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und Calvin klystiren und zwar so stark, daß er ganze Reiche von sich gibt. Michel Angelo   selbst rächte sich an einem Kardinal dadurch, daß er einem der Verdammten auf seinem jüngsten Gericht dessen Züge gab und Papst Clemens, gegen den sich der Kardinal beschwerte, fertigte ihn mit dem Bonmont ab:" Ich kann nur aus dem Fegfeuer erlösen." Nach dem Heraustreten aus dem schwärmerisch- andächtigen und hierarchisch­despotischen Mittelalter mischt sich die Karrikatur und die dar­stellende Satire überhaupt auch in andere Fragen und Konflikte der Gesellschaft. Sie dient dem Adel gegen das Volk, dem Volk gegen den Adel, beiden gegen die Fürstengewalt und um­gekehrt und sie spielt seit dem 16. Jahrhundert in allen öffent lichen Angelegenheiten eine wichtige Rolle. Sie ist Flug- und Schmähschrift in Bildern.

Auch an den verschiedenen Erscheinungen des gesellschaft lichen Verkehrs und der Mode läßt die darstellende Satire ihren kaustischen Wiz aus. Sie stellt die menschlichen Schwächen und die Gebrechen der Zeit in drastischer Weise dar, bald ihre Torheit, bald ihre Schädlichkeit grell beleuchtend. Als Ver­treter dieses satirischen Genres ist besonders der Niederländer Jan Steen  ( 1679) zu nennen, der seine Laune vorzugs­weise an komischen Ehepaaren, Aerzten und Quacksalbern aus­läßt. Noch weit mehr satirische Schärfe zeigt der berühmte Zeichner, Maler und Kupferstecher William Hogarth   aus London  ( 1764), der die Albernheiten und Laster der gesell­schaftlichen Zustände, die hinter der äußeren Glätte des fashio­nablen Lebens schlummernde Falschheit und Lüge in mehreren Cyklen von Gemälden und Radirungen mit bitterer Ironie und schneidendem Hohn geißelt. So z. B. schildert er in einer Reihenfolge von sechs Blättern das Leben einer Buhlerin", in einer andern von acht Blättern das Leben eines Lüder­lichen". Nächst diesen sind am berühmtesten der Jahrmarkt in Southwark"," die Punschgesellschaft"," der unglückliche Dich­ter"," die Komödianten in der Scheune". Ferner erschienen von ihm: der wütende Musikant"," die Heirat nach der Mode" ( wovon die Bilder für die Nationalgallerie angekauft sind), die Folgen des Fleißes und des Müssigganges"," die Grade

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der Grausamkeit gegen Hunde" und andere Darstellungen, welche die Kehrseite der gesellschaftlichen Zustände jenes Jahrhunderts mit scharfer Karakteristik hervorheben und durchhecheln. Die deutsche Literatur besizt in den Erklärungen der Hogartschen Gemälde( bez. Kupferstiche) von dem wizigen Göttinger   Mate­matiker und Physiker Lichtenberg, der auch die teologischen und physiognomischen Phantastereien Lavaters und dessen hoch­trabende, bombastische Sprache persiflirte( 1799), einen geist­reichen Kommentar der Hogartschen Werke, der den tiefen Blick seines Verfassers in das Seelenleben des Menschen bekundet.

Auch gegen Ausschreitungen in Literatur und Kunst wendet die darstellende Satire ihren Stachel, z. B. gegen die mitunter haarsträubenden Anachronismen mancher Maler.*) Eine der= artige Satire ist das dem Rembrandt zugeschriebene, ehemals in Trier   befindliche Gemälde der Aufopferung Isaks. Abraham hat statt des Schlachtmessers eine Pistole in der Hand. Schon ist der Hahn gespannt, aber da er abdrücken will, vereitelt ein Engel das Opfer dadurch, daß er die Zündpfanne durch die­selbe physiologische Aeußerung naß macht, durch welche Swifts Gulliver im Lande Lilliput den brennenden Palast der Königin löscht und wodurch er sich einen Hochverratsprozeß zuzog.

Malern aus deutschen Schulen vor. Besonders reich an solchen sind *) Die meisten Anachronismen kommen bei den mittelalterlichen die Werke der kölnischen Schule des Meisters Wilhelm, von denen die alte Pinakotek in München   mehrere bewahrt. Eines der bedeutendsten Bilder dieser Schule ist der Tod der Maria. Die sterbende Gottes­mutter liegt auf einem großen altdeutschen Himmelbett, ein Domini­faner hält ihr ein Kruzifig vor, ein Kapuziner betet aus einem Buche, ein Geistlicher in vollem Ornat steht mit Weihwasserkessel und Wisch daneben, zwei Meßbuben halten brennende Kerzen, ein dritter bläst pausbadig die Kohlen im Rauchfaß an und am Fußende des Bettes beten Nonnen eifrig den Rosenkranz. Auf dem Kirchhof zu Offen­ burg   ist eine Gefangennehmung Christi in Relief ausgehauen, bei der die römischen Soldaten Flinten tragen und auf dem Titelblatt eines alten in Luzern   gedruckten Buches über das Duwacktrinken" sind Christus und Josef mit aus ihrem Munde gehenden Redestrahlen ab­gebildet. Christus hält einen rauchenden Kolben und fragt: Josef, wilt du Duwack han? und Josef antwortet:

Meerleuchten.

Bon Dr. 3. Sangkavel.

Den Lesern, welche im verflossenen Jahre ihre Sommer­frische an der Nordsee nahmen, mögen die nachfolgenden Zeilen zur Erinnerung an den herrlichen Naturgenuß dienen, jenen aber, die desselben bisher noch nicht teilhaftig wurden, eine freundliche Aufforderung zur Reise an jene Gestade sein, von denen unbefriedigt wohl niemand heimkehrt.

Wenn abends gegen 9 Uhr vom Steindamm Ostendes sich schnell die Kunde verbreitet: phosphorescence de la mer ( Meerleuchten), dann kann man in verschiedenen Sprachen ver= nehmen, wie unvergleichlich schön, wie imposant das Meer­leuchten dort auftritt. Badegäste auf Helgoland   bewundern bei jedem Anschlagen der Flutwellen das aufflackernde Wetterleuchten, die glimmenden Spuren der Fußstapfen im Lande; in Norderney  steigt man dann in die leuchtende Flut, und wie feurige Perlen rollen leuchtende Tropfen über die schimmernden Gestalten. An der Alten Liebe" Curhafens, jenem ehrwürdigen, in das Meer hinausgebauten Bollwerk von Pfählen, zerstieben funkensprühend die glühenden Schaumköpfe der Wellen wie feuriger Regen. Aber eine Eigentümlichkeit der Nordsee   oder des Kanals ist das Meerleuchten keineswegs. Aus mehr als 400 Reiseberichten fonnte im Jahre 1833 schon der berühmte Mikroskopiker Ehren­berg nachweisen, daß diese Erscheinung in allen Meeren auftritt, ob im falten Norden, im Mittelmeer   und seinen Teilen oder in der Nähe des Gleichers. Möge mir der Leser gestatten, aus meiner Sammlung von Reiseberichten während der lezten Dezennien solche hervorzuheben, welche fast von selbst ihn zu der am Schlusse gegebenen Erklärung hinleiten.

I nit Duwack rauchen kann.

Im atlantischen Meere, ungefähr in der Breite von Gibraltar  , beobachtete der fürzlich verstorbene Zoologe Buchholz( Neisen in Westafrika  . S. 33), daß jene leuchtende Erscheinung vor­nämlich durch Copepodentiere hervorgerufen wurde. Eine Pontella schwamm gleich sprühenden Feuerfunken im Meerwasser, das in ein Gefäß gegossen war, eine Belagia leuchtete brillant, jedoch nur bei Berührung; sie bildete im Fahrwasser des Schiffes gleichsam phosphorescirende Feuerklumpen. In der Nähe der Azoren   rollten nach Hartung( Die Azoren. S. 13) majestätisch faustgroße Hellleuchtende Kugeln im Meere. Nach einem starken Regen war nach Soyaux( Aus Westafrika  . I, 17) südlich von Madeira   das Leuchten in der Nacht unbeschreiblich schön. Bei Tage war keins der leuchtenden Tiere aufzufinden. Dieselbe Beobachtung, daß mit der Morgendämmerung die Tiere ver­schwinden, machte auch Etzel( Erdumsegelung der schwedischen Fregatte Eugenie. II, 287) in der Nähe von St. Helena  . Bon den in der Nacht aufgefangenen Tieren versuchte man eine Speise zu bereiten, die zwar nicht übel schmeckte, aber doch keine Aehn­lichkeit mit dem chinesischen Trepang besaß. Am Rio San Domingo in Westafrika   leuchtete das Meer nach der Schilderung Aimé Oliviers, Vicomte de Sanderval, aus diesem Jahre ( De l'Atlantique au Niger. S. 8) überall bläulich, die hinein­gesteckte Hand zeigte beim Hervorziehen leuchtende Punkte; gegen 3 Uhr morgens verschwand das Leuchten. Unser deutsches Kriegsschiff Gazelle" fuhr allabendlich vom 4. Juli an wie in einem Feuermeer. Im Kielwasser leuchteten neben kleinen, mit grünlichem Lichte aufblizenden Punkten größere Körper bald in

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