Gegengist erweisen gegen die Auswüchse einer harten, geldsüch­tigen, egoistischen Zeit. Wir sind heutzutage so viel von der äußerlichen Welt in Anspruch genommen, daß wir etwas haben müssen, was mit uns von dem Mond und den Sternen plau­dert, wenn es auch in etwas zu überschwänglicher Weise ge­schiet."- Ferner: Der allergrößte Irrtum des denkenden Menschen bestet darin, daß man den Hauptzweck des Wissens falsch auf faßt und ihm eine ganz unrichtige Stellung anweist. Denn der Mensch gibt sich dem Verlangen nach Belehrung und Erkentnis aus verschiedenen Gründen hin: manchmal aus natürlicher Neu­gierde und Forschbegier, manchmal auch, weil man Abwechslung und Genuß für den Geist sucht; bisweilen ist Ruhmsucht das veranlassende Moment, ein andermal soll es im Streite des Wizes zum Siege verhelfen, am häufigsten aber ergibt man sich dem Studium von Berufs wegen und um des Gewinnes willen. Diesen lezteren Punkt haben hauptsächlich diejenigen im Auge, welche oft den Spruch citiren, daß Wissen Macht ist."-( Meine Novelle, II. Band, pag. 519.)

-

Niemand wird ableugnen, daß derartige Reflexionen den Leser zu ernstem Nachdenken anregen; wer allerdings nur zu seiner Unterhaltung liest, findet dieselben ermüdend oder gar langweilig; allein sie sind wenn es sich um Beurteilung eines Autors handelt, insofern von Interesse, weil sie uns den Dichter als Echo einer bestimten Zeit und deren geistiger Richtung darstellen. Devereur ist der erste historische Roman Bulwer's  , und ist dieses Werk ganz nach Walter Scott  'scher Manier ausgearbeitet und enthält wieder meisterhafte Schilderungen der vornemen Ge­sellschaft von Paris   und London  . Die nächste Arbeit Bulwer's  , der 1830 publizirte Roman ,, Paul Clifford" ist der erste, eigent liche Criminalroman der damaligen Zeit; derselbe erregte unge­meines Aufsehen und wurde von der Kritik beinahe einstimmig scharf getadelt; man warf Bulwer   vor, daß er die Verbrecher zu interessanten Helden stemple, und verspottete die, dem Straßen­räuber Clifford in den Mund gelegten sentimentalen Tiraden. Ein Jar später erschien ,, Eugen Äram", welche Arbeit gleichfalls mehr Tadel als Lob erntete. Es liegt diesem Werke eine tiefere Bedeutung zugrunde; Buliver will für die Rechte der von der menschlichen Gesellschaft oft verkanten Verbrecher kämpfen, und verwandelt durch seine lebhafte Phantasie und wunderbaren, psy­chologischen Räsonnements einen Mörder in einen Helden. Wenn wir auch die ganze Anlage, die lebhaften Schilderungen, die schöne Natur- und Seelenmalerei bewundern müssen, so bleibt eben die Moral eine durchaus falsche, ungesunde; dennoch ist das Buch ein höchst merkwürdiges.

Im Sommer 1831 wurde Bulwer  , als entschiedener Vertreter der Reform, zum Parlamentsmitglied erwält, und obgleich er seine literarische Beschäftigung jedem andern Lebensberuf vorzog, so fonte er doch diese Wal nicht ablehnen. Nun kam sein Redner­talent zur vollen Geltung und Anerkennung, er errang damit bei verschiedenen Gelegenheiten die glänzendsten Triumphe und er­regte allgemeines Aufsehen. Dennoch war seine politische Lauf­bahn ihm nicht genügend, die literarische Tätigkeit erschien ihm allein würdig, sein Hauptlebenszweck zu bleiben. Im Jare 1832 übernam er sogar noch die Leitung des New Monthly Magazine" und bald erschienen in diesem Blatte seine geistreichen Essays, viele philosophischen Skizzen, literarische Kritiken, wovon die Ab­handlung über England und die Engländer" durch ihre offene, ehrliche Kritik vielen Beifall fand.

Bulwer   war ein unermüdlich fleißiger Arbeiter. 1833 er­schienen die Pilger des Rheins" und" Godolphin". Die er­schienen ,, die stere Dichtung ist höchst poetisch, von durchaus zarter Empfin­dung belebt; sie schildert die Geschichte eines idealen Liebesver­hältnisses, dessen Heldin an einem unheilbaren Bruſtleiden stirbt; das ganze ist durchwebt von rheinischen Sagen, Elfenmärchen und Träumen, aber stets mit einem Hauche duftiger Poesie und tief- religiöser Hoffnung auf die Unsterblichkeit der Seele. Wenn wir das Leben Bulwer's überblicken, so liest sich dieses Gedicht wie etwas Selbsterlebtes, und die Erkentnis des menschlichen Lebens zeigt sich als eine wehmütig- schmerzliche.

Godolphin ist ein Gegenstück zu Pelham, nur mit etwas me­lancholischem Anfluge und kann als eine der weniger gehaltvollen Arbeiten des Dichters bezeichnet werden. Das Buch bietet nichts wesentlich neues, es sind die glänzenden Schilderungen der fashio­nablen Welt, aber one tieferen Gehalt.

-

Im Sommer 1833 fülte sich Bulwer   nach einer längeren Parlamentssession so ermüdet und überarbeitet, daß er auf den

467

| Rat seines Arztes das milde Klima Italiens   aufsuchte, um sich dort von seiner anstrengenden politischen sowie literarischen Tätig­keit zu erholen. Es war dies des Dichters erste Reise nach dem Süden, und er benuzte dieselbe mit bewunderungswürdigem Fleiße zu neuem Studium. Wärend seines Aufenthalts in Rom   arbeitete er seinen Roman Rienzi  ", und in Neapel   Die lezten Tage von Pompeji  " aus. Die Kritik hat längst diese beiden Arbeiten als beste bezeichnet, was Bulwer   jemals schrieb, und mit vollem Rechte. Wir bewundern an diesen beiden Werken nicht nur das eingehende Studium des Altertums und der Geschichte, sondern auch die prachtvolle Darstellung aller Begebenheiten und Charaktergestalten auf dem Hintergrunde der großartigen Natur des Südens. Die lezten Tage von Pompeji  " sind, nach Bulwers eigenem Berichte, größtenteils in der nächsten Nähe der Ruinen von Herkulaneum  und Pompeji   geschrieben worden. Die Schönheit der Sprache und Diktion im" Rienzi  " ist von erhabener Wirkung; wie er schütternd z. B. ist die Beschreibung der Ermordung von Cola Rienzi's jüngerem Bruder, und dem furchtbaren Eindruck, welchen dies Ereignis auf Rienzi   ausübte. Beide Werke wurden nicht nur in England, sondern in ganz Europa   mit lebhaftem Beifall begrüßt und werden jezt noch zu den besten historischen Romanen gezält.

"

"

Kurz nach dem Erscheinen von Rienzi" wurde Bulwer  , welcher inzwischen durch eine politische Flugschrift( Offener Brif an John Bull  , Esq."), die in drei Wochen zwanzig Auflagen erlebte, der Regierung große Dienste geleistet hatte, in den Baronetstand erhoben. Nach kurzer Ruhezeit trat Bulwer   auf einem andern Gebiete geistiger Tätigkeit auf und errang auch auf diesem große Erfolge. In den Jaren 1836-39 war er hauptsächlich als Dramatiker tätig; sein erstes Drama:" Die Herzogin von La Vallière" wurde in London   aufgefürt, errang aber nur einen Achtungserfolg; dagegen wurde das ein Jar später erschienene Drama: Die Dame von Lyon  ", im Coventgarden- Theater mit durchschlagendem Beifall aufgenommen; desgleichen das historische Schauspiel ,, Richelieu  ", sowie das Lustspiel Geld". Alle hervor= ragenden, glänzenden Eigenschaften, welche die Romane Bulwers kenzeichnen, finden wir in seinen Dramen wieder: künstlerische An­ordnung und Gruppirung, geistreicher Dialog, effektvolle Szenen, meisterhafte Entwicklung. Dennoch hat wol der Dichter selbst empfunden, daß er auf dem Gebiete des Romans die reichsten Lorbeeren ernten werde, weshalb auch seine Laufbahn als Drama­tiker nur eine kurze war. 1836 veröffentlichte Bulwer   eine aus­gezeichnete Uebersezung der Gedichte Schillers, eine vortreffliche und mühevolle Arbeit, welche in England nicht genug gewürdigt worden ist und deren Wert das deutsche Volk besser zu beurteilen verstand. 1837 erschien der Roman Ernest Maltravers", 1839 dessen zweiter Teil" Alice", Bulwer   widmete dieses Werk dem großen, deutschen Volke, einem Volke von Denkern und Kritikern". Der Dichter selbst erwänte, daß er in diesen beiden Romanen die in Goethe's  " Wilhelm Meister  " ausgesprochene Idee einer moralischen Erziehung zur Anschauung zu bringen gestrebt habe. Mit welchem Erfolge er dies tat, muß dem Verständnis jedes einzelnen Lesers überlassen bleiben. In Maltravers" und" Alice" tritt Bulwers Eigentümlichkeit die Reflexionen mehr als in allen früheren Arbeiten zutage. Mit seinem nächsten Buche: " Nacht und Morgen" kehrte Bulwer   zu der früher mit Paul Clifford" und" Eugen Aram" betretenen Bahn der Kriminal­romane zurück und entwickelte wieder ein höchst interessantes, aber düsteres Bild aus dem Leben der Verbrecher, aber auch der höheren Klassen der Gesellschaft." Lanonc" sowie" Lucretia oder die Kinder der Nacht" gehören auch noch dieser düsteren Abteilung der bulwer­schen Sensationsarbeiten an.

-

-

Die 1843 und 1845 herausgegebenen Romane: Der lezte der Barone" und" Harald, der lezte Sachsenkönig" fanden nicht den warmen Beifall, welcher den früheren Arbeiten Bulwers zu­teil geworden war; sie waren als historische Romane zu gelehrt für das große, durch Walter Scotts farbenreiche Schilderungen verwönte Publikum.

Mit seinem Romane Die Cartons" betritt Bulwer   das Ge­biet des humoristischen Romans und errang auch auf diesem Er ließ dieses Buch anonym Felde einen glänzenden Erfolg. erscheinen und bekante sich erst dann als Autor, nachdem die Kritik dieses Werk als ein ausgezeichnetes anerkant hatte. Bulwer  nante es eine Familiengeschichte" und sezte auf das Titelblatt das Motto:" Jede Familie ist in sich selbst ein Stück Geschichte und sogar ein Gedicht für diejenigen, welche dessen Seiten zu lesen ver­stehen." Die einfache Darstellung eines Stückes Familiengeschichte