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„ Du Gott , schlage nicht das meinige, ich will dir diese Seite Speck schenken." In Kärnten werden dem Wind und dem Feuer, um sie freundlich zu erhalten, Speisen dargebracht, die man in einer hölzernen Schale auf einen Baum stellt; man nennt es den Wind und das Feuer füttern". Der oberpfälzer Bauer wirft bei heftigem Sturm dem tobenden Element einen Löffel oder eine Hand voll Mehl entgegen mit den Worten: „ Da, Wind, hast du Mehl für dein Kind, aber aufhören mußt du." Durch ganz Deutschland hindurch dürften sich Reste der alten Ernteopfer für Wotan oder Fricka erhalten haben. Bald läßt man, wie in Norddeutschlund, einige Büschel Aehren für den Wotan" stehen, oder für Wotans Pferd, wie in Nieder sachsen ; bald wirst man die erste gebundene Garbe nachts 12 Uhr durch das hintere Scheunentor für die Engel vom Himmel", wie in Hessen . In Mecklenburg und ähnlich im Lippe'schen ließ man noch im vorigen Jahrhundert am Ende jedes Roggenfeldes einen Streif unabgemäht, flocht die Halme in Büschel zusammen und besprengte sie, wie bei den alten Wotansopfern, mit Bier. Die Arbeiter schlossen darum einen Kreis, nahmen die Hüte ab, richteten die Sensen in die Höhe und sprachen dreimal:" Wode, hole deinem Roß nun Futter; nun Distel und Dorn, aufs andre Jahr besser Korn." Das den Arbeitern dann gegebene Gelag hieß Wodelbier". In Waldeck tragen die Eltern, wenn ihre Kleinen kränkeln, Wolle und Brot in einen Wachholderbusch und sprechen:" Ihr Holle und Hollinnen, hier bring' ich euch was zu spinnen und was zu essen; ihr sollt spinnen und essen und meines Kindes ver gessen." Im baierischen Hochlande bindet man den Kühen Körbchen voll Erdbeeren und Alpenrosen zwischen die Hörner „ für die Fräulein."
Das
Hier tritt der Karakter des Opfers überall scharf und unzweideutig hervor. Bei einer Fülle anderer Erscheinungen wird uns der Zusammenhang mit uralten heidnischen Gebräuchen erst flar, wenn wir ihre Entwicklung geschichtlich rückwärts verfolgen. Erinnert sich die Hausfrau alter Opfer und Opfermahlzeiten, wenn sie zu Weihnachten, Neujahr, Fastnacht, Ostern bäckt oder Festspeisen bereitet? Und doch dürften die Stollen, die Lebkuchen, die Striezel und ähnliches sich dieser hohen Abkunst erfreuen. Schon zu den Winterfesten Wotans, von welchen so viele Züge auf unser Weihnachtsfest übergegangen sind, wurden Bilder der Götter und heiligen Tiere aus Teig und Honigkuchen geformt und von den Frauen im Tempel gebacken.
Ganz wunderliche Gewohnheiten werden bei solchem geschicht lichen Rückblick erklärlich. In Franken essen die Mädchen vor der Christmesse oder am Andreasabend einen Hering, um ihren Zukünftigen im Traume zu erblicken. Der Thüringer , Voigt länder und Brandenburger ist in der Sylvesternacht Hering und Hirsebrei, weil er dann das ganze folgende Jahr viel Geld und Glück hat; die Heringsköpfe werden durch die Augen an die Decke gespießt und dann deni kranken Vieh zu fressen gegeben; die Heringsseele wirst man wohl an die Decke, nach hundert Jahren springe dann ein Pferd, ein Schimmel ohne Kopf, herunter. Der leztere Zug weist auf Wotan hin und bei näherer Untersuchung stellt sich denn auch heraus, daß Heringe zu den alten Festspeisen gehören. Noch heute wird in den russischen Ostseeprovinzen an gewissen Tagen unter heiligen, mit bunten Bändern geschmückten Bäumen Milchgrüze und Hering als Opfergabe dargebracht. So stand also früher in Deutsch land der Hering mit dem Gottesdienst in Verbindung. Ist es dann noch zu verwundern, daß man ihm außerordentliche Wirfungen auf Tiere wie auf Menschen zuschrieb?
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erkennen wollen, nach dem Opfern und Opfer fanden sicher lich vor der Hochzeit statt lich vor der Hochzeit statt die Gefäße zu zerschlagen, um sie unheiligem Gebrauche zu entziehen. Ist es doch heute noch Sitte, bei ergreifenden Gelegenheiten, wie beim Abschied inniger Freunde oder auch beim Richten eines Hauses, die Gläser auszutrinken und am Boden zu zerschellen.
Bekannter und glaubhafter ist es, daß mit der Grundsteinlegung eines Hauses verbundene Bräuche in alten Opfern ihre Wurzel haben. Wurzel haben. Wie in Polynesien der Zentralpfeiler eines Tempels auf dem Leichnam eines geopferten Menschen aufge pflanzt wurde, wie wir in Asien und Afrika Menschenopfer bei Gründung eines Dorses, beim Aufbau eines Stadttores dar bringen sehen, so wurden auch in Europa Kinder bei Grund. steinlegung von Burgen, Stadtmauern, Brücken, Flußwehren, beim Bau von Deichen lebendig eingemauert, um dem Bau Dauer und Glück zu verschaffen. Man hat beim Abbruch oft die Gerippe gefunden. Weitverbreitete Sagen tragen Spuren dieses Brauches. Eine der rührendsten meldet uns, daß, als die Burg Liebenstein gegründet wurde, ein kleines Mädchen eingemauert ward, das eine herzlose Landstreicherin gegen Geld hergab. Man gab ihm reichlich zu essen, um es zu beruhigen, während Meister und Gesellen ihrem traurigen Handwerk ob lagen. Das Kind rührte die Speisen nicht an, aber es rief, als es noch ein wenig heraussehen konnte:" Mutter, ich sehe dich noch ein klein wenig," und zulezt:„ Ach, Mann, laß mir doch ein klein Gucklöchelchen, daß ich meine Mutter sehen fann." Meister und Gesellen befiel endlich ein Grauen und sie weigerten sich, weiter zu mauern. Ein Lehrling tat es und das Kind rief noch zulezt:„ Mutter, jezt sehe ich dich gar nicht mehr." - Es ist der zivilisatorischen Arbeit von Jahrhunderten nicht gelungen, diesen grausamen Aberglauben bis auf den lezten Rest auszurotten. Die bösen Geister müssen erst ein Opfer haben, sonst lassen sie den Menschen in dem neuen Heim nicht glücklich werden; diese Vorstellung zieht sich durch Jahrhunderte, ja Jahrtausende bis auf die Gegenwart. Als 1841 die Elisabet brücke in Halle gebaut wurde, meinte das Volf, man bedürfe eines Kindes zum Einmauern, und auch von der Eisenbahnbrücke über das Göltschtal geht die Sage, es sei darin ein kind eingemauert.„ Wenn ein Neubau halten soll, so muß er sein Opfer haben, sonst stirbt bald jemand in dem Hause," heißt es in Oldenburg . Der fränkische Bauer glaubt noch heute, daß der für den Tod bestimmt ist, welcher zuerst ein neues Haus betritt; in seiner pfiffig praktischen Art weiß er sich aber zu helfen, er jagt zuerst einen Hund, einen Hahn oder ein Huhn durch die Flur, der Tod muß sich mit diesen begnügen, wie der Teufel in dem Chamisso'schen Gedicht mit den Stoppeln. Die in den Grundstein gelegten Münzen sind ursprünglich kaum etwas anderes, als ein ähnliches Opfer.
Eines wird aus dem vorhergehenden für jeden Leser her vorgetreten sein: nämlich die starke Neigung des bäuerlichen Standes, alte, abergläubische Sitten beizubehalten. Finden wir in überwiegend ländlichen Gegenden doch sogar den uralten Brauch noch, dem Toten, wie einem Reisenden, Geld mit in den Sarg zu legen. Im Voigtland soll man den Verstorbenen noch heute mit Gummischuhen und Regenschirm ausrüsten, in Galizien gar mit fetten Bratwürsten. Diese Rückständigkeit Bauern kann nicht befremden. Einmal kann das Bildungswesen auf dem Land mit dem städtischen nicht rivalisiren, dann aber ist die Atmosphäre, in welcher der Bauer lebt, ist die Atmosphäre, in welcher der Bauer lebt, gleichsam wie geschaffen für das Gedeihen des Aberglaubens.
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Wo alles nach bekannten Gesezen vor sich geht, wo alles Wer seine Jugend in einer kleineren Stadt verlebt hat, wo genau vorher zu berechnen ist, wird man nirgendwo den Einfluß das Argusauge der Polizei noch nicht mit peinlicher Aufmerk- von Geistern zu sehen vermeinen. Nur das bisher noch nicht samkeit jeden Schritt und Tritt überwacht, wird sich des un- Erklärte und das Regellose erscheint im Lichte des Geheimnis glaublichen Unfugs erinnern, der am Vorabend der Hochzeit vor vollen. Das Wohlergehen des Landmannes hängt nun aber dem Hause der Braut getrieben wird. Alle, Gaffenbuben sind mehr als das anderer Stände von unberechenbaren Umständen auf den Beinen und schleppen herbei, was sie an alten schad ab, von Wind und Wetter, von Trockenheit und Näſſe. Hier haften Töpfen und Gläsern auftreiben können, um sie mit ist für abergläubische Vorstellungen ein weiter Spielraum ge möglichstem Lärm vor dem Brauthause zu zertrümmern. Man laſſen und damit auch für abergläubische Handlungen und hat auch hier einen Ueberrest der alten feierlichen Zeremonie Gebräuche. Unser Landmann hat noch heute seine Anzeichen