lustiger als vorher, ihr Lachen klang herausfordernder und ihre glänzenden Augen senkten sich einigemal tief in die seinen. Als sie ihn entließ, winkte sie Helene zu sich, die am Arme des Prinzen Heinrich herangekommen war und mit Reinthal einige Worte gewechselt hatte.
„ Er ist süperb," flüsterte ihr die Fürstin zu, und dann lauter:„ Warum hat ihn uns Reinthal nicht früher gebracht, warum erst jezt, zu Ende der Saison? Wie gut hätte ich ihn bei den lebenden Bildern verwenden können. Tasso am Hof Alfonsos hätte dann nicht ausbleiben dürfen. Er wäre ein
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Tasso, wie er leibt und lebt, der verkörperte Idealismus, und wir beide die passendsten Leonoren, was meinst du dazu?"
" Daß er deines Interesses werth ist," erwiderte Helene mit einem Lächeln der Befriedigung,„ Reinthal rechnet auch darauf, er hofft einen Posten bei einer Gesandtschaft für ihn zu er halten."
„ Da müßte er fort, bewahre! wir werden ihm schon etwas suchen, er soll bei uns bleiben."
"
Der König kommt," hieß es plözlich, und die Nachricht brachte alles in Bewegung. ( Forts, folgt.)
Von Rosus.
Man kann sich kaum ein glänzenderes Bild vorstellen, als dasjenige ist, welches Deutschlands Außenseite zu Ende des Mittelalters darbietet. Der Welthandel, dessen Mittelpunkt es ist, hat Deutschland zum reichsten Lande Europas gemacht; seine Schiffe durchfurchen alle Meere, und kaum ist Amerika entdeckt, als es auch dorthin seine Handelsfäden zu spinnen beginnt. Die Hofhaltungen der weltlichen und geistlichen Fürsten entfalten einen unerhörten Luxus, der noch von dem großer Handelshäuser in Augsburg und Nürnberg überboten wird, und mit ihnen wetteifern die Patriziergeschlechter in den Städten nach Kräften. Die Wissenschaften, und besonders das Studium der Schriften des Altertums, werden gepflegt; das Kunstgewerbe hat eine Höhe erreicht, die es vollkommen ebenbürtig neben das des damaligen Italiens stellt, eine Höhe, zu der es noch heute nicht wieder sich emporgeschwungen hat, geschweige daß es sie überholt hätte. Malerei und Bildgießerei stehen in schönster Blüte, und auch die deutsche Dichtkunst beginnt aus Jahrhunderte langem Starrkrampf zu erwachen; Ulrich von Hutten singt die besten seiner markigen Lieder in deutscher Sprache, und in Nürnberg versucht sich die deutsche Nachtigal in allerlei Weisen.
Blickt man hinter das Bild, so gähnen uns die schwärzesten Schatten an. Das kaiserliche Haupt des Reiches selbst war ein Schatten, und seine Ohnmacht hatte in den ehemaligen Vafallen eine zahllose Schaar von Despoten aufwachsen lassen, die ihren Grundbesiz mit schrankenloser Willkür regierten. Nur dem Namen nach erkannten sie den Kaiser als ihren Oberherrn, und wie diese Grafen, Fürsten und Prälaten, so herrschten die freien Städte mit absoluter Gewalt über ihre Untertanen. Unter einander suchten und nahmen sie das Recht mit dem Schwerte und vom Schwerte , d. H. vom Straßenraube lebte der niedere Adel, insofern er noch nicht zum Bauern herabgedrückt worden. Der allgemeine Landfrieden stand auf dem Papier und das Reichstammergericht hatte keine Macht, um seine Entscheidungen, wenn die Prozesse einmal bis dahin gediehen waren, durchzusezen. In den Städten lag alle Gewalt bei den adeligen Geschlechtern, den Patriziern; die ganze übrige Bürgerschaft war von jedem Anteil an der Regierung ausgeschlossen, das Handwerk durch Zunftgeseze eingeschnürt, deren Enge die überschüssige Arbeitskraft der Bettelei, dem Vagabundentum und Verbrechen in die Arme trieb. Die Bauern, die ursprünglich als freie Leute den Acker ihrer Dorfgemeinden bebaut hatten, waren bis auf wenige kümmerliche Reste unter das Joch der Leibeigen schaft gezwungen worden. Die Bezeichnung für sie als„ arme Leute" ist viel zu milde. Das Vieh hatte es besser als sie. Frohn- und Kriegsdienste und Steuern ohne Ende an Kirche und Grundherrschaft sogen ihnen das Mark aus den Knochen. Dazu kam, daß die Fehden, welche ihre Herren gegen einander führten, auf ihre Kosten gingen. Denn in der Hauptsache bestand diese Kriegsführung darin, daß die adeligen Herren die Dörfer ihrer Gegner überfielen, das Vieh wegtrieben, die Felder verwüsteten, die Häuser niederbrannten und einzelne Bauern solange in ihren scheußlichen Verließen gefangen hielten, bis
sie ein erkleckliches Lösegeld aufgetrieben hatten. Ist es da ein Wunder, wenn nach der Dämpfung des Bauernkriegs ein junger Bauer auf dem Weg zur Richtstätte in die herzzerreißende Klage ausbricht:„ Ach Gott, ich soll schon sterben und hab' mich noch nicht ein einzigesmal in meinem Leben an Brod satt gegessen!"
Wie es unter solchen Umständen mit der Volksbildung be schaffen war, braucht kaum gesagt zu werden. Die Unwissenheit war arg, nicht nur bei den Laien, sondern auch bei der niederen Geistlichkeit. Die Mehrzahl von ihr verstand nicht einmal den Sinn der Gebete, die sie in einem schrecklichen La tein plärrte. In den Briefen der Dunkelmänner, an denen Ulrich von Hutten mitarbeitete, finden wir diese Unwissenheit in so köstlicher Weise karrikirt, daß die ganze Nation über die Pfaffheit lachte.
Als allgemeines Zeichen der Zeit aber ist die Unsittlich feit zu betrachten, welche von oben her alle Stände der Gesell schaft durchsickerte. Und niemand übertraf an unergründlicher Lüderlichkeit die Mönche und Pfaffen.
Diese Unsittlichkeit des Pfaffentums, mit der dessen Geiz und Herrschsucht Hand in Hand gingen, hatten schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts in der Kirche selbst das Bedürfnis einer Reform an Haupt und Gliedern fühlbar gemacht. Zwar richtete sich die Opposition im Schoße der Geistlichkeit zunächst gegen die heillose Geldwirtschaft des römischen Hoses, die durch Benefizienwucher, Annaten, Kanzleigebühren, Reservationen, er ledigte Pfründen, Zehnten und andern Finanzkünste die ganze Christenheit ausbeutete, aber es standen nun auch im deutschen Reiche Prediger auf, welche, weitergehend, gegen den unmora lischen Lebenswandel der Geistlichkeit, die Mönchsorden und gegen einzelne Lehren der Kirche öffentlich das Wort ergriffen. Johann Huß wurde freilich verbrannt, jedoch seine Lehre durch Missionäre weithin verbreitet. Die Zahl der Reformatoren mehrte sich, kühner wurden ihre auf die Bibel sich stüzenden Angriffe; Prädikanten, ungelehrte Männer aller Stände, die sich an ihrer Begeisterung entzündet hatten, durchzogen Deutsch land in allen Richtungen. Der Damm, welchen die Geistlichkeit um sich und ihre Kirche aufgeworfen, hatte ein Loch bekommen, und vollends durchbrochen ward er, als Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Säze gegen den Ablaßhandel der Päpste an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg nageln ließ.
Luther , der anfänglich die Rechte hatte studiren wollen, durch den gewaltigen Eindruck aber, den ein Gewitter auf ihn machte, in den Orden der Augustiner einzutreten bewogen worden war und 1507 die Priesterweihe empfangen hatte, hatte auf einer Wallfahrt nach Rom , die er vier Jahre später unternahm, einen Blick in die Fäulnis der Kirche an Haupt und Gliedern geworfen, der ihm„ die Milch der frommen Denkart in gährend Drachengift" verwandelte. Der schmachvolle Handel, den Papst Leo X. durch Tezzel und andere Hausirer in Deutsch land mit dem Ablaß trieb, indem jeder für sein Geld sid Vergebung der Sünden kaufen konnte, brachte die sittliche Empörung Luthers , der inzwischen( 1515) an der Universität