frischgrünen Kastanien- und Wallnußwäldern malerisch umkränzt - mit all' seinen wunderbaren Reizen, in seinem unendlichen Zauber: der Comer See .
Der Maler Camillo von Winter nahte seinen Ufern. Er hatte zuerst den Bahnzug von Venedig aus benüzt und war dann eine halbe Tagereise rüstig zu Fuß gewandert, um desto freier und ungestörter die unvergleichliche Schönheit der Gegend in vollen Zügen genießen zu können.
Heute, eines flaren, sonnigen Septembermorgens, betrat er nun das Gestade und ließ sich in cinem der stattlichen Dampfer, die tagtäglich den See auf- und abfahren, cin Stück über die Fluten tragen. Nach kurzer Fahrt hatte er sein Ziel erreicht und stieg ans Land.
Dicht am Ufer befand sich der Eingang zu einem großen Garten; über der Eingangspforte bezeichneten goldglänzende Buchstaben auf einem langen, gewundenen Metallschild die Befizung als die Villa Montanari. In rötlichem Schimmer grüßte diese leztere selbst durch das tiefdunkle Gezweig der Magnolien, Lorbeeren und Myrten von der Höhe herab, zu welcher man auf einem aus mehreren Terrassen bestehenden breiten Sandweg und zulezt auf einer großen Freitreppe hinaufgelangt. Vor der Gartentür schaukelten einige zierliche Gondeln mit eingelegten Rudern in dem klaren, leise plätschernden Wasser hin und her, wie herrlich mochte es sein, sich in sanstem Wiegen und Wogen von ihnen dahintragen zu lassen über die leuchtende Flut!
-
....
Die grün- weiß- rote italienische Flagge aber flatterte nicht wie sonst über dem schimmerndem Dach lustig und leicht im Winde, ein Zeichen, daß der Besizer die Villa zur Zeit nicht bewohnte.
Nachdem Camillo von Winter an der Gartenpforte geschellt hatte, wurde die Tür von innen schnell geöffnet und er schritt die Terrasse hinauf. Oben am Eingang vor der nach außen durch einen langen Säulengang abgeschlossenen dicht von Reben umschlängelten Veranda lagen zwei riesige Löwen aus weißem Marmor, während ein paar ungeheure Neufundländer von Fleisch und Blut schnobbernd und keuchend um den ihnen fremden Mann herumliefen und sich ihn von allen Seiten besahen, aber durch Wint und Zuruf des Verwalters, der Camillo oben erwartete, sich sofort zurückscheuchen ließen. Nun hatten sie sich auf der obersten Terrasse wieder in den von der Sonne heiß durchglühten Eand niedergestrekt und pusteten und ließen die Zungen hängen.
Der Verwalter der Besizung war von der Ankunft des jungen Malers und der Absicht, welche ihn hergeführt, durch den Marchese schon vorher unterrichtet und beeilte sich, ihn so höflich wie möglich zu empfangen.
Ehe sich jener jedoch in die inneren Gemächer des stattlichen Hauses führen ließ, wollte er erst die nächste Umgebung des= selben, vor allem den Garten, genauer kennen lernen. Schon von der Veranda aus bot sich ein außerordentlich malerischer Anblick dar. Zunächst unmittelbar zu Füßen lag der sehr umfangreiche Garten mit seinen bald heller bald dunkler schimmernden Bäumen und Sträuchern und den hier und da daraus hervorleuchtenden Marmorgruppen und Figuren; dann breitete sich unten die weite Fläche des Sees, auf welchem einzelne Dampfer und eine große Menge kleinerer Fahrzeuge durcheinanderkreuzten, gleich einem mächtigen Strome aus, und, was vor allem als ein Bild voll wunderbarstem Reize dem Auge entgegentrat, am Ufer drüben, zwischen Rebenhängen und von üppigster südlicher Vegetation belebten Hainen, die kleineren und größeren Ortschaften mit ihren weiß schimmernden Häusern, die bald groß artiger, bald bescheidener in buntem Lichte leuchtenden Landsize mit glänzenden Kuppeln, blizenden Fenstern und wehenden Fahnen, an grüne Hügel gelehnt, von sonnigen Höhen überragt. Der Künstler beschloß sofort, diesen prächtigen Blick von der Veranda aus in einer Zeichnung zu fiɣiren und das herrliche Landschaftsbild als großes Hauptgemälde seines Freskenzyklus' zur Darstellung zu bringen.
Nahm dieses von der Höhe des Gartens sich darbietende Bild vor allem durch seine Großartigkeit, durch den Umfang der sich daselbst eröffnenden Fernschau das Auge gefangen, so
70
wurde der Blick Camillos, als dieser den Garten nach allen Richtungen durchschritt, dann durch eine Menge reizvollster Einzelheiten beständig gefesselt. Neben den hohen, weidenartigen Delbäumen, um deren Stämme und dünne Zweige sich üppig wuchernder Epheu schlängelte, chinesischen Fichten, riesigen Aloën, Lorbeeren, Myrten, Magnolien, ja selbst schlanken Cedern prangten allerhand Kleinere südliche Sträucher, Gewächse und Blumen, die einen berauschenden Duft ausatmeten, und inmitten all' dieses üppigen Blätter- und Blütengewirrs stieß der durch diesen Anblick wie in eine andere Welt versezte Spaziergänger auf buschig versteckte Grotten, in deren einer sogar ein kleiner Wasserfall laut rauschend und krystallhell funkelnd herabfiel, auf ricselnde Quellen, plätschernde, in perlenden Wasserstrahlen hoch aufsprizende Springbrunnen mit künstlerisch geschmückten Bassins, auf schneeweiße, blendende Marmorgruppen und Einzelstatuen, hier Mars und Venus, Amor und Psyche, dort Dante und Beatrice, Petrarca und Laura, spielende Kinder, träumende Mädchen, zum Wurf ausholende Kämpfer, unmittelbar am Seeufer in langer Reihe die Grazien und heiteren Musen, Nymphen und Wassergötter in anmutigen Stellungen, deren steinerne Bilder die klare Flut in leuchtenden Umrissen zurückwarf, und da, in einem dunklen Lorbeer- und Cypressengebüsch, inmitten all' dieses heiteren, sonnigen Lebens und seiner Symbole die Seele doppelt gewaltsam ergreifend, die unsterblichen Schmerzensgruppen des Laokoon und der Niobe ......
-
Auf seinem Wege durch den Garten gelangte Camillo auch an ein lauschig verstecktes Pläzchen, unweit des Seegestades auf einer kleinen Anhöhe, wo ein von den dicht verschlungenen Zweigen der Bäume hallenartig gebildetes Laubgewebe an einer Stelle gerade noch genügend weit auseinandertrat, um dem Auge einen weniger durch großen Umfang, als vielmehr durch überaus ansprechende Lieblichkeit entzückenden Ausblick zu gestatten. Die Sträucher und Bäume des unteren von da aus sichtbaren Gartenteils erschienen hier zur vollen Blütezeit wie ein reiches, großes Bouquet, zu dem die blaue, leise atmende See eine überaus zarte, in matten Farben verschwimmende Garnirung bildete, während der Blick weiterhin am Ufer drüben cinen kleinen, von einer halbzerfallenen Burg gekrönten, zwischen grünen Matten sich den Berg hinaufziehenden Ort in einem schön gerahmten, äußerst anmutigen bis ins scheinbar unbedeutendste fesselnden Bilde umfaßte. In dem kleinen Laubtempel selbst bemerkte man eine steinerne Ruhebant und neben dieser, etwas nach vorn, auf einem gewissermaßen als Sockel dienenden Marmortischchen und mit diesem zusammenhängend eine außerordentlich anziehende plastische Gruppe: Amor, Tauben tränkend.
Als ein alter, graubärtiger Gärtner mit gebräuntem Gesicht und ungewöhnlich seelenvollen Augen, der sich in der Nähe an den Sträuchern zu tun machte und zweifelsohne den Grund der Anwesenheit Camillos kannte, jah, daß lezterer unter das schattige Blätterdach hincintrat, die eben erwähnte reizvolle Marmorgruppe aufmerksam betrachtete und sich dann auf der Bank niederließ, um den Blick hinaus und über den See schweifen zu lassen, ging er hinzu und sagte, höflich den breiten, rotbebänderten Strohhut vom Haupte ziehend, mit einer sehr flangvollen, sympatischen Stimme:
" Ja, Monsignore, dieses Pläzchen dürfen Sie ja nicht vergessen, vor allem den kleinen Schalk da mit den Tauben und das Ruhebänkchen nicht-"
Der Maler, der sich erhoben hatte und jezt inmitten in dem fühlen Laubentempel stand, sah den Alten groß an und er widerte verwundert:
„ Ich verstehe euch nicht, Alterchen!- Es mag sich wohl recht schön hier sizen und träumen in wohliger Schattenkühle, und der Schäfer da mit den niedlichen Vögeln ist eine meiſterhafte Künstlerarbeit, zeichnen und malen, das doch an sich selbst so wenig malerisches - aber warum gerade dieses Pläzchen hat? gesprochen hättet, diesem Bilde drüben, welches in so engem Ja, wenn ihr noch von der entzückenden Aussicht Rahmen einen so unvergleichlichen, den Pinsel geradezu herausfordernden Reiz entfaltet, und welches ich allerdings-