andauernde Abwesenheit der schönen Frau zu beklagen. Er hatte es gelernt, ihren Willen und auch jede ihrer Launen jederzeit und unter allen Umständen zu respektiren.
Elvira hielt ihre Siesta. In leichten, feinen Mousseline gekleidet, der nirgends beengend ihre Gestalt umwallte, lag sie auf einer breiten Ottomane und sie dehnte und streckte sich auf dem sammetartigen, orientalischen Teppich mit innigem Behagen. Sanft geneigt rute ihr Kopf auf einem farbigen, reich gestickten Seidenpolster, und die Arme, von denen die weiten Aermel zurückgefallen waren, legten sich in graziöser Rundung über denselben zusammen.
Es war kül in dem Zimmer und so lauschig still. Ein feiner Duft, der durch das offene Fenster drang, durchwehte es; es war Jasmin und Rosendust, und Elvira wante sich mit halbgeschlossenen Lidern diesem Fenster und der offenstehenden Tür zu, von der die Portièren zurückgeschlagen und von wo man hinaus auf die sich wölbenden dunklen Lauben von Kirschlorbeer und Immergrün sah. Die hochstehende Sonne hatte einen Goldschimmer darüber gelegt und nur vereinzelte Stralen vermochten das dichte Blätterwerk zu durchdringen.
Elvira hatte ein Lächeln einer fast wonnigen Befriedigung. Es tat ihr wol, einen so poetischen Winkel zu haben, wo jeder Strauch und jede Blume sie rürte und erfreute: eine ware Idylle. Hier konte sie ausruhen und träumen; ach ja, träumen! Es war ihrem Herzen Bedürfnis. Sie atmete tief auf, war's nicht ein Seufzer? Sie schlürfte die milde, mit Blumendust erfüllte Luft ein, und plözlich kam ihr der Gedanke wie eine bange Ahnung, daß sie nur in Tränen von hier scheiden, daß sie nur weinend dies Eden verlassen werde.
Eugen zündete sich die dritte Cigarette an und blies kleine Dampfwölkchen vor sich hin. Er hatte soeben ein Feuilleton beendet, das die Erfolge Elvira's besprach und ihre Leistungen in den Himmel erhob. Er nickte und lächelte selbstgefällig:" Sie ist eine große Künstlerin und ich habe sie dazu gemacht. Sie wird enorm viel Geld verdienen," war eine weitere Betrachtung, und er rechnete aus, wie viel ihre Kunst ihr schon eingebracht, und wie viel mehr sie ihr noch in Zukunft einbringen werde. Wenn sie wollte, sie könte davon leben." Und da fiel es ihm ein, daß sie faktisch schon davon lebe. Sie hatte in lezter Zeit nichts von ihm angenommen, sogar seine Geschenke zurückgewiesen. In Mailand war sie wärend ihres ganzen Aufenthalts Gast der Gräfin Dellaqua gewesen, in Venedig hatte sie den sonderbaren Einfall, ihre Hotelrechnung selbst zu bezalen, und die Miete für ihren jezigen Aufenthalt will sie auch auf ihre Rechnung sezen lassen. Er schüttelte den Kopf und machte ein bedenkliches Gesicht. Ihre Delikatesse mir gegenüber ist warlich übertrieben und ich finde sie sogar beleidigend.
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Er verfiel in Nachdenken. Es erschien ihm mit einemmale Es erschien ihm mit einemmale nicht ganz flug gehandelt, daß er dieses Mädchen der Selbständigkeit entgegengefürt hatte; aber wie denn, ein solches Talent mußte doch verwertet und zur Anerkennung gebracht werden, und sie hätte sich vielleicht auch one ihn zur Selbständigkeit durchgerungen. Er lächelte.„ Nein, sie hätte dies nicht vermocht, troz ihrer Energie. Sie weiß das recht gut. Sie weiß, daß sie untergegangen wäre, wenn ich sie nicht gehalten, wenn ich sie nicht mit meinem Gelde unterstüzt hätte und mit meinem Einfluß. D, sie kent die Verbindlichkeiten, die sie mir gegenüber hat, sie weiß, daß sie mir Dank schuldig ist. Für ihren Stolz könte dies Gefül freilich ein drückendes werden, und jezt, wo man ihr jeden Triller mit Gold bezalen wird, und wo sie mich also nicht mehr braucht" er stampfte heftig mit dem Fuße auf- ,, ah, kann man denn überhaupt auf Dankbarkeit und auf Beständigkeit bei diesen Weibern rechnen! Und wenn sie sich nun in der bekanten Treulosigkeit ihres Geschlechts von mir lossagte?- Ich glaube, ich würde mich one sie entsezlich langweilen, ich habe mich einmal daran gewönt, daß man mich um ihretwillen beneidet. Und ich bin auch beneidenswert" unwillkürlich blickte er nach der Tür, die ihm verschlossen blieb, und seine Miene nam im auffälligsten Kontrast zu seinen Worten einen recht kläglichen Ausdruck an-, „ ach, ich wäre es noch viel mehr, wenn sie nicht so launenhaft wäre, so unausstehlich eigenwillig, wenn ich nur einige Macht über sie gewänne!" Diese Gedanken schienen ihn ernstlich zu beschäftigen. Er lehnte sich zurück und machte kleine Augen. Das verschiedenste ging ihm durch den Sinn. Dann fräuselte doch wieder ein Lächeln seine Lippen.„ Ich glaube, sie hat es nur darauf abgesehen, und alle ihre Manöver find wol berechnet.
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Diese Prüderie und Strenge sind nur Mittel, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Die Schlaue! Sie will eine Pression auf mich ausüben, sie will mich dadurch zwingen, sie zur Frau Baronin ich zu machen. Nun, sie soll dies gewünschte Ziel erreichen, bin sest entschlossen,-man heiratet zwar gewönlich nicht seine Geliebte, aber bei ihr ist alles erzeptionell, wie sie denn selbst eine reizende Ausname von jeder Regel ist."
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Er war in seinen Reflexionen soweit gekommen, als Friz Berger gemeldet wurde.
Eugen erhob sich und empfing den Eintretenden mit liebenswürdiger Jovialität. Er sagte ihm, daß Elvira noch in ihren Appartements sei; er möge einstweilen mit ihm vorlieb nemen. Er bot ihm Cigarren an und gab sich in allem so ganz als der Herr des Hauses.
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Friz fülte, wie die alte Antipatie gegen diesen Mann erwachte. Es sollte das erstemal sein, daß er ihn in dem engen Kreise der Häuslichkeit mit Elvira zusammenfand. Ihr gegenseitiges Verhältnis mußte ihm da ganz deutlich werden, und er sollte Zeuge ihrer Vertraulichkeit sein. Ein peinliches Gefül erstand ihm, ein heftiger Unwille brante in ihm auf. Sein Besuch war unumgänglich geworden, aber er sollte so kurz sein als möglich. Eugen plauderte in lässiger Behaglikeit vom Teater und begann Friz die günstigen Chancen auseinander zu sezen, die für ihn aus seinem Gastspiel mit der Bianca resultiren würden. Wenn Sie durchschlagen, und ich zweifle nicht mehr daran, so können Sie sagen: Mein Glück ist gemacht. Aber dann müssen Sie Sich auch sogleich aufs hohe Roß sezen, beachten Sie das wol. Sie müssen unverschämte Forderungen machen; Marchetti wird Zetermordio schreien, aber er wird sie erfüllen. Der Teufel auch! Und wenn Ihre Stimme weniger wert wäre, als sie es in der Tat ist, wo friegte er gleich wieder so einen hübschen Tenoristen her, der ihm die Damenwelt ins Teater lockt. Ah, mein Freund, beim Teater gelten die physischen Vorzüge einzig und allein. Ich kann Ihnen übrigens verraten, daß Marchetti Sie mit nach London und Petersburg nemen will. Nach dieser Kampagne können Sie dann Ihren Jugendtraum war machen, an dem Sie vor vier Jaren so heftig laborirten, hahaha! Wissen Sie, die kleine Handarbeiterin, ein üppiges, allerliebstes Mädchen! Aber Sie haben die Kleine wol schon vergessen? Nun ja, beim Teater! Ich sagte Ihnen im voraus, daß das so kommen wird. Sie würde Sie nur genirt haben. Sind Sie einmal ein akkreditirter Tenor bei der italienischen Oper, so werden Sie in allen Großstädten mit Herzoginnen und Fürstinnen die intimsten Be ziehungen anknüpfen können, ich versichere Sie, es wird nur an Ihnen liegen."
Friz fülte in diesem Augenblick den Baron so tief unter sich stehen, daß er ihn einer ernsten Erwiderung nicht für wert hielt, und so antwortete er denn in scherzhafter Ironie, die gleichwol etwas schneidiges hatte:
„ Ich bin Ihnen für die gute Meinung, die Sie von mir haben und für das verlockende Prognostikon, das Sie mir da stellen, unendlich dankbar, und ich bedaure nur, daß all' diese glänzenden Aussichten an dem einen Umstande scheitern dürften, daß ich dem Teater sobald als möglich und für immer den Rücken
wende."
Eugen sah ihn etwas verdugt an, er wußte nicht ganz, wie er das zu nemen habe, ob er auch recht verstanden; aber es blieb ihm keine Zeit, sich darüber Gewißheit zu verschaffen. Die Por tièren wurden auseinander geschlagen und Elvira überschritt die Schwelle.
Hatte sie einen Teil des Gespräches vernommen? Auf ihrer Stirne brante das jäh aufsteigende Rot zorniger Scham, das ebenso rasch schwindet, wie es gekommen..
Friz hatte ihr einige Schritte entgegen getan und blieb nun vor ihr stehen.
Sie trug jezt eine Robe von crêmefarbigem Foulard, die so kurz war, daß sie den reizenden, mit einem schwarzen Atlasstiefel bekleideten Fuß nicht verdeckte. Ihr schönes Har war nur flüchtig geordnet, da sie es erst abends vor der Vorstellung frisiren ließ; in die losen Wellen, die ihren Hals umwogten, waren einige Rosenknospen gesteckt, die bei jeder Wendung des Kopfes, als wollten sie sie füssen, sich an ihre Wangen schmiegten. Sie streckte ihm die Hand entgegen und hieß ihn willkommen. Dann begann sie sich's in einem kleinen Fauteuil bequem zu machen, und sie bedeutete ihn, seinen vorigen Plaz wieder einzunemen.
Eugen rüdte ihr ein Tischchen zu, auf dem einige artige Spielereien und mehrere Fächer aufgehäuft lagen; er selbst hatte