suchungen des Teufels auffassen und der Sieg, den er über sie nach schweren Kämpfen davontrug, erregte nicht nur in ihm die Ueberzeugung, daß Gott durch ihn rede, sondern ließ auch seine Freunde, Verehrer und Schmeichler in ihm den Propheten, den Gottesmann erblicken. Wie hätte er sich da nicht über­heben und in Glaubenssachen für unfehlbar, die Ansichten seiner Gegner aber für ein Werk Satans halten sollen.

Naturgemäß übertrug er diese Anschauung auch auf das poli­tische Gebiet. Dem Volke, aus dem er hervorgegangen, seinen Bedürfnissen, seiner Kraft durch das Klosterleben entfremdet, durch seinen Landesherrn ermuntert und behütet, mußte ihm die Klugheit raten, sein Werk auf die Gunst der weltlichen Fürsten zu stüzen. Es war ihm daher alles daran gelegen, daß die Pfeiler der weltlichen Gewalt nicht umgestürzt wurden, und da Gott durch ihn die Wiedergeburt der Kirche wollte, diese aber nur mit Hilfe der weltlichen Fürsten durchzuführen war, so mußte es wiederum der Satan sein, der seine Gegner

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aus der Bibel das Recht der Empörung auch gegen die welt­lichen Fürsten herauslesen ließ. Hätte Luther   anstatt auf diese auf das Volk sich gestüzt, so würde aus der Bewegung seiner Zeit ein kirchlich und politisch einiges, freies und starkes Deutsch­ land   sich erhoben haben. Indem er aus seinen eigenen Grund­säzen nicht die vollständige Folgerung zog, blieb die Refor­mation der katolischen Kirche gegenüber Stückwerk und seine Stärkung der nach Unabhängigkeit strebenden Fürstenmacht brachte über Deutschland  , dessen Kaiserkrone zerbrechend, den grauenhaften dreißigjährigen Krieg mit seinem scheußlichen Ge­folge von Despotismus, Zersplitterung. Ohnmacht und Schmach. Wenn heute nun der vierhundertste Geburtstag des Reformators dessen markige Gestalt wieder in den Vordergrund stellt und Luther  " zur Losung macht des noch unausgefochtenen Kampfes mit Rom  , so meine ich, man soll über dem Lichte nicht den Schatten übersehen. Kritiflose Verherrlichung ihrer großen Männer schlägt den Nationen stets zum Unheil aus.

Ueberlebsel.

( Niesformeln. Opfergebräuche.- Liebesorakel.- Spiele.- Ueberlebfel bei den herrschenden Klassen.) Von Max Valentin  .

Unsere ganze heutige Weltanschauung ist durchtränkt von dem einen Gedanken, daß alles in und um uns, nicht nur die Pflanzen und Tierwelt, sondern auch in erster Linie das ge­jammte menschliche Kulturleben einer stetigen Höherentwicklung unterliegt. Zelotische Teologen mögen es noch so oft verkünden, daß

müsse: sie finden keinen Glauben mehr.

viele

und schlossen sie wieder und vollführten andere Geberden von

großer Ehrfurcht und Achtung, begrüßten ihn mit verschiedenen

Worten, aber alle kamen darauf hinaus, daß sie sagten: Die

Sonne behüte dich, sei mit dir, erleuchte dich, mache dich groß, schüze dich, begünstige dich, verteidige dich, mache dich glücklich,

erhalte dich" und andere Phrasen der Art, wie die Worte eben

fielen, und dies Gemurmel dauerte eine gute Zeit, worauf der Gouverneur, welcher sich darüber wunderte, zu den Herren und

Freilich ist dieser Fortschritt zwar stetig, aber auch- viele werden dies zu ihrer größten Pein gefühlt haben- sehr lang- Häuptlingen neben ihm sagte: Seht ihr nicht, daß die ganze ſam. neue geſell- welt eine iſt?"- Und der Geschichtsschreiber fügt hinzu:

" Dies wurde bei den Spaniern wohl bemerkt, daß bei einem

einem Guſſe ſei, gleichsam wie einem neuen Schöpfergedanken entſprungen. Wie in unseren Städten inmitten der Mietfasernen und der heiteren Villen alte Türme und Mauern aufragen, die einst den Bürger vor Ueberfällen wahrten, jezt aber zu der modernen Umgebung nicht passen wollen, weder nach ihrer Be- ursacht, wie man gewöhnlich annimmt." stimmung, noch nach ihrer Bauart- unserem alltäglichen Leben vielfach noch Vorstellungen und Ge­

so barbarischen Volke dieselben oder noch größere Zeremonien in Gebrauch seien, als bei denen, welche sich für sehr ziviliſirt halten. Danach sollte man meinen, daß diese Art des Glaubens

allen Nationen natürlich sei und nicht durch eine Pestilenz ver­

so finden sich auch in

Die ganze Welt ist eine," meinte de Soto, von seinem

die Verbreitung der Niesformeln anbetrifft, vollständig Recht

geben. Wenn bei den Sulutaffern einer frank iſt, ſo fragen diejenigen, welche zu ihm kommen, ob er geniest hat oder nicht;

hat er es nicht getan, so murren sie und sagen: die Krankheit ist groß!" Wenn ein Kind niest, sagt man zu ihm: wachse!

denn es ist ein Zeichen von Gesundheit. Wenn der König von

Monomotapa( in Afrika  ) niest, so laufen Segensrufe von Mund zu Mund durch die Stadt. In Guinea   warfen sich im vorigen

bräuche, welche einer fernen Kulturepoche angehören, aber ihr neueren etnologischen Forschungen aber müssen wir ihm, was Leben mit erstaunlicher Zähigkeit bis auf unsere Tage erhalten haben. - als solche nachgewiesen worden. Es lohnt sich wohl, an erſt in allerjüngſter Beit- besonders von englischen Forschern dieser Stelle näher auf einige einzugehen. dende Sitte, beim Niesen einer Person Gesundheit" eder allmälich verschwin­" Wohl bekomm's!" zu wünschen? Das Volt hat in seiner Ver­legenheit, den Ursprung dieses merkwürdigen Gebrauches auf Jahrhundert, so oft eine angesehene Person nieste, alle An­zudecken, willkürlichen Legenden Glauben geschenkt, die irgend wesenden zu Boden, küßten die Erde, klatschten in die Hände ein geschickter Fabulist zuerst erfand, die aber später den Karakter und wünschten ihm alles Glück und Wohlergehen. Die jüdische berbürgter historischer Wahrheit annahmen. Bei einer furcht Niesformel lautet" Gutes Leben". Wenn ein Hindu niest, so baren pestartigen Krankheit im Mittelalter, gegen die alle ärzt- sagen die Nebenstehenden Lebe!" und der Niesende erwidert: liche Kunst hilflos war, soll das Niesen als Zeichen der Rettung Mit euch!" Die Römer riefen ,, Salve", wenn einer geniest bom Tode gegolten haben, erzählt der Volksmund. Seitdem hatte, und selbst Tiberius  , der finstere Menschenfeind, beobachtete wäre der freudige Ausruf oder der Glückwunsch, in den die Um dieses Herkommen streng.

stehenden ausbrachen, allgemein beibehalten worden.

dieses Herkommen streng. Nach welchen Weltteilen, in welche historische Fernen wir unsere Blicke schweifen lassen, überall

firten Volksstämmen in anderen Erdteilen in Berührung famen, besondere Bedeutung zuerkennen. Kenner des Altertums und Reisende, welche mit unzivili treffen sie auf zahlreiche Volksstämme, welche dem Niesen eine haben schon lange den Irrtum dieser Erklärung gefühlt.

So

Die Erzählung von der mittelalterlichen Best ist daher von

Hernando de Soto   auf seiner berühmten Expedition nach Florida  , vornherein als erfunden zu bezeichnen. Andere Erklärungs­als ihm ein Häuptling der Eingeborenen einen Besuch abstattete. versuche, wie sie bei den Griechen und bei den Juden auf­zu niesen. Die Herren, welche mit ihm gekommen waren und sie lediglich der Phantasie entsprungen sind. Der Einblick in Während dies geschah, fing der wilde Fürst plözlich stark an tauchen, verraten schon durch ihr mytologisches Gewand, daß sich längs der Mauer der Halle unter den Spaniern aufgestellt das Seelenleben der niederen Menschheitsstufen, den uns die hatten, neigten auf einmal alle ihre Köpfe, öffneten die Arme Wissenschaft-

Nr. 8. 1884.

"

-in erster Linie wiederum die englische Wissen­