387
brauchen 18 Grad, meine Seidenwürmchen, nicht mehr, nicht weniger; und wenn die Castalda nicht heizt in dieser Nacht, und wenn sie nicht bei meinen Cavalieri Wache hält, den Termometer in der Hand, so sind sie verloren und meine einzige Revenue ist mit ihnen zum Teufel gegangen!"
Die Castalda ist verläßlich, übrigens kanst du selbst morgen nach Murano faren und nachsehen."
-
So, morgen, nachsehen!? Und was meinst du, das ich da sehen werde? Meine Cavalieri sind in der zweiten Häutung, meinst du, daß sie dabei heiter und guter Dinge sind? Haha, fie liegen jezt alle unbeweglich, und ich wüßte meiner Seel' die Toten von den Lebendigen nicht zu unterscheiden, und das wird dauern heute haben wir Montag" sie begann an den Fingern zu zälen- ,,, Dinstag, Mittwoch, Donnerstag: Donnerstag werden sie wieder lebendig, dann werden sie wieder zu fressen anfangen, dann werde ich sie besuchen. Dime, dann erst werde ich meine Verluste übersehen und meine Toten zälen können!" Sie schneuzte sich heftig, und fur dann behutsam mit dem Tuche gegen die mit venetianischer Kunst geschmückten Augen, um einige Tränen zu trocknen, die der Kummer um ihre Cavalieri ihr erpreßt hatte.
Mama," bat Elena, ich möchte mit dir nach Murano , ich möchte auch die Cavalieri besuchen; und wäre es da nicht schick lich, daß wir uns von einem Cavaliere begleiten ließen?" Sie lachte über ihren gelungenen Einfall. Ja, ja, Signor Depauli wird unser Ritter sein."
Alfred verbeugte sich.
,, Sie kennen unsere Vigna noch garnicht, die wir auf Murano haben?" fragte Juanna.
,, Nur nach einer Zeichnung, die Sie davon gemacht, die Ansicht mit dem alten Gebäude im Mittelgrund war sehr interessant." ,, D, beleidigen Sie Mama nicht, dies alte Gebäude ist ihre Villa."
,, Sie gefällt mir außerordentlich, ich möchte sie selbst einmal nach der Natur aufnemen."
,, Das können Sie tun" sagte Signora de Vita. ,, Bon, es ist entschieden, Sie faren mit uns," rief Elnna in die Hände schlagend ,,, und Juanna soll auch mit, auch sie muß den Cavalieri ihre Aufwartung machen, und la favoritta wird ebenfalls mitgenommen."
Sie nam den Pintsch in ihre Arme und tänzelte mit ihm, wie mit einem Kinde, im Zimmer herum, ihn herzend und küssend, ihn hierauf, da er sich über diese Liebkosungen unwirsch zeigte, an das offene Fenster sezend.
Alfred war Juanna näher gerückt und die beiden waren als dann in ein lebhaftes Gespräch über Kunstangelegenheiten und die jüngsten Vorgänge an der Akademie vertieft.
Sie sprachen französisch.
A propos," rief Juanna und ein lebhaftes Interesse sprüte in ihren Augen auf ,,, was ich gehört habe! Der König von Siam soll in den lezten Tagen die Akademie besucht haben, und er hätte Ihnen den Antrag gemacht, an seinen Hof nach Bankok zu kommen."
Alfred lächelte:„ Man hat Ihnen das erzält?"
"
-
" Ja, und man hat hinzugefügt, daß dieser Monarch sich lebhaft für die westländische Kultur interessire und daß er deshalb mit seinem Kriegsminister nach Europa gekommen sein soll, um diese zu studiren." Ein sarkastisches Lächeln umspielte ihre Lippen, die Richtung dieser Kulturbestrebungen wäre dadurch hinlänglich illustrirt, dächte ich; aber nicht der Kriegsminister allein, auch der Leibarzt ist mitgekommen und dieser, ein Europäer, ein Deutscher, soll Se. Majestät die dringlichsten Vorstellungen gemacht haben, daß nebst dem Zündnadelgewehr auch etwas Kunst und Wissenschaft zur Modernisirung eines Staates unbedingt notwendig sei, und der Monarch soll ihm hierauf zur Heranziehung der nötigsten Kräfte plein pouvoir gegeben haben."
,, Nun wäre dieser Doktor, wie ich höre, zufällig Ihr Freund, der Ihr Talent zu schäzen weiß und sich's nun angelegen sein läßt, Sie für seine Pläne zu gewinnen. Sagen Sie mir nun, was an diesen Gerüchten Wares ist."
11
"
So ziemlich alles, Madame," versicherte Alfred. Doktor Emminger hat mir in der Tat die glänzendsten Propositionen gemacht, er hat mir das Leben eines Fürsten und Geld und Ehren aller Art versprochen, wenn ich mich entschließen fönte, auf einige Jare nach Bantot zu gehen; ich müßte die Reise dahin, aber sogleich mit ihnen antreten."
-
Ah, das ist wirklich interessant, und Sie?"
" Ich war durch die Berichte meines Freundes, durch seine Schilderungen von Land und Leuten, von den hochinteressanten Studien die da zu machen wären, die in der phantastischen Welt eines orientalischen Fürsten einem Künstlerauge sich aufdrängen müßten, auf's äußerste angeregt, ja geradezu entusiasmirt. Ich erwog zugleich die großen pekuniären Vorteile, die mir daraus erwachsen würden und verglich damit die Bedrängnisse meiner jezigen Lage und ihrer geringen Aussichten für die Zukunft.
,, Wie anders, wenn ich von diesem Märchenlande zurückkehre, man würde meine Bilder schon ihres fremdländischen Reizes willen sehen wollen und kaufen.""
,, Und Sie haben den Antrag also angenommen?" fragte Juanna rasch.
" Ich habe ihn abgelent," sagte Alfred ernst, fast traurig. Juanna sah ihn erstaunt und forschend an.
Weshalb?"
,, Ich habe Weib und Kind."
"
Um somehr Grund, gierig nach einer Gelegenheit zu greifen, die diesen selbst in jeder Hinsicht nur Vorteil bringen kann. Ihr Kind wird es Ihnen einst Dank wissen, glauben Sie mir, daß Sie nichts verabsäumten, Ihrer Carriere eine so glänzende Richtung zu geben, es könnte also nur die Stimme einer engherzigen Frau sein, die sich dagegen erhebt." Juannas Stimme war schärfer, fast hart geworden und sonderbar kontrastirte dagegen der weiche melancholische Ton, in welchem Alfred, als ob er zu sich selbst spräche, entgegnete:
" 1
Marie!? ich habe ihr noch nicht einmal davon gesprochen." " Sind Sie im Voraus Ihrer Misbilligung so sicher?" " Ach Madame, Sie kennen meine Frau nicht, sie liebt mich so innig, und sie kent keinen andern Willen als den meinen." „ Aber dann sind Sie ja Herr Ihrer Entschlüsse, dann sind Sie ja frei!"
" Frei!" wiederholte Alfred mit schmerzlicher Bitterkeit ,,, ich füle mich nur um so gebundener. Wenn meine Frau ihr Wol und Wehe selbst zu erwägen imstande ist, wenn sie in einem vernünftigen Egoismus sich allem entgegen stellt, das ihren Anschauungen und Gewonheiten zuwider ist, das ihre Empfindungen verlezt, ihre Existenz unleidlich machen könte, nun gut, dann weiß der Mann, in wieweit er seine Herschaft geltend machen kann, in wieweit er sich selbst zu fügen hat. Er fült sich sicher und kräftig dieser Opposition gegenüber; die Diskussionen beginnen, man erläutert, man erklärt, und wird sich dadurch selbst über vieles klar. Man überzeugt und sezt seinen Willen durch, der nun auch der Wille des andern geworden, oder man gibt nach, weil man eingesehen hat, daß dies Nachgeben eine Notwendigkeit geworden ist; furz man hat den streitigen Punkt gemeinsam durchberaten, ihn von allen Seiten beleuchtet, und war imstande, das bessere, oder, sagen wir, wenigstens von zwei Uebeln das kleinere zu wälen. Aber nun stehe man einmal der Passivität gegenüber, einem Weibe, daß sich uns so ganz ergeben, daß es keine Meinung außer der unseren, keinen Willen mehr als den unseren hat, und wenn man somit vollständig der Herr und Meister dieses Wesens geworden, dann wird die Verantwortung, die ein ehrlicher Mann auch für das Glück seines Weibes übernommen, schwer und drückend auf ihm lasten. Meine Marie begert nicht, daß ich sie um Rat frage, tue was du willst, sagt sie, ich weiß ja, es ist das beste; und wenn ich sagen würde, komm mit nach Indien , so wird sie alles verlassen, und sie wird nicht fragen, wie wird es mir dort ergehen? und wird meine angegriffene Gesundheit, meine schwächliche Konstitution, das veränderte Klima, die veränderte Lebensweise ertragen können? nein, sie wird mitkommen; und wenn ich sage, bleibe zurück, ich verlasse dich, ich gehe allein in die Welt, um mein Glück zu suchen, so wird sie mich nicht zurückhalten, sie wird mich scheiden sehen, still ergeben, wenn ihr auch darüber das Herz bricht. Nein nein, ich kann das nicht verschulden, ich kann eine so schwere Verantwortung, die mich, mich ganz allein treffen würde, nicht auf mich laden."
Das junge Weib hatte ihm aufmerksam zugehört, unverwant sah sie in das blasse, erregte Antliz dieses jungen Mannes, der sie so wol verstand; ein tiefes Mitleid spiegelten ihre Augen wieder und unwillkürlich streckte sie ihm die Hand entgegen, als müsse sie ihm Hülfe bringen und Trost. Ihre Stimme bebte wie in inniger Teilname, als sie nun leise erwiderte:
,, Und wenn Sie der Ungunst der gegenwärtigen Zeitverha. nisse unterliegen, wie ihr so viele und tüchtige Kräfte unterliegen werden; und wenn nun die Sorge, die gemeine Sorge, das Brot