Homer nahegestellt wurde, von dem uns aber nur wenige Frag mente gerettet wurden, standen als Satiriker besonders in An­sehen Simonides  ( 670 v. Ch.), der seine Geißel besonders über das schöne Geschlecht schwang, und Hipponax   aus Ephesus  ( 540 v. Ch.). Der leztere, flein  , hager und mißgestaltet, wurde, der Sage nach, von dem Bildhauer Bupalus in karikirender Uebertreibung dargestellt und rächte sich dafür mit Spottversen, durch welche er überhaupt seinen schlimmen Zeitgenossen furchtbar wurde. Eine hipponarische Lobpreisung hieß daher bei den Alten ein poetisches Pasquill.

Seine größten Triumphe feierte jedoch der Geist der Satire bei den Griechen in der Komödie, dem Haupttummelplaz des satirischen Geistes. Es wird notwendig sein, bevor auf dieselbe eingegangen wird, einiges über das griechische Drama zu be­merken. Das griechische Drama, sagt Scherr, erscheint eng ver­knüpft mit Athen  , der glorreichen Stadt, in welcher sich über­haupt alle vereinzelten Strahlen hellenischer Kultur wie in einem Brennpunkte sammelten, von welchem sie über den Erdkreis auf gehen sollten. In dem verhältnismäßig engen Raum von Attikas Hauptstadt drängte sich binnen einer kurzen Reihe von Jahren eine große Zahl ausgezeichneter Männer zusammen, um, be­günstigt von der Freiheit eines demokratischen Gemeinwesens, im Staatsleben, in Wissenschaft und Kunst eine Fülle von Weis­heit und Schönheit zu offenbaren. Athen   war so recht die Stadt der Intelligenz der alten Welt. Hier lenkte ein Perikles den Staat; hier brachte ein Phidias   die höchsten Anschauungen und Gedanken des Hellenismus zur edelsten, vollendet schönen künstlerischen Erscheinung; hier lehrten nach einander Sokrates, bom delphischen Orakel als der Menschen Weisester begrüßt, dann Platon  , der Homer   der griechischen Philosophie," und Aristoteles  , der universellste und systematischeste Kopf des Alter­tums. Aus Solons Gesezgebung hatte sich hier die Demokratie entwickelt, diese der Vernunft am meisten entsprechende Staats­form, weil sie allein vom Recht des Menschen ausgeht und jedem Möglichkeit und Raum gibt zur freien Entwicklung seiner Fähig feiten und Kräfte gegenüber dem Drange des Bedürfnisses und der Schranke des Gesezes. Innerhalb dieser Demokratie, welche seit Athens   hochherrlicher Rolle in den Perserkriegen das Hellenen tum politisch und geistig repräsentirte, entwickelte sich die höchste Kunstform der griechischen Poesie, das Drama.

Die Anfänge der griechischen Dramatik verlieren sich in das Dunkel der Sage und ihr Ursprung führt auf den religiösen Kultus des Gottes Dionysos  ( Bacchus) zurück, wo man anfangs die begeisterten lyrischen Gesänge, die sog. Dityramben, welche von Chören zu Ehren des Gottes vorgetragen wurden, mit Tanz und Geberden verband, bis man allmälich zur Darstellung des Inhalts dieser Gesänge mittels Rede und Handlung überging. Diesen Uebergang soll zuerst Solons Zeitgenosse Thespis ge= macht und sich zur Schaubühne eines mit Brettern bedeckten Karrens( Thespiskarren) bedient haben und zwar derart, daß er auf dem Karren oder Wagen eine bekannte Person in Bewegung, Geberden, Reden und Handlung nachahmite, während der Chor, damals noch als Satyre verkleidet, um den Wagen herum tanzte. Der erste Gegenstand, den Thespis   in dieser Weise auf die Bretter brachte," war kein Geringerer, als Solon   selbst. Aus der einzelnen darstellenden Person wurden allmälich mehrere Schauspieler, zum Monolog gesellten sich Wechselgespräche. Auf diese Weise entwickelte sich das Drama und schon zur Zeit der Perserkriege und in den nächsten Jahrzehnten blühten die größten dramatischen Dichter Aeschylos  , Sophokles   und Euripides  , welche das ernste Drama, das Trauerspiel, die Tragödie*)

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*) Das Wort Tragödie wird gewöhnlich Bocksgesang übersezt( von tragos Bock und ode Gesang), indem entweder der Siegespreis bei den Wettgefängen ein Bock gewesen sei, oder bei den Dionysosfesten ein Bock geopfert wurde, oder auch weil der singende und tanzende Chor Satyre  vorstellte, welche zum Gefolge des Bacchus gehörten und mit Bocksfüßen tryx Weinhefen, Träbermost, indem die Winzer an den Bacchusfesten sich mit Schilf und Ephen zu bekränzen und ihr Gesicht und ihre Hände mit Weinhefen zu beschmieren bezw. zu schminken pflegten. Das Wort würde also mit Kelter- und Mostgejänge wiederzugeben sein.

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zur höchsten Vollendung brachten. Auf die Tragödie folgte häufig ein scherzhaftes Satyrspiel, von dem uns nur ein ein­ziges Muster aufbehalten blieb: Der Kyklop  " von Euripides  , ein föstliches Stück. Aus diesen Satyrspielen entwickelte sich die griechische   Komödie*), die etwas später als die Tragödie ihre höchste Blüte erreichte. Man unterscheidet an der attischen Ko­mödie eine alte, eine mittlere und eine neuere. Die wahre und rechte ist die alte, d. h. die politische, welche in schrankenlosem Walten des Spotts Zustände und Personen der Wirklichkeit und Gegenwart zu ihrem Vorwurf nahm( während die Tragödie ihren Stoff den Myten und Heroensagen entnahm). Auch in der Komödie war es Athen  , wo dieselbe ihre volle Bedeutung als Kunstform erhielt und hier zeigte sich in ihr ein absolut demo­kratischer Geist, der mit einer schrankenlosen Freiheit, wovor uns polizirten Epigonen die Haut schaudert, alle göttlichen und mensch­lichen Verhältnisse, den Staat in seiner Gesammtheit wie in seinen einzelnen Repräsentanten und Führern, in das Bereich der Komik, der Ironie, des Wizes und Hohnes hereinzog und das ganze politische, sittliche und geistige Leben der damaligen Zeit malte und strafte. Platonius, ein alter Schriftsteller über Komödie, bestimmt ihren Zweck deutlich dahin: daß die Rechts= gleichheit eingeführt und das Volk zur höchsten Gewalt in Staats­sachen erhoben würde."

Die Freiheit der Komödie war gesezlich sanktionirt, Perikles  selbst mußte ihren Spott vielfach ertragen und sogar ein Kleon, der von ihr so heftig und bitter verfolgt, so schonungslos an den Pranger gestellt wurde, wagte es nicht, ihr Zügel anzu­legen. Die attische Komödie, sagt R. Nikolai, die jüngste Form der griechischen Nationalpoesie, von Kratinos   begründet und von Eupolis veredelt und reich patriotisch befruchtet, gedieh unter den Händen geistesverwandter Wortführer zum Organ der Deffentlichkeit und entfaltete, zeitweilig durch Beschränkungen von Staatswegen und durch Gewalt niedergehalten, in Perifles' Zeitalter schnell und mächtig unter dem Schuz der erstarkenden Demokratie ihre volle Blüte. Erfinderisch und ohne an Tradition oder überlieferte Formen gebunden zu sein, folgt sie frei, mit Satire und Parodie gerüstet und getrieben vom Geist des Wizes, der Laune und des Mutwillens, dem Zuge ihrer Genialität, sucht, indem sie Ernst unter Scherz, Kontrast und Frivolität ver­hüllt, zu ergözen, den Geschmack zu läutern und das Urteil der Menge frei und intelligent zu machen. Nicht als leichtsinnige Volksbelustiger oder Umstürzler, sondern als Vertreter der Frei­heit, durchbrungen von dem Bewußtsein, daß Athen  , die Metro­pole des Ruhms und Glanzes, dem Verfall entgegeneile, ge­boten die Komiker Einhalt und Vernunft, da es noch Zeit war. Vor ihrem Richterstuhl erfährt alles, was täuscht, zuchtlos ist und Wunden zeigt, im Staatsleben, in Gesellschaft, Schule, Haus, Kunst, Literatur und Religion, eine nicht tiefe, aber ſtrenge und wohlmeinende Zensur ohne Gunst und Unterschied: der erhabene Olympier Perifles in seiner menschlichen Schwach­heit, der Demagog wie der Aristokrat, der kriegslustige, ver­hätschelte Alfibiades wie der gefürchtete Sykophant, die ganze Bürgerschaft in ihrer Schlaffheit, unschlüssigkeit und Urteilslosig­feit, in ihrer Laune, Willkür und Ueberhebung, in ihrer Pro­zeßsucht und Geldgier; die modesüchtigen, unsittlichen Weiber, die unreife, von sophistischer Krankheit angesteckte Jugend, die Auswüchse des Geschmacks in Poesie und Kunst, kurz alles was der öffentlichen Kritik bedurfte. Selbst Götter und Herven mußten es sich gefallen lassen, in ihren Schwächen und Blößen dargestellt und unsterblich lächerlich gemacht zu werden. Die alte Komödie, welche im athenischen Gemeinwesen dieselbe Bedeutung hatte wie in den neueren Staaten die Tagespresse der Oppo­sition, gibt so das schönste Zeugnis sowohl von der großen Aus­dehnung der demokratischen Freiheit in Athen  , als von dem gut­

mütigen Humor des Volkes, das solche Strafreden und Züch­tigungen über sich ergehen ließ, und von dem sittlichen Ernst der

Dichter.

*) Komos ein feierlicher Auf- oder Umzug, also Umzugslied, fest­licher Prozessionsgesang.