in diesem Fall mit unsrer persönlichen Lage in Beziehung, so pflegt er uns sehr wenig zu gefallen: wer möchte sich nicht gern irgendwie und wo über den Durchschnitt erheben?

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Bei Gelegenheit des Kapitels Physische Geographie  " ist uns in der Schule beigebracht worden, daß wir das Glück haben, in einem durchschnittlich gemäßigten Klima zu leben, welches im all­gemeinen" der menschlichen geistigen und körperlichen Entwicklung am zuträglichsten sei und in welchem bei einer Durchschnitts­temperatur des Jares von etwa 8 Grad die nüzlichsten Kultur­gewächse gedeihen. Nun ist aber der Monat April, dessen mittlere Temperatur am meisten mit der des Jares übereinkomt, bekant­lich der übelst beleumdete Monat in unsern Breiten. Um unsre Kultur würde es in der Tat schlecht bestellt sein, wenn wir gleich mäßig wärend des ganzen Jares die Witterungs- und Temperatur­verhältnisse des April erleiden müßten. Wärend wir nun die klimatischen Abweichungen vom mittlern Wärmezustand im Winter und Sommer als etwas natürliches hinnemen, haben wir doch in beiden Jareszeiten das Bedürfnis, denselben wenigstens innerhalb begrenzter Räume auf fünstlichem Wege abzuändern. Die Mittel, unsern persönlichen Bedürfnissen entsprechend im Winter Wärme zu erzeugen, sind seit den frühesten Zeiten aufgesucht, vermehrt, neuer­dings aber wesentlich in Bezug auf ökonomische Ausgiebigkeit und rationelle Verwendung vervollkomnet worden; sie waren in diesen Blättern bereits Gegenstand eingehender Besprechung.

Das dringend empfundene Bedürfnis, durch künstliche Mittel in beliebiger Intensität an begrenzten Orten Kälte zu erzeugen, ist dagegen erst im Gefolge der jüngsten Kulturfortschritte, beson­ders gewisser technischer Anforderungen und neugewonnener hygie­nischer Einsichten zutage getreten. Wir dürfen hierbei nicht ver­gessen, daß der Begriff Kälte" ein ganz verschiebbarer ist, der im Interesse der Popularisirung der Wissenschaft am besten ganz ausgemerzt würde. Man würde dann leichter begreifen, daß sämtliche Körper auch unterhalb des Gefrierpunktes des Wassers sich in einem gewissen Wärmezustand befinden, was ja nichts weiter besagt, als daß ihre kleinsten Teilchen gewisse schwingende Bewegungen ausfüren, deren Zu- und Abname noch weit unter­halb des Eispunktes mittels des Quecksilber-, des Alkohol- oder Lufttermometers beobachtet werden kann, die aber auch unterhalb der für uns jezt möglichen tiefsten Beobachtungsgrenzen nicht auf­hören. Der früher auch von der Wissenschaft gesuchte absolute Nullpunkt der Temperatur" muß nach den jezigen Anschauungen vom Wesen der Wärme und der Materie als ein Unding betrachtet werden. Kälteerzeugung soll also hier nichts andres bedeuten, als Temperaturerniedrigung auf künstlichem Weg, sei es nun bis ober- oder unterhalb des Eispunktes.

Die am längsten bekante und auch schon im Mittelalter in beschränktem Maße benuzte Metode der Kälteerzeugung ist die durch Verdunstung einer Flüssigkeit. Es ist bekant, daß beim Sieden von Wasser dessen Temperatur troz fortgesezter Wärme­zufürung beständig gleichbleibt, da der entstehende Dampf diesen Wärmeüberschuß allein in sich aufnimt, der aber nur als ver­mehrte Schwingungsweite seiner Moleküle, nicht als Temperatur­erhöhung warnembar ist. Die Wärmemenge, welche beim bloßen Verdunsten von Wasser, one Erhizen desselben, wie es bei jeder Temperatur stattfindet, gebunden wird, ist mit Rücksicht auf die Temperatur und Menge der entstehenden Dünste ebenso groß, als die beim Sieden gebundne. Diese Wärmemenge wird aber hier dem nicht verdunstenden Teile der Flüssigkeit und seiner nächsten Umgebung entzogen. Es entstet also bei jeder Ver­dunstung Kälte und umsomehr, je schneller sie geschiet und je rascher die entstehenden Dünste beseitigt werden. Das ist experi­mentell sehr deutlich nachweisbar mittels der Luftpumpe. Wird unter dem Rezipienten derselben ein Gefäß mit Wasser und da neben ein andres mit rauchender Schwefelsäure_gebracht, und die Luft alsdann gut ausgepumpt, so wird das Wasser zu lebhafterem Verdunsten gebracht und zugleich werden die Dünste von der Schwefelsäure so rasch absorbirt, daß die Verdunstungskälte das Wasser zum Gefrieren bringt. Noch leichter gelingt der Versuch, wenn man zwei flache Glasschalen auf einandersezt, von denen die untere mit Wasser gefüllt ist, wärend die obere, in dasselbe eintauchend, Schwefeläter enthält. Dieser verdunstet im luft­verdünten Raume rapid und entziet die dazu nötige Wärme dem Wasser, das ebenso schnell gefriert. Schwefeltolenstoff bringt unter denselben Bedingungen eine Kälte von 60 Grad hervor, sodaß es Quecksilber, auf welches man es gegossen hatte, erstarrt. Auch dadurch kann man das Quecksilber in einer Termometerfugel zum Gefrieren bringen, daß man sie mit Baumwolle umwickelt, in

Aeter oder besser noch in flüssige schweflige Säure taucht, schnell in der Luft schwingt und dies mehrmals rasch hintereinander wiederholt.

Um ihr Trinkwasser abzukülen, fertigten die spanischen   Mauren schon ihre Alkarazas, das sind unglafirte Krüge von porösem Ton. Indem das Wasser durch die zalreichen Poren äußerst fein verteilt nach der äußern Fläche durchsickert, verdunstet es hier lebhaft, und es tritt eine Abkülung des Wassers um einige Grade ein, die um so stärker ist, jemehr solch ein Krug einem kräftigen Luftzug ausgesezt wird. Man hat diese Külfrüge neuerdings wieder bei uns in Aufname zu bringen gesucht, aber mit geringem Erfolg. Beim Hindurchziehen durch die poröse Wand des Kruges bleiben nämlich innen die im Wasser suspendirten festen Teilchen fizen und haften so fest, daß sie durch sorgfältiges Reinigen doch nicht entfernt werden können; das Wasser erhält dann dauernd einen schlammigen Geschmack. Dieser Uebelstand wird durch eine in jüngster Zeit patentirte Verbesserung in der Konstruktion erfolg­reich behoben. Die Külfrüge werden danach mit doppelter Wan­dung hergestellt. Die innere Hölung ist glasirt und kann leicht gereinigt werden; das Külwasser ist getrent davon in dem Hol­raum zwischen beiden Wänden und kann nach Durchdringung der unglafirten äußern verdunsten. Es kann bei dieser Einrichtung jedes beliebige Getränk mittels Wasser abgekült werden. Die größten bisher zu wissenschaftlichen Zwecken hergestellten Kältegrade sind durch Verdunstung von zu Flüssigkeiten kompri mirten, für gewönlich gasförmigen Substanzen hervorgebracht. Läßt man tropfbar flüssig gemachte Kolensäure nach und nach aus einem Gefäß ausströmen, so erhält man weiße Flocken fester Kolensäure. Durch die Verdunstung eines Teils der flüssigen wird dem Rest so viel Wärme entzogen, daß sie bis 60 Grad unter Null erkaltet und erstarrt. Wenn man auf diese starre Kolen säure noch Schwefeläter gießt, so erhält man ein breiiges Gemisch von 78° Kälte. Eine sehr erheblich tiefere Temperatur läßt sich aber noch erzielen durch Kompression von Stickstoffoxydul zu einer Flüssigkeit. Mischt man dieser Schwefeltolenstoff bei und läßt unter der Luftpumpe verdunsten, so sinkt die Temperatur auf 140 Grad unter Null, wärend das flüssige Stickstofforydul allein eine solche von 88 Grad besizt.

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Die durch rasche Verdunstung sehr flüchtiger Flüssigkeiten, wie verschiedner Aeter, von Ammoniak, Schwefelfolenstoff u. a. her­vorgebrachte Verdunstungskälte ist in neuerer Zeit in verschiedens artigen Eismaschinen praktisch muzbar gemacht worden. Mit Vor­teil haben diese Maschinen wol nur dann gearbeitet, wenn außer gewönlich milde Winter den bedürftigen Gewerben die Einbringung haltbaren Natureises nicht gestattet; denn die durch ihr Verdunsten Kälte vermittelnden Substanzen sind meist noch zu kostspielige Che­mikalien, und wenn sie auch zu immer erneuter Verwendung möglichst sorgfältig aufgefangen und kondensirt werden, so kommen doch bei dem jähen Temperaturwechsel, dem einzelne Teile dieser Maschinen unterworfen sind, leicht Undichtheiten vor und dann ist die explosive und stark gesundheitsschädliche Natur der meisten dieser Dünste ein sehr bedenklicher Faktor.

Es machte sich ferner lange Zeit als eine Hauptschwierigkeit bei Bereitung von künstlichem Eis die geltend, es in kompakten, klar durchsichtigen Blöcken zu erhalten, statt deren man immer nur blasige, milchig trübe Stücke erhielt. Es rürte das aber nur von der im Wasser enthaltenen Luft her, die bei dem schnellen Gefrieren in Blasen im Eise eingeschlossen blieb; durch Anbringung einer Rürvorrichtung, die das Wasser bis zum Moment des Frierens in Bewegung erhält, wird das Entweichen der Luft be­fördert und klares Eis erzielt.

Die Abkülung, die wir mittels Eisstücken in einem mehr als 0 Grad warmen Raum zustande bringen können, steigt natürlich nicht unter 0 Grad, da das Eis zu schmelzen begint und diese Temperatur solange konstant beibehält, als noch ein Stückchen vor­handen ist. Man kann also unter solchen Umständen mit Eis allein nicht eine Flüssigkeit mit tieferem Schmelzpunkt zum Ge frieren bringen. Falls es sich nun darum handelt, zu gewerb lichen oder wissenschaftlichen Zwecken eine feste oder flüssige Sub­stanz auf eine tiefer als 0 Grad liegende Temperatur oder zum Gefrieren zu bringen, erweist sich, zumal für mäßige Quantitäten, die Metode der Auflösung gewisser Salze in Wasser oder der sogenanten Kältemischungen noch als die vorteilhafteste, einfachste und gefarloseste.

Wenn ein festes Salz mit einem Lösungsmittel, welches für die allermeisten Wasser ist, gemischt wird, so wird seine Kohäsion aufgehoben; es treten im allgemeinen zwei physikalische Erschei­