht, bei Einzel- Reisenden Fremder zu Fremden gefügt, wie es ge­rade der Zufall gegeben hat, müssen die Unglücklichen ihre Nächte ver­denn außer bringen und auch ihre Tage, wenn die See unruhig ist, diesem Schlafraume ist höchstens noch ein für die Menge der Anwesen­den viel zu kleines Konversationszimmer oder das obere freie Deck zum Aufenthalte der Zwischendeckspassagiere angewiesen. Man denke sich die jeder Beschreibung spottenden Scenen, wenn die See hol geht und bei den vielen hunderten Passagieren, welche sämmtlich der See­fahrt nicht gewont sind, die Seekrankheit gleichzeitig ausbricht. Man denke sich, daß mehrere derselben von einer ernsten, oder gar von Der Verfasser ließ sich einer ansteckenden Krankheit befallen werden! das Krankenzimmer" zeigen, und wurde in ein kleines Zimmerchen gefürt, in dem etwa drei Kranke erträgliche Unterkunft finden konnten. Zur Zeit war dieses mit allerlei Geräten für Kranke und Gesunde voll­gestaut, aber nicht für den Krankendienst eingerichtet, obwol das Schiff demnächst in See gehen sollte. Das ganze Zimmer" war so klein und unfreundlich, daß eine erbärmliche Dachkammer daneben ein ge­mütlicher, in jeder Hinsicht ungleich gesünderer Raum genannt werden muß. Gegen den Gang durch Holzwand fest verschlossen, war es mittels einer kleinen Luke trübe beleuchtet, aber nicht mit einer Venti­lationsvorrichtung versehen. Wenn ein Leidender mit einer stark eitern­den Wunde, ein Typhuskranker, ein vom gelben Fieber, von der Ruhr oder selbst nur von einem Darmkatarrh Befallener   das Zimmer be­nußte, so mußte in wenigen Stunden die Luft desselben eine so ver­dorbene sein, daß sie nur nachteilig auf den Verlauf der Krankheit wirken konnte. Wie erst auf die anderen, gleichzeitig zum Aufenthalt in diesem Kämmerchen Verurteilten. Es ist nicht zu verwundern, wenn auf deutschen Auswanderungsschiffen die Kinder in großer Anzal sterben. Werden sie in den oben beschriebenen angeblichen ,, Kranken­raum" gebracht, so kann das nicht anders als nachteilig wirken, ja, es muß den Tod herbeifüren, wenn neben ihnen noch Erwachsene durch schädliche Krankheitsausdünstungen die Luft verpesten. Will die Mutter den armen Geschöpfen die Woltat reiner Luft gewären, so muß sie die kleinen Kranken auf das Deck tragen, und dabei sezt sie die zarte Kinderlunge einem durch Grellheit verderblich wirkenden Wechsel aus, wenn auf die dunstige, stinkende, heiße Luft des Krankenkämmerchens die reine, ozonreiche, kalte Luft über den Meereswogen plötzlich ein­wirkt; und dann gelangt das arme Geschöpfchen wieder in den Dunst und Qualm des allgemeinen Schlafraumes.

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Der oben erwänte Schlafraum, welchen wir sahen, war für eine große Zal von Menschen bestimmt; die genaue Ziffer vermögen wir nicht mehr anzugeben; daß aber über 200 Personen darin schlafen sollten, ist sicher. Insofern war auf Sittlichkeit und Anstand Rücksicht