250

Cäsarismus im alten Rom  .

Von Wilhelm Blos  .

Die Schlacht von Philippi im Jahre 42 v. Chr., in welcher die lezten Römer" Brutus   und Cassius   mit ihren republika nischen Legionen gegen die Söldner Oktavians  , des nachherigen Kaisers Augustus, unterlagen, war der Todesstoß für die alte römische Republik. Dieser Todesstoß war ein historisch unver­meidlicher geworden, denn die unheilbar kranke Republik   konnte nicht länger leben. Wir bewundern den hohen Mut, mit wel chem Brutus, Cassius und Cato für ihr Jdeal fochten und starben, allein die wirkliche römische Republik war von diesem Ideal weit entfernt. Seit einem halben Jahrhundert war sie die Beute ehrgeiziger Heerführer und Diktatoren geworden; der blutdürftige Aristokrat Sulla  , der rohe Demokrat Marius  , die ehrgeizigen Triumvirn Cäsar, Pompejus   und Crassus   hatten mit Feuer und Schwert gehaust. Das ungeheure römische Reich war nur noch ein blutiges Schlachtfeld der Parteien, und wenige mochten sagen können, daß ihr Kopf oder ihr Eigentum von heute auf morgen sicher seien. Wer nur Macht hatte, konnte Recht und Gesez nach Belieben mit Füßen treten; wer in den Kämpfen Sieger blieb, der ächtete seine Feinde, überlieferte sie dem Henker und zog ihr Eigentum ein. Eine beutegierige Soldateska zerfleischte gleich einem Schwarm von Aasgeiern den Körper der sterbenden Republik  . Das Ende dieser beispiellosen Anarchie konnte nur die Diktatur, der gröbste Despotismus sein, und er erschien denn auch in der Gestalt der Cäsarenherrschaft.

Wie war aus Rom  , der Heimat rauher Bürgertugend und unüberwindlicher Vaterlandsliebe, ein solcher Tummelplaz der rohesten und zügellosesten Leidenschaften, ein solches politisches und gesellschaftliches Chaos geworden?

Die römische Gesellschaft war wie die hellenische auf Sklaverei begründet, wobei nicht zu vergessen, daß der römische Proletarier ganz etwas anderes ist als der Sklave. Der Proletarier war Bürger und gehörte zu der lezten jener sechs Klassen, in welche die römische Gesellschaft nach ihrem Vermögen vom König Servius Tullius   eingeteilt worden war. Er stand über dem Sklaven und verachtete die Arbeit, welche der Sklave tun mußte. Der moderne Proletarier erhält durch seine Arbeit die Gesell schaft; der römische ließ sich, wie wir sehen werden, fast oder ganz ohne Arbeit von der Gesellschaft unterhalten.

Nur der Ackerbau stand in Ehren bei Patriziern und

Plebejern. Unter den Königen und in den guten Zeiten der

Republik   gab es eine Art von Zünften, die hoch angesehen waren. Später aber, als die Eroberung und Ausbeutung fremder Länder förmlich Staatszweck wurde, kamen große Reich­

tümer ins Land, die Verachtung der Arbeit stieg, und man kam darin so weit, daß diejenigen, welche ein Gewerbe betreiben wollten, vom Wahlrecht gleich den Sklaven ausgeschlossen wurden.

Die Bürger aber, die ihre Grundstücke verkauften, den Gläubigern überließen oder bei der eigenen Bewirtschaftung kein Glück hatten, gingen nach Rom   zurück, da im Kriegsdienst das Söldnersystem überhand nahm. Sie vermehrten dort die Masse jener Bevölkerung, die gerne üppig leben mochte, aber nicht arbeiten wollte, was übrigens auch bei der unfreiwilligen Kon furrenz der Sklaven von wenig Belang gewesen wäre. Bürger bis zum lezten Proletarier in Rom   betrachtete eben die Arbeit als eine Schande.

Der

Inzwischen strömten aus den eroberten Provinzen in Europa  , Afrika   und Asien   ungeheure Reichtümer nach Rom  . Es war römisches System geworden, die Provinzen auf das schamloseste auszuplündern. Sie mußten alles hergeben, woran es in Italien  fehlte, und sie mußten, wie wir sehen werden, Rom   förmlich ernähren. Während durch die Beraubung der Provinzen sich einzelne in unglaublicher Weise bereicherten, stieg die Armut der Massen. Es gab schon zu Cäsars Zeit in Rom   nur 130000 Reiche und Wohlhabende, dagegen 320 000 Bürger, die zur Klasse der Proletarier gehörten. Später wurde das Verhältnis noch weit schlimmer.

Wem es gelang, sich in den Provinzen oder sonstwie ein Vermögen zusammen zu rauben, der hatte mit dieser Masse ein leichtes Spiel. Da sie nicht arbeiten wollte, ließ sie sich von denen ernähren, deren politischen Zwecken sie diente. Man lebte vom aktiven Wahlrecht. Denn da in Nom viele der bedeus tendsten Staatsstellen durch die Wahl der Bürger besezt wurden, so konnte derjenige leicht dahin gelangen, der die Wähler bes schenkte. Dieses System artete in einer fast unglaublichen Weise aus, denn die Machthaber wußten, daß alles davon abhing, dem Volfe Panem et circenses  ", Brot und Spiele, zu geben. Wenn ein Sieger seinen Triumphzug auf das Kapitol feierte, wurde eine fabelhafte Pracht und Freigebigkeit entfaltet, während man die politischen Gegner beraubte und tötete.

Die Maffe

fünf Triumphe von märchenhafter Pracht; einen davon bei Nacht, aber gewann man auf solche Weise leicht. Cäsar z. B. hielt wobei 40 Elefanten auf beiden Seiten des Zuges die Lichter trugen. Auf 22000 Tischen war für 198 000 römische Bürger gedeckt, und es wurden kostbare Speisen und Weine verabreicht. Jeder Bürger bekam eine Summe Geld, ein Quantum Getreide und Del, ein Quantum Fleisch, und es wurde ihm die Haus miethe auf ein Jahr bezahlt. Später wurden auch noch kleider gespendet. Dann kamen die Fechterspiele, die Tänze, die Cirkus­

mits

spiele, die Seeschlachten, die zum Vergnügen der Masse auf­geführt wurden. Bei den Fechterspielen mußten Menschen einander, bei den Tierkämpfen Menschen mit wilden Tieren um Jene furchtbaren Legionen der römischen Republik, die so ihr Leben kämpfen. Die Soldaten wurden natürlich besonders viele Königreiche zertrümmerten, waren aus römischen Bürgern belohnt; von Cäsar empfing z. B. der gemeine Soldat außer gebildet. Die Tapferkeit dieser Milizen wurde von der Republik   den Ländereien noch baares Geld im Werte von 250 Fried­

mit Ländereien in den eroberten Provinzen belohnt. Die Län­dereien wurden ausgelost, und der neue Besizer konnte sein Land

richsd'or( 3900 Mark).

Die Wirkung eines solchen Systems mußte die Massen, nach Belieben selbst bebauen, es seinen Gläubigern überlassen deren ganzes Trachten nur aufs Faullenzen und Schlemmen

oder es verkaufen. Der große Besiz zog auch hier den kleinern an sich; es entstanden die berüchtigten Latifundien, jene un­geheuren Güterkomplexe, die in Weideland umgewandelt wurden. Nach dem Zeugnis des Plinius   haben diese Latifundien das

gerichtet wurde, aufs höchste korrumpiren; das Volk wurde in Wahrheit ein Pöbel, der dem verworfensten Tyrannen zujauchzte, wenn nur tüchtig gespendet wurde, wenn die Massenabfütterungen reichlich und die Spiele großartig waren. Die Kosten dieses

alte Italien   zugrunde gerichtet.*) Man sieht, das heutige Systems mußten die eroberten Länder tragen, und die nötige

England hat seine historische Analogic.

*) Ob die verschiedenen agrarischen Reformen, wie sie die Gracchen

Arbeit hatten die Sklaven zu tun.

Bei solchen Zuständen mußte Rom   immer wieder die Beute u. a. erstrebten, diese Gestaltung der Grundeigentumsverhältnisse hätten ehrgeiziger Feldherren und Staatsmänner werden. Cäsar, der

aufhalten können, ist mehr als fraglich. Hätte man die eroberten Länder auch an jene Bevölkerungsteile abgegeben, die keine Kriegs­Dienste geleistet hatten, so wäre damit nur ein ausgedehnteres Par­

dem künftigen Herrschersystem den Namen geben sollte, wollte Ian Stelle der Republik eine mit demokratischen Formen um zellensystem geschaffen worden. Daß der Parzellenbauer imstande gebene Monarchie sezen; während der Vorarbeiten wurde er

sei, den Verfall eines so großen Staatswesens aufzuhalten, dafür müß­ten die Beweise erst noch erbracht werden."

ermordet.

Der schlaue Oktavian   ward der erste Kaijer im

römischen Reich, der erste Herr der Welt".