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dfront in der Kunstgeschichte berühmte, von Anton Springer onders gefeierte Jakobskirche.„ Dank vom Hause Desterreich!" e Nationen sind nicht dankbar- Thorn hatte Polen groß rden helfen, zum Schaden des mächtigen deutschen Ordens; jorn hatte sich für Polen gegen Gustav Adolf , Karl Gustav und Karl XII . zugrunde gerichtet. Jezt erhielt es den Lohn, wie Carlyle sagt, dafür, daß es seinen Erzeuger, den Ritterhind, mit dem Fuß aus den Mauern gestoßen! Doch die Nemesis waltet allseit: in Thorn schlossen die gequälten polni ichen Dissidenten 1766 die Konföderation, deren Ende Polens Teilung war! nach einem Halbjahrhundert.
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Auch die Urheber des thorner Blutgerichts endeten kläglich. Pater Marczewski lebte lange, gequält von Körperleid, sodaß er die lezten zwei Jahre weder sizen noch liegen, weder leben noch sterben" konnte, und den Prediger Geret, den er soviel verfolgt, um Labung bitten mußte. Fürst Lubomirski starb wie Sulla und Herodes . Der erste polnische Ratsherr, Marianski, delirirte auf dem Todesbett, er sähe die Getöteten um sich stehen und fluchte seinem Anstifter Marczewski. Polen dagegen erzählen, Fürst Lubomirski sei ihnen erschienen und habe versichert, er hätte nur drei Stunden im Fegefeuer gesessen zum Lohn für seine Strenge gegen die thorn'schen Kezer.
Kürzlich lasen wir in einer amerikanischen Zeitschrift*) über eine in Neu- Mexiko ihr Unwesen treibende fanatische Sekte, die sogenannten„ Hermannsbüßer", welche, um Vergebung der Sünden zu erlangen, sich periodisch grausamen Züchtigungen nterwirft.
Bei ihren Zeremonien erscheinen alle Beteiligten maskirt, m ihre Identität zu verheimlichen, und bei der jährlichen Buße machen die Mitglieder öfters eine Wallfahrt von vielen Meilen, um die vorgeschriebenen Martern zu erdulden.
In diesem Jahre begann die Buße am 27. Mai; wie ange sie gedauert ist nicht angegeben. Etwa dreißig Männer nd Frauen bildeten einen Zug. Voran gingen fünf Männer, nackt von der Hüfte bis zum Kopf, lezteren von schwarzen Kapuzen verhüllt. Je zwei dieser Männer trugen ein schweres hölzernes Kreuz, während der fünfte mit einer wuchtigen Beitsche den Kreuzträgern so heftige Schläge auf den nackten Rücken versezte, daß das Blut hervorquoll. Die zwei Kreuze wurden zuweilen den Trägern von andern Personen abgenommen, so daß alle Büßer ihren Anteil an den Geißelhieben erhielten. Ein anderer Mann trug einen Stachelstock, dessen scharfe Spize er von Zeit zu Zeit seinen Genossen in das Fleisch stieß. Ob auch die an der Prozession teilnehmenden Frauen die gleiche Tortur erlitten oder welche andere, ist in dem Berichte nicht gesagt.
So zog die Prozession die Straße hinab. Außer einem Gesang in spanischer Sprache, den die Fanatiker zuweilen anstimmten, wurde kein Wort laut, und kein Seufzer kam über die Lippen der Gefolterten. Der Zug löste sich vor einem fleinen, aus ungebrannten Lehmziegeln errichteten Gebäude auf, in welchem die Zeremonien beendet wurden. Der Boden vor der Hütte war eine Strecke weit mit stacheligen Kaktuspflanzen bedeckt. Als die barfüßigen Kreuzträger dort anlangten, zögerte einer derselben einen Augenblick, voranzuschreiten. Sofort sausten die schweren Peitschen auf seine bereits blutenden Schultern nieder und er sprang mit einem Saze in die Stachelpflanzen. So zog die Prozession, breite Blutspuren auf ihrem Pfade zurücklassend, in die Hütte ein. Was im Innern derselben borging, ist nicht bekannt. Nach einiger Zeit verließen die Büßer die Hütte uud marschirten zurück zu dem Gebäude, wo sie ihren regelmäßigen Gottesdienst halten. Eine andere Schaar Büßer, die dort die Schaar der ersteren erwartete, trat dann den Marsch nach dem Orte der Sühne an und die eben beschriebenen gräßlichen Szenen wiederholten sich mehreremale.
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Die Zahl der„ Hermannsbüßer" soll etwa zweitausend betragen. Sie gehörten ursprünglich zur katolischen Kirche, wurden jedoch vor etlichen Jahren vom Erzbischof von Santa Fé exkommunizirt. Nichtsdestoweniger bestehen sie fort.
So der amerikanische Bericht. Derfelbe erinnert aufs lebhafteste an das Treiben der Flagellanten- oder Geißler gesellschaften des Mittelalters, die auch in furchtbarer Sinnesverwirrung gegen das cigene Blut wüteten.
*) Frank Leslies Nr. 1340.
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Bereits im Jahre 1260 begegnen wir einer großen Geißlerfahrt in Italien , zu einer Zeit, als die Lande unter den Kriegen zwischen Welfen und Ghibellinen verbluteten und dem furchtbarsten Jammer preisgegeben waren. Unter Führung des fanatischen Einsiedlers Rainero von Perugia durchzogen die Geißler von Spoleto aus in Scharen, die bald zu vielen tausenden anwuchsen, Wälschland und einen großen Teil des südlichen und westlichen Deutschlands , durch Predigt und Beispiel zur Reue und werktätigen Buße mahnend, auf daß der Himmel" sich erbarme und dem Kriegselend ein Ende mache. Doch das alles war nur ein unbedeutendes Vorspiel zu der großen Tragödie, die etwa neunzig Jahre später ihren Anfang nahm, als der furchtbare Würgengel, die Pest, Europa verwüstete. Unerbittlich und rastlos sah man ihn seine Sense schwingen, niemand verschonend, weder hoch noch niedrig, Geistliche noch Laien, weder Reichtum noch Armut; überallhin mit Windeseile sich verbreitend und mit Hungersnot im Gefolge Hügel zu hunderttausenden von Leichen auftürmend. Alle diese Schrecknisse trafen ein vollständig unter der Herrschaft religiösen Wahnes stehendes, von einer allmächtigen Geistlichkeit am Gängelbande des blödesten Aberglaubens und kindischen Vorurteils gehaltenes Geschlecht. Da war es allerdings nur zu erklärlich, daß die Idee Wurzel faßte, die„ göttliche Vorsehung" habe beschlossen, das ganze Menschengeschlecht zur Strafe für seine Sünden" durch jene dämonische Seuche zu vertilgen, der man völlig ratlos, baar aller Hülfe und alles Schuzes, von Entsezen und Verzweiflung gepackt, gegenüberstand.
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Der überwältigende Eindruck des furchtbaren Elends, das Gefühl der Ohnmacht ihr gegenüber, übten ihr Recht auf die Gemüter aus, die einzige Handlung, deren die Verzweif lung noch fähig erschien, war die werktätige Buße, wie Häser in seiner„ Geschichte der epidemischen Krankheiten" sagt.
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Wie hätte, den finstern Begriffen jener Zeit nach, der werktätigen Buße besser genügt werden können, als durch schwere Kasteiung des Leibes? Wußte man doch, daß vicle hervorragende Kirchenfürsten selbst, so der Kardinal Damiani und der Erzbischof Antonius von Padua , die Selbstgeißelung als leztes Mittel, Gott zu versöhnen, leidenschaftlich empfahlen und an sich selbst angewendet hatten.
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Der Volksmassen bemächtigten sich diese schwärmerischen Ideen einer sittlichen Läuterung. Es trieb sie der Gedanke, die schwere gemeinsame Kasteiung ihrer Leiber, der Hölle sündiger Seelen", müßte die zürnende Gottheit, die das Menschengeschlecht mit Qualen heimsuchte, zähmen." Sie wähnten die Gottheit in grimmiger Ausübung ihrer höheren Strafgewalt"- und darin wollten sie ihr beistehen, indem sie freiwillig noch mehr der Dualen auf sich nahmen.
So ertönten denn bald in alien Gauen der von der Pest heimgesuchten Lande die Bußpsalmen der Flagellanten- Schaaren, unter denen auch zahlreiche Frauen und Kinder sich befanden. Ja, in Speier bildete sich sogar eine lediglich aus Knaben bis zu 12 Jahren bestehende Flagellantengesellschaft, die dem Beispiele der Erwachsenen folgte.