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der Dichtung ebenbürtiges Gemälde zu schaffen. Seine Iphigenie( im stuttgarter Museum), die an der Tempelmauer fizend, sehnsüchtig nach dem Meer hinausblidt, zeigt die glücklichste Vermählung antifer Formen schönheit mit modern romantischer Empfindung. Feuerbach, sagt Pecht, steht seinem Stoff souverän gegenüber, hat die Sprache des Phidias   nicht blos übersezt, sondern nachgedichtet, sie mit dem ganzen Reiz romantisch stimmungsvoller Malerei zu verbinden gewußt, obwohl er nichts weniger als eigentlicher Kolorist ist. Hat nun aber Feuerbach die jungfräuliche Dianapriesterin allein und ausschließlich als Gegenstand fünstlerischer Darstellung ergriffen, die Umgebung aber nur angedeutet, so hat da gegen Edmund Kanoldt   sich die Aufgabe gestellt, die leztere zu betonen. In der Tat ist der Karakter der Situation ganz geeignet, die Phantasie des Landschaftsmalers lebendig anzuregen; es liegt in ihr eine poetische Stimmung, die sich vollkommen in die landschaftliche Darstellung übertragen läßt. Dies ist dem Maler auch in hohem Grade gelungen, so daß sein von unserem Holzschnitt trefflich reproduzirtes Gemälde ein würdiges Seitenstück zu dem feuerbachschen abgibt. An schattiger Meeresbucht erhebt sich rechts eine Anhöhe mit dem Tempel der Priesterin, umgeben von hohen, feierlichen Zypressen; im Vorder­grund, wo der Aufgang zum Tempel von zwei steinernen Sphingen bewacht wird, steht Iphigenie  , an das Postament der einen Sphing gelehnt, den Blick sehnsüchtig in die Ferne gerichtet. Die feierliche Ein­famkeit, welche Iphigenie umgibt, ist von ungemein poetischer Wirkung. Goethe verdankt dieses Motiv dem Gardasee  , wie er dies in einem Edmund Brief aus Torbole   vom 12. September 1786 mitteilt. Friedrich Kanoldt   ist 1845 in Großrudestedt   in Sachsenweimar geboren. Mit neunzehn Jahren war er Schüler von Preller in Weimar  . 1869 ging er nach Rom  , wo er unter Franz Drebers Einfluß sich ganz der stilisirten Landschaft zuwandte. Später nahm er seinen Siz in Karls­ ruhe  , wo er sich namentlich an Ferdinand Keller   anschloß. Dort ent­standen: Hünengrab auf Rügen  , Kanossa  , der Kyffhäuser  , Odysseus   auf der Ziegenjagd, Iphigenie   am Meeresstrand. Später malte er für den Salon eines leipziger Kunstmäzens acht Bilder zum Märchen von Amor und Psyche und für einen andern zwei: Kassandra   und Antigone. Be­deutend ist ferner seine Sabinerlandschaft. Kanoldt hat sich um die Erhaltung der Serpentara, des Eichenwalds bei Olevana, wo die größ­ten deutschen Landschafter ihre Studien machten, hoch verdient gemacht. Es drängt uns hier, auf eine Klippe hinzuweisen, an der schon mancher moderne Künstler, der sein Sujet der Poesie entlehnte, ge= strandet ist. Will der bildende Künstler in Farben oder Marmor dar­stellen, was der Poet in Worten singt, so wird er sein Ziel verfehlen, wenn er ohne weiteres dem Dichter sflavisch folgt, er würde damit vom selbständigen Künstler zum Illustrator herabsinken. Hier heißt es ebenfalls: Der Buchstabe tötet, aber der Geist belebt. Jede Kunst spricht ihre eigenen Sprache, und die Mittel, durch welche die Poesie wirkt, sind andere als die, womit Pinsel und Meißel wirken. Ein in der Poesie sehr bezeichnender Tropus kann darum in der bildenden Kunst ganz unstatthaft sein. Entnimmt daher der Maler oder Bildhauer seinen Vorwurf einem poetischen Text, so muß er ihn nach dem Geiste des Dichters ausführen, er muß sinnen, wie er mit seiner Kunst die­selbe Wirkung hervorbringt, die der Poet mit der seinigen erzielt. Schon Lessing   hat diese Lehre aus der Laokoongruppe abstrahirt, aber manche unserer modernen Künstler haben ihren Lessing längst vergessen, wenn fie ihn überhaupt gelesen haben. Als Michel Angelo   die Erschaffung des Menschen an die Decke der sirtinischen Kapelle malte, wich er ganz bedeutend vom Bibeltext ab, wonach Jehova dem aus einem Erdenkloẞ gebildeten Menschen den lebendigen Odem in die Nase blies. Ein Stümper hätte Jehova mit aufgeblasenen Backen in der Nähe von Adams Nase gebildet. Anders Michel Angelo  ; er bildete Jehova in der Luft schwebend, umgeben von einer Engelschaar. Er streckt die Rechte gegen Adam aus, der ihm matt, sanftmütig verlangend, die Linke hinhält, damit Jehova sie fasse und ihn aufrichte. Die Zeige­finger der beiden Hände sind einander zugekehrt und nur durch einen Heinen Raum getrennt, so daß wir zu gewahren glauben, wie der Geist gleich einem elektrischen Funken überfährt und der Mensch im nächsten Augenblick fich erheben muß, vom Geiste durchströmt. Mit großer Weisheit hat auch Anselm Feuerbach   seine Iphigenie, vom goetheschen Text abweichend, fizend dargestellt, während dagegen Kanoldt, der den Atzent auf die Landschaft gelegt hat, mit Recht sich dem Dichter anschloß.

St.

Tripolitanisches Judenmädchen.( Siehe Illustration S. 261.) Die Neue Welt", welche schon mehrfach durch Vorführung verschiedener Frauentypen der Schönheit ihre Huldigung dargebracht hat, macht diesmal ihre Leser mit einer hebräischen Schönen bekannt. Das Juden tum war bekanntlich zu allen Zeiten von Jehova mit hübschen Töch

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tern gesegnet, selbst den widerlichen Shyloks der mittelalterlichen Ghettis ( Judengassen) sind oft genug reizende Jessikas entsprossen, welche den christlichen Klienten ihrer prozentejagenden Väter in die Augen stachen, und selbst ein Byron begeistert sich für die Berggazell auf Judas Fels". Kein Wunder; soll doch die Erzmama Sarah, wie uns das Buch Genesis   erzählt, so schön gewesen sein, daß ihr glücklicher Gemahl Abraham   bei einer Reise durch Egypten sie für seine Schwester ausgab, aus Besorgnis, Seine Majestät Pharao   der soundsovielste werde ihn morden lassen( anderswo wäre er vielleicht Geheimrat geworden); was freilich ein bedenkliches Licht auf die Moral des Patriarchen wirft, in dessen Schos wir einst zu kommen hoffen. Wie eine palästinische Schöne zur Zeit der höchsten Blüte des Reiches Israel ungefähr ausgesehen hat, können wir aus dem biblischen Hohenlied ersehen, wo der entzückte Salomo   ,, der sich auf Frauenschönheit so gut verstand wie auf die Steuerschraube soll doch sein Harem nicht weniger als tausend Weiber enthalten haben die Reize seiner Sulamit in nicht durchweg geschmackvollen Bildern ansingt, z. B.: Dein Hals ist wie ein elfen­beinerner Turm. Deine Augen sind wie die Teiche zu Hesbon am Tor Batrabbim. Deine Nase ist wie ein Turm auf Libanon  , der gegen Da maskus siehet." Schon die Geliebte des sog. weisen" Königs scheint sich demnach eines respektablen Gesichtserkers erfreut zu haben, womit H. Heine   widerlegt ist, welcher die Größe des jüdischen Riechorgans aus dem Umstande erklären wollte, daß Jehova sein auserwähltes Bolk mit der Hoffnung auf die Ankunft des Messias so viele Jahrhunderte an der Nase herumgeführt hat. Auch die Nase der Schönen unseres Bildes ist nicht zu kurz gekommen, ohne übrigens durch Uebermaß die Pro­portionen des gewinnenden Antlizes zu stören. Der kräftige Kopf mit den martirten edlen Zügen und dem bräunlichen Inkarnat repräsentirt den weiblichen Typus der spanisch- arabischen Juden, welche seinerzeit ihren übrigen Stammesgenossen an Bildung und Karakter weit über­St. legen waren, aus deren Kreis ein Spinoza   hervorging.

Künstlertoilette.( Siehe Jllustration S. 265.) Ein Blick hinter die Coulissen zerstört zwar in der Regel ganz grausam die Illusionen des Lampenlichts und die Priester der höheren wie der vulgären Muse machen nichts weniger als einen priesterlichen Eindruck, wenn sie ihrer heroischen Attribute entkleidet sind. Dennoch hat der Pinsel des Malers nicht fehlgegriffen, der uns den Anblid einer Kunstreitertruppe gewährt, wie sie kurz vor der Vorstellung Toilette macht. Ein recht niedliches Stück Leben solcher ambulanter Künstler" läßt er vor unsern Augen sich entfalten, jede Figur der reichbelebten Szene, von dem älteren Manne, der eben sein Angesicht trodnet, bis zu dem fünstlich fabrizirten Negerknaben und dem flugen Pudel unter dem Araber, der sich nun auch bald produziren darf, weiß uns Interesse abzugewinnen. Am längsten aber haftet unser Blick an der schmuden Dirne, die mit ihrer Frisur beschäftigt ist und nun den Flitterstaat anlegen wird, in dem fie als Miß atarinador die Herzen junger Laffen bestriden wird, obgleich sie eine gute Schwäbin und auf den ehrlichen Namen Räterle getauft ist. Uebrigens scheint sie's auch dem Burschen an getan zu haben, der den Kopf auf den linken Arm gestüzt, fie unab lässig anschaut. Er denkt wohl: In diesem Negligé gefällt sie mir besser als in dem gleißenden Tand, mit dem sie sich im Zirkus prä sentiren muß. Und wahrlich, der Bursche hat so Unrecht nicht. St.

Rebus.

WERNY

Räths l.di.dr.

Wet rath n. lös nAth it

Auflösung des Rebus in Nr. 9:

Man kann in den prächtigsten Gefäßen auch Gift finden.

Inhalt: Bom Baume der Erkenntnis. Roman von J. Baded.( Fortsezung.)

Dr. Richard Ernst. Serena. Eine venetianische Novelle von Max Bogler.( Fortsezung.)- als Ein Märtyrer unter den Haustieren. Bon wissenschaftlicher Untersuchungsmetode. Der Alkohol- Todfeind oder Gutfreund? Kulturgeschichtliche Studie von Bruno Geifer.( Schluß.) Alkohol- Lobfeind Die Dienstatteste.( Mit Jlnstration.) Kanoldts Ipigenie auf Tauris.( Mit Illustration.)- Tripolitanisches Judenmädchen.( Wit

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Illustration.) Künstlertoilette.( Mit Illustration.)- Rebus.

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-Rebus.- Gemeinnüziges. Mannichfaltiges.

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Verantwortlicher Redakteur Bruno Geifer in Stuttgart  . Redaktion: Neue Weinsteige 23.-

Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart  .

Drud und Verlag von J. H. W. Dieß in Stuttgart  .