Gravirungen des jungen Kunsthandwerkers merkwürdig oft ein schönes kluges Mädchenantliz vom spiegelblanken Grunde sich abhob. Immer glühender erwachte in Georg die Sehnsucht, das Urbild der holden Mädchengestalt in sein stets fester sich gründendes und von künstlerischem Hauch verklärtes Heim zu führen. Aber ach hier standen Georg und Marie, seine Herzliebste, vor einer Kluft, die sie wohl auf Schwingen der Liebe zu überfliegen vermocht, über welche aber keine Brücke zu dauernder Vereinigung möglich schien. Marie war nicht nur eines der schönsten und liebreizendsten Mädchen der Stadt, son dern zum Unstern für Georg auch das reichste. Sie war die Tochter Baltasar Hofmaiers, des ersten Brauers im Städtchen.
Sind auch in unsern Tagen die schroffen Unterschiede, welche ehedem zwischen Patriziern und Kleinbürgern bestanden, dem Namen nach aufgehoben, so bestehen ähnliche Gegensäze doch noch tatsächlich, besonders in kleinen Städten. Dies mußte zu seinem herben Leidwesen auch Georg Walter erfahren. Als er vom Vater das Geschäft übernommen, wagte er es, im Vertrauen auf den gesicherten Aufschwung desselben, den reichen Brauer um die Hand seiner Tochter zu bitten. Der Glonheimer Nabob aber erblickte durch die Brille des kleinstädtischen Kastengeistes in dem so erfolgreich aufstrebenden Kunstgewerbsmeister immer noch den Kleinbürger. Er wies die Bewerbung rundweg ab, zum tiefen Bedauern seiner Frau, welche dem tüchtigen jungen Walter wohl gewogen war. Seiner Tochter verbot Hofmaier auf das Strengste jeglichen Verkehr mit dem eingebildeten Zinngießer. Freilich konnte der Brauer nicht verhindern, daß die beiden dennoch, wenn auch nur durch gelegentlichen Austausch von Briefchen, im Herzen verbunden blieben. Durch sein Machtwort glaubte er das lächerliche Mißverhält nis" abgetan zu haben.
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Herr Baltasar Hofmaier war im Gebahren und behäbiger
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Fülle der Gestalt noch einer jener derben baierischen Brauertypen, wie sie in unserer alle Menschen über den gleichen Kulturkamm scheerenden Zeit nur selten mehr gedeihen. Hofmaier fühlte sich bei all seinem streng rechtlichen Sinn doch jeder Zoll als der erste in Glonheim und stieg im Verkehr mit den Kleinen im Städtchen niemals über die Grenzen huldvoller Herablassung hinunter. Sah Herr Baltasar auf seine kleinbürgerlichen Mitmenschen gnädig herab, so hatte er dagegen die Schwäche, zu Vornehmen hinaufzustreben. Wo nur irgend möglich, suchte er in Verkehr mit den benachbarten adeligen Gutsbefizern zu treten, denen er sich als Eigentümer eines großen Hofgutes unweit der Stadt einigermaßen ebenbürtig fühlte. Am geneigtesten zu geselligem Umgang mit dem Brauer erwies sich in neuester Zeit der alte Freiherr Edgar von Lindenegg, welcher auf dem eine halbe Stunde von Glonheim gelegenen Schloß Moosach hauste. Zu diesem freundlichen Entgegenkommen bewog den Baron der Umstand, daß ihm Hofmaier schon etliche Male aus leidlichen Geldklemmen geholfen hatte. Derartige Beklemmungen hatten sich bei dem Lindenegg bereits zu einem chronischen Uebel ausgewachsen. Die betrübende Lage der freiherrlichen Finanzen führte auch Schloß Moosach in stummer Beredsamkeit jedem Beschauer vor Augen. Das einst stattliche und wenigstens in Grund und Mauern noch feste Schloß befand sich im Aeußeren in einem Zustand arger Verwitterung und ward im Innern nur auf der unumgänglich nötigsten Stufe der Wohnlichkeit erhalten. Der das Schloß ringsumgebende Teich strebte in zunehmender Versumpfung sichtlich darnach, mit dem umliegenden Torfmoor zu verschmelzen. Er glich einem riesigen Aquarium für Kröten, Frösche und sonstigen Amphibien; denn Fische vermochten ihr gewohntes Element nicht mehr in dem Sumpf zu finden.
( Fortsezung folgt.)
Chillan.
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Es ist Abend die Sonne ist hinabgetaucht in den See, und die Schatten der Nacht ziehen über Ufer und Flut. Unheimlich starren allein die savoyischen Riesen herüber, gespenstig über die stillen, düstern Waffer, als bewachten sie drohend das verzauberte Schloß, und die Niren, die sich im Mondschein tummeln und haschen und necken, und ihr süßes, geheimnisvolles Flüstern.
Da liegt er friedlich mit Brücke und Mauer und Turm, auf verwogenem Eiland; die Märchen der Kindheit erwachen mit einem Schlag, die holden, die freundlichen Märchen, die wir so fromm und so gläubig gehört und wieder ersteht sie vor uns mit ihren Feen und Prinzen und Helden die ganze verzauberte Welt.
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Chillon ! umarmt vom weichen Arme des Léman , geschieden von der falschen, der treulosen Welt, umrankt von dem Epheu der Sage ein Paradies, eine Jdylle, ein Traum.
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Es war eines Abends, gerade wie oben, und der Mond war schon aufgegangen und alles duftete und blühte Frieden und Sehnsucht in jenem himmlischen Winkel des Berglands. Es hatte mich nicht in Montreux gelassen, nur ich war allein hinausgewandert, in den kühlen Herbstabend hinaus. Allein mit meinen Gedanken und Sorgen. Und ehe ich es ahnte, lag das liebliche Montreux weit hinter mir dort hinten, in gespenstiger Ferne glänzte es Lichtchen an Lichtchen, und die Buchten des Sees von der leuchtenden, blizenden Kette umsäumt bis nach Clarens und Vevey entlang. Ich achtete nicht auf den Weg, der mich immer am Ufer hin führte, nicht auf die Lichter und Fluten und Sterne mein Herz war zu schwer, und mein Kopf. O, man hat ja soviel zu sorgen, soviel zu denken, wenn man jung und Student ist; und ich war beides. So viel zu sorgen nicht etwa ob philosophischer Probleme, ob dem Rätsel der Zukunft, dem Erwerbe des Lebens das ist zu häßlich, zu drückend; und glücklich, wer sie genießen kann, die herrliche Zeit le temps des roses! Die Rosenzeit! und dennoch Sorgen! und sind die Sorgen und sind die Sorgen der„ Rosenzeit" eben nicht die drückendsten? Haben nicht sie schon manch Lebensglück frühe vernichtet, als ein kalter, ein giftiger Reif auf die zarten Blaublümchen und Veilchen? Als ein Reif auf den Lebensund Schaffenstrieb eines jungen, frohen Gemütes? Die weihevolle Stille hatte mich träumerisch gestimmt- wer entzöge sich dem Bauber eines Abends am Léman ! nicht schwärmerisch für Jdeale, die ich nicht befizen konnte, nicht empfindlich für selbstgemachte, illusorische Qualen, für den Weltschmerz eines Dichters, eines Blaustrumpfs. Ich hatte Erfahrungen gemacht, recht bittere und herbe Erfahrungen, und war noch so jung. Ein stürmisches Jahr hatte mir die Heimat
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verschlossen, ich war ausgezogen, hinaus in die weite, weite Welt, ohne Glück, ohne Stern allein mit meinem Mut, aber verlassen von den Meinen, verlassen von allen, selbst von der, die ich liebte das tut weh. Aber warum auch nicht? sie war ja reich, war schön, war lebensfroh, jung und ich war verstoßen, war arm. Warum denn nicht, Liebchen? Eine glänzende Partie" war doch immer ein anderer würdigerer Prospekt, als ein Heimatloser; und die Liebe", die Liebe!" sie ist freilich etwas Allerliebstes, ein Naschwerk, ein Spielzeug und reizendes Nippding, solange das Dämchen noch romantisirt; aber schade, da kommt die Gesellschaft, da kommt die Genußsucht, die Eitelkeit der fleinen Angebeteten, der Lüstre des Salons- und das thörichte Nippding der Kinderstube wird in Scherben zerschlagen und weggeworfen und vergessen, und mit ihm all, alles zerschlagen, vergessen! Und da sollte man nicht traurig sein? selbst der lustigste, froheste Student?
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Meine träumerische, schlafwandelnde Wanderung hatte ein Ende gefunden; ein schelmisches Gelicher und Lachen erweckte mich. Ich stand dicht vor dem Schloßtor von Chillon , ein Schritt noch und ich rannte mit dem Kopfe daran. Auf der Steinbank neben dem Eingang saßen im Dunkel zwei junge Mädchen, die sich des einsamen Träumers freuten. Und von neuem stimmten beide in ein ausgelassenes, schlecht verhaltenes Geficher, als ich aufgefahren war und meine drollige Stellung bemerkte. Es hätte sicher keine freundlicheren Weckstimmen geben fönnen. Ich rang nach Worten, nach einer Entschuldigung aber ach, mein radebrechendes Französisch machte mir wenig Ehre, denn die kleine ausgelassene Brünette fing schon wieder an zu spotten ,, ah, monsieur est Allemand Allemand!" und dabei blickte der Schalt in ihren großen, schwarzen Augen so ernst, so ernst, während ich mich schämte, tief unter den Boden. ,, Allemand Allemand!" mein Accent war nicht tadellos, ich hatte verspielt. Annette aber haßte die ,, Allemands " nicht, wenigstens den Einen nicht, wie es schien; es war doch zu ,, chic", mit dem Fremden zu konversiren, der so drollig französisch sprach ein Wörtchen gab das andere, die Mädchen luden mich ein, ein wenig zu ſizen, und nach einer halben Stunde waren wir die besten Freunde von der Welt.
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Anne und Rose waren die Töchter des Kastellans , keine Damen ber ,, haute volée", feine Modedämchen mit Spizen und Schleppen, sondern recht einfache waadtländische Bürgermädchen; aber aufrichtig, lustig, natürlich, und wie alle waadtländischen Käzchen- ganz allerliebst.
Aennchen hatte etwas vom Gretchen, ein wenig auch von Louiſe aus„ Kabale und Liebe", und( wie könnte es anders sein?) ziemlich ihr Stolz, ihr Eigensinn bald Spottvögelchen und Schelm, und viel vom verzauberten Brinzeßchen: ihr großes, ernstes, schwarzes Auge,