den Felsen. Der Wut seiner Wasser ist nichts vergleichbar. Es ist, als ob der Fluß sich in sich selber verzehren müßte, und wieder und wieder, donnernd und knirschend wiederholt er den Versuch. Die Straße führt dicht über den Wasserwirbel hin und erst seit allerneuester Zeit schwingt sich nicht weit davon eine Eisenbahnbrücke darüber und macht der St. primitiven Brücke auf unserem Bilde Konkurrenz.

Gestörte Ruhe.( S. 129.) Die Parlamente sind geschlossen, die Politik ist in die Ferien gegangen, die saure Gurke macht den Tages­blättern das Leben sauer, der Diplomat erholt sich im Bade von den Strapazen der politischen Heuchelei, die Residenzen sind entvölkert, alles was Odem hat, schnappt nach ländlichem Sauerstoff, zieht ins grüne Landleben oder macht eine Tour ins Gebirge, wenns langt in die Schweiz  , und kehrt, an Leib und Seele erfrischt und gestärkt, in die Heimat zurüd. Nur der Arbeiter kann sich diesen Luxus nicht gönnen; er, der vielgeplagte, dem eine solche Erholung besonders gut täte, ist auch in des Sommers kaum erträglicher Schwüle an die Werkstatt ge= bannt, um im Schweiße seines Angesichtes den färglichen Taglohn zu verdienen, für ihn hat kein gütiges Schicksal Sommerfrische, Bäder und Schweizerberge geschaffen.- Arthur ist kein Arbeiter, sondern der ver­hätschelte Sohn eines steinreichen Fabrikanten. Auf dem Reitplaz, im Skating Rink, im Orpheum und ähnlichen Lokalitäten fließen ihm die Tage und die Nächte sanft und lieblich dahin. Wer ihn aber einen Tag­dieb nennen würde, täte ihm bitteres Unrecht; keiner versteht besser als er die Kunst, Champagnerflaschen zu entkorken, daß der Pfropf knallend an die Decke fliegt, Austernschalen mit Eleganz zu öffnen, hübschen Damen den Hof zu machen und sie mit Anekdoten und Schnurren zu unterhalten, wobei ihm seine Phantasie ausgezeichnete Dienste leistet, denn er hat vom Mütterchen die Frohnatur und Lust zu fabuliren". Dichtung und Wahr­ heit   sind in seinen Erzählungen hold gemischt, und merkwürdigerweise ist er Achill   und Homer in einer Person, die Heldentaten, die er seinen schönen Zuhörerinnen in lebhaften Farben mit schön gedrechselten Redensarten schildert, hat er alle selber vollbracht. Wie leuchten die Vergißmeinnicht­augen der blonden Seraphine, da er die zahlreichen Duelle erzählt, welche er mit Studenten und Offizieren ausgefochten, wie pocht ihr Herz bei der Erzählung von dem großen Brande, wo er, Arthur, ein zweijähriges Kind aus dem Flammenmeer geholt hat. Nichts besticht ein Frauenherz so sehr, als Kraft und Mut, eine Desdemona ver­schmäht die schönsten und vornehmsten Freter und wirst sich dem tapferen Mohren in die Arme. Wenn der blonden Seraphine jemand sagen würde, Arthur habe gräulich aufgeschnitten, gewiß, sie würde ihn aufs tiefste verachten, denn sie glaubt an Arthur, sie schwärmt schon für ihn, sie liebt ihn. Den größten Effekt aber hat Artur auf zulezt aufgespart; das ist seine Erzählung von dem Stiergefecht in Sevilla  , wo er einem wütenden Stier, der eben den Torrero( Stierfechter) mit den Hörnern spießen wollte, unerschrocken zu Leib ging, eine ganze Viertelstunde mit der Bestie rang und sie schließlich unterkriegte. Er hat die Geschichte schon so oft erzählt, daß er sie beinahe selber glaubt. ,, Da ertönte gewiß rauschender Beifall", flötet Seraphine. Rauschend! fagen Sie lieber rasend. Hageldicht flogen die Kränze von den Bal fons". Der Sprecher hält plözlich inne, springt auf und ergreift das Hasenpanier und die Schönen eilen ihm nach. Ein Muni( wie in der Schweiz   der Farren genannt wird, der bei uns auch Hummel, Häge oder Bulle   heißt), der auf der nahen Alpe   friedlich weidete im Kreise schöngefleckter Kühe, hat die Gesellschaft überrascht, und diese über­läßt dem Feind, nur auf ihre persönliche Sicherheit bedacht, ihre kost­baren Toilettenstücke, welche der Muni erstaunt betrachtet und ver­mutlich nicht unversehrt lassen wird. Namentlich wird er seine Kraft an dem Sonnenschirm erproben, der ihm seinen Stiel so herausfor­dernd entgegenstrect. Arthur aber wird den Damen wie Falstaff be­weisen, daß Vorsicht die bessere Seite der Tapferkeit ist, und daß er diesmal eine Memme aus Instinkt gewesen. Und wenn die schöne Seraphine fragt, was denn das für ein Tier sei, wird er sie mit jenem Professor belehren: Der Stier ist der Vater des Kalbs, die Kuh ist seine Mutter, der Farren aber ist sein Dheim.

St.

Die Plünderung von Wisby.  ( S. 136-137.) An der Westküste der schwedischen Insel Gotland   liegt die Stadt Wisby  , die mehrfach schon das Ziel von sogenannten Wisbyfahrten( Vergnügungsreisen mit Wisby   als Ziel) gewesen ist. Das heutige Wisby ist eine Stadt von faum 7000 Einwohnern, kaum ein Schatten seiner früheren Größe. Die Stadt ist von deutschen Kaufleuten angelegt worden und wurde wegen ihrer günstigen Lage bald eine der bedeutendsten nordischen Handelspläze. In seiner Glanzzeit hatte es 18 Kirchen und war mit gewaltigen Befestigungen versehen, von denen heute noch die impo­nirenden Ueberreste zu sehen sind; aus dem Jahre 1200 steht noch die gotische Domkirche. An 12 000 Kaufleute soll die Bevölkerung Wisbys unter sich gehabt haben, dessen Reichtum damals sprichwörtlich war. Die Chronisten, welche davon erzählen, mögen teilweise tüchtig auf­geschnitten und nach dem Hörensagen berichtet haben. Wenn sie er­zählen, daß es in Wisby   Frauen gegeben habe, die auf goldenen Spin­deln spannen, so lassen wir uns das schon gefallen; wenn aber hinzu­gefügt wird, daß man den Schweinen ihr Futter in silbernen Gefäßen gereicht habe, so erlauben wir uns etwas mißtrauisch zu werden. Wisby  gehörte der mächtigen Verbindung der Hansa an, und durch seine ex­ponirte Lage war es bei den häufigen Kämpfen zwischen der Hansa

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und den nordischen Königen den Angriffen der lezteren sehr ausgesezt. Im Jahr 1361 griff der dänische König Waldemar IV.   die schwedischen Inseln Deland   und Gotland an. Waldemar hatte die Gewohnheit, das Sprichwort: Morgen ist wieder ein Tag!" viel zu gebrauchen, wovon man ihn ,, Attordag" nannte und ihn damit als einen weise abwägenden Fürsten   bezeichnete. Dieser Dänenkönig strebte nach der Oberhoheit Dänemarks   in den skandinavischen Ländern, wie sie später auch durch seine Tochter Margareta, die von dem Schwedenkönig in der derben Sprache jener Zeit als ,, König Hosenlos" bezeichnet wurde, in der Union von Kalmar erreicht wurde. Waldemar gelangte noch nicht soweit, aber er eroberte die beiden Inseln, und nachdem er die Soldtruppen der Wisby  'schen Kaufleute geschlagen hatte, konnte auch die reiche Stadt selbst nicht widerstehen. Waldemar IV.  ( Attordag) zog als Sieger ein und nahm die Gelegenheit wahr, sich an den sagen­haften Schäzen der Wisby  'schen Kaufleute zu bereichern. Diese Dänen­tönige scheinen überhaupt die Gewohnheit gehabt zu haben, mit der Hanja solange in Frieden zu leben, bis sie an gewissen Pläzen Schäze aufgehäuft wußten; dann zogen sie auf Plünderung und Beute aus. Waldemar IV.   tat nicht anders; nachdem er in Wisby   eingezogen war, ließ er auf dem Marktplaze drei große Tonnen aufstellen, welche die Einwohner binnen drei Stunden mit Gold und kostbarem Geschmeide zu füllen hatten. Diese Plünderung sollte ihm freilich nicht viel Nuzen bringen, denn die Schiffe, welche die Schäze von Wisby   trugen, wur den bei der Heimfahrt von den wilden Wogen des baltischen Meeres verschlungen, in dessen Tiefe heute noch ruht, was einst der Bewohner von Wisby Stolz und Reichtum war. Aber auch Wisby   hat sich von diesem Schlage nicht mehr erholen können. Wenn auch um 1370 der König Waldemar Attordag zu einem für die Hansa vorteilhaften Frieden gezwungen wurde, wenn auch 1428 noch eine Hanseatische Flotte von 260 Schiffen gegen Kopenhagen   zog, und wenn auch die Hansa   noch im ersten Drittel des sechszehnten Jahrhunderts unter Jörgen Wullen­wewer die nordischen Könige ihre Macht fühlen ließ Wisby   erhob sich nicht mehr zu seiner Blüte von ehedem. Als die neuen Entdeckun gen dem Handel andere Seewege geboten und die Hansa   zerfiel, war an eine historische Rolle des einstmaligen hanseatischen Vorpostens auf Gotland  , Wisby  , ohnehin nicht mehr zu denken. Es blieb ein kleines, unbedeutendes Städtchen, wie es heute noch sich darstellt, und nur die gewaltigen Trümmer seiner einstmaligen Befestigungen sind noch vor­handen als stumme aber untrügliche Zeichen der einstigen Macht und Herrlichkeit dieser alten Hanseatenstadt.

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Ein junger schwedischer Künstler, Karl Gustav Hellqvist, der schon vor fünf Jahren mit einem Bilde des vor Friedrichshall   in Norwegen  erschossenen Königs Karl XII.   von Schweden   Aufsehen erregte, hat, von den großen Erinnerungen der Hansa angezogen, die Plünderung Wis­ by's   durch Waldemar IV.   in einem großen und rasch berühmt gewor denen Bilde dargestellt, von dem wir eine Kopie unseren Lesern vor führen. Unter einem besonders für ihn errichteten Tronhimmel hat fich Waldemar IV.   aufgepflanzt, um selbst die Ablieferung der Wisby Schäze zu überwachen. Vor ihm steht ein Geharnischter, der einen merkwürdigen Helmschmuck hat, mit einer Wappenfahne, und ringsum der ganze Apparat, den ein Dänenkönig von dazumal zu solch einer Plünderung gebrauchte. Zunächst ein finster dreinblickender Pfaff mit Kutte und Kapuze, dann eine große Anzahl von Geharnischten und Bewaffneten, ein Trompeter, welcher die Säumigen antreibt, und im Hintergrund der Henker, der mit mittelalterlicher Gemütlichkeit seinem Nachbar das Richtschwert zeigt, das wir beiläufig für zu leicht halten, um stolze Hanseatische Häupter vom Rumpfe zu trennen. Die noch vorhandenen Richtschwerter zeigen mehr Breite und Wuchtigkeit. Die Söldlinge Waldemars treiben brutal die Wisby  - Bewohner herbei. Von allen Seiten werden die Kostbarkeiten gebracht und voll bitteren Schmerzes in die Fässer des räuberischen Dänen geworfen. Alle Stände find unter den Beisteuernden vertreten, und eine Fran, der man vielleicht ihr Leztes genommen, wirft sich verzweifelnd vor dem Bilde des Ge freuzigten nieder. Im Vordergrund aber sehen wir einen stolzen Ba trizier von Wisby  , der mit Weib und Kind über den Markt wandelt. Die Beraubung seiner Vaterstadt erregt seine ohnmächtige Wut und er ballt seine Faust verborgen gegen den Dänenkönig, während sein Weib flehend gen Himmel sieht. Er tut gut, seinen Unwillen nicht laut werden zu lassen, denn Waldemar beobachtet alles argwöhnisch, und der Henter steht nicht umsonst dort. Im Hintergrund ragen die stolzen Mauern und Gebäude von Wisby  , so daß sich das Ganze zu einem großartigen und lebensvollen historischen Bilde aus der Zeit großer Kämpfe im Norden gestaltet.

W. B.

Vom Krieg im egyptischen Sudan.( S. 141.) Im vergangenen Sommer vernahm man häufig von den Erfolgen eines Aufstandes in Oberegypten, an dessen Spize sich ein Prophet, ein sogenannter Mahdi, befindet. Der Mahdi oder Madhi   ist bei dem Muselmann ein Pro­phet, der kurz vor dem jüngsten Tag erscheint und diesen verkündigt. Dann wird das große Weltgericht über Gläubige und Ungläubige ers folgen. Bis jezt sind schon viele Mahdis erschienen, aber der jüngste Tag und das Weltgericht sind noch vorläufig ausgeblieben, obschon jeder dieser Mahdis der richtige Verkündiger zu sein behauptete. Abdel Rader wurde als solch ein Mahdi angesehen; desgleichen Bu- Amema, der vor einiger Zeit im südlichen Algier   die Franzosen angriff, von dem man aber in jüngster Zeit nichts mehr gehört hat. Abdel Kader ist inzwischen nach langjähriger Verbannung in Syrien   gestorben; in­