Pflanzen grünen. Um den Venetianern auch etwas Gutes zu hinterlassen, ließ Napoleon   an der südöstlichen Spize Venedigs  eine Anzahl Häuser und Kirchen niederreißen und legte auf dem gewonnenen Blaze einen öffentlichen Garten an, der von den Venetianern fast gar nicht besucht wird. Um auch diese Seite Venedigs kennen zu lernen, fuhren wir die weite Strecke hinauf und hatten wenigstens den Genuß einer prächtigen Aussicht. Gleich bei diesen sogenannten Giardini Publici liegt die Insel di S. Pietro, früher Ocivolo oder auch Olivolo genannt. Sie war in der frühesten Periode der Republik   der Schauplaz eines ähnlichen Ereignisses, wie der Raub der Sabinerinnen zu Rom  .

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In der ersten Zeit der Republik   bestand die Sitte, daß die Nobili und die vornehmsten Bürger ihre Vermählung alle an demselben Tage feierten, und zwar auf Maria Lichtmeß   und in der Kirche dieser Insel S. Pietro. Unter dem tapferen Dogen Pietro Condiano, dem Schrecken der Seeräuber, sollte das Fest im Jahre 944 mit großer Pracht gefeiert werden. Reich ge­schmückte Gondeln führten die glücklichen Brautpaare unter den Klängen der Musik von allen Seiten der Insel zu. Ihnen folgten die Eltern, Verwandten, Freunde und Freundinnen mit den oft sehr kostbaren Brautgeschenken. Unter Anführung des Dogen zog man zur Kirche, wo der greise Bischof die Ehen einsegnen sollte. Da brachen urplözlich aus einem Hinterhalt die Piraten der istrischen Küste, die in der vorhergehenden Nacht heimlich gelandet waren und sich versteckt gehalten hatten, in die Kirche herein, raubten mit roher Gewalt die jammernden Bräute und schleppten sie mit den reichen Geschenken in ihre Fahrzeuge. Ein furchtbares Geschrei der Wut und der Rache erhob sich; die Bewohner der nächsten Inseln und Straßen eilten herbei und mit dem Dogen an der Spize stürzten die Wütenden in die Kähne, um den frechen Räubern nachzueilen. Es galt die Piraten zu erreichen, ehe sie Schuz in ihren Schlupf­winkeln fanden, und mit rasender Geschwindigkeit huschten die Fahrzeuge der Verfolger über das Wasser. In furzer Zeit lagen die feindlichen Kähne aneinander und nun entspann sich ein Kampf auf Leben und Tod. Nicht ein einziger der Räuber entkam, alle wurden in die Flut gestürzt, und triumphirend zogen die Sieger mit den wiedererkämpften Bräuten zur Insel zurück. Und nun zurück zum Besuch der zwei schönsten und ehrwürdigsten Denkmäler der Republik  , zur Markuskirche und zum Dogenpalast.

Italien   ist so ungemein reich an architektonischen Schön­

heiten, daß selbst Gebäude, die in jedem anderen Lande Hohe Bewunderung erregen würden, hier weniger auffallen. Die Markuskirche jedoch wird, so lange sie steht, als ganz einzig in ihrer Art, unter allen Brachtgebäuden profanen und kirchlichen

Karakters, hervorragen. Ein eigentümliches Gefühl ergreift uns

bei dem Anblick dieses christlichen Tempels in orientalischer Form. Sie ist das offene Buch, in welchem wir die Geschichte

der stolzen Meeresbraut Venedig   lesen können. Sie ist ein

Schazkäftlein, an dem die mächtige Republik   Jahrhunderte hin­durch schmückte und puzte, und die Mittel, den Stoff zur Ver­

schönerung ihres Kleinods holte sie an der Geburtsstätte der Kunst, in Griechenland   selbst. Ihre Schiffe brachten von Kon­ stantinopel   und den Inseln des Archipels die kostbaren Reste der alten griechischen Gebäude mit und ihre Künstler schufen aus

blutige Gestalten tauchen hier vor unseren Augen auf. Calen derio selbst, der Erbauer des Palastes, war in die Ver­schwörung des Marino Falieri  , die Byrons Drama schildert, verwickelt und büßte seine Unbesonnenheit zwischen den zwei Säulen auf der Piazetta mit dem Tode. Steigen wir die Riesentreppe hinauf, so steht auch dort vor unserem geistigen Auge ein blutiges Schauspiel. Der achtundsiebenzigjährige Doge Marino Falieri   war durch eine Beleidigung, seiner Gemahlin zugefügt, schwer gekränkt worden. Der Frevler war ein Nobile und der Doge fordert vom Senate eine strenge Bestrafung. Wäre der Angeklagte nicht ein Nobile gewesen, oder hätte er weit weniger schwer den Senat beleidigt, dann hätte er vier undzwanzig Stunden später auf der Piazetta gehangen, aber so wurde er nur gering bestraft. Der Doge wütet und ist der Macht des Senates gegenüber ohnmächtig. Er geht mit dem Plane um, sich und das Volk von der furchtbaren Macht des Senates zu befreien. Schon sind die Rollen ausgeteilt, schon die Dolche geschliffen, welche die Senatoren treffen sollten, da kommt die Verschwörung zu Tage und in rascher Entschlossen heit beschließt der Senat an dem Dogen selbst ein blutiges Beispiel zu geben. Am 17. April 1535 wird der greise Doge auf der obersten Stufe der Riesentreppe enthauptet. Das Volt knirscht mit den Zähnen, aber es schweigt. Cave columnas! Die neue Bluttat der Republik   mischt sich unter alle die anderen, aber die schauerliche Verwünschung, die Byron dem Dogen vor seinem Tode in den Mund legt, ist erschreckende Wahrheit. Venedigs   Macht und Glanz ist dahin; seine Patrizier sind vers kommen, sind vielfach Bettler geworden, und wenn auch wohl die verödeten Paläste stehen und von entschwundner Pracht zeugen, so erinnern sie doch dringend an die Worte des Sängergreises:

Weh euch ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang."

treten; heute noch glänzend und Schäze bergend; aber auf dem Es sind wahrhaft königliche Hallen, in die wir jezt ein­glatten Parquet geht nur der Fremde umher und in den hohen Sälen tönt nur die Stimme des Führers, der in oft lächers Wände sind mit kostbaren Gemälden bedeckt und die Heroen der lichen Phrasen schnarrend seine Litanei hersagt. Decken und Kunst, Tizian  , Tintoretto  , Palma  , Bassano, Paul Veronese   und andere haben sich hier verewigt. Viele ihrer Gemälde preisen

die Macht der Republik   und sind heute-

Grabmonumente.

Schaudern ergreift uns, wenn wir dem Führer in die dunklen Räume folgen, in denen die Tribunale der Zehn und der Drei saßen und die Angeklagten mit blutiger Strenge richteten, unter welchen nur zu oft Opfer der Herrschsucht, des Hasses, des Neides und anderer niederer Leidenschaften sich befanden. Selbst die Dogen waren nicht stark genug, ihre eigenen Söhne der schrecklichen Folter zu entziehen. Wohl müßte es gelobt werden, wenn die Republik   so unparteiisch gewesen wäre, das Verbrechen auch an der höchsten Person des Staates oder deren Ver wandten zn strafen, aber dieses Lob gebührt ihr nicht: denn nicht Gerechtigkeit und Unparteilichkeit waren die Richtschnur, sondern Haß, Neid und Herrschsucht. Der schöne jugendliche

Sohn des Dogen Antonio Venier

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bon 1382 bis 1400

den einzelnen Stücken ein Ganzes voll imponirender Schönheit. grausam gefoltert, damit er seine Mitschuldigen nenne. Gr macht einige Spottverse auf die Zehn. Er wird verhaftet und Schönheit, und der Reichtum an kostbaren Marmorsäulen und Verse zu machen. Er wird unter die glühenden Bleidächer ges Das Innere der Markuskirche übertrifft noch die äußere schweigt; denn er braucht ja keine Mitschuldigen, um ein paar Mosaiken steht einzig in seiner Art da. Während acht Jahr- worfen und fleht seinen Vater um Beistand an. Der kann ihm hunderten entstanden bis auf unsere Zeit immer neue herrliche nicht helfen, er hat gegen die Zehn keine Macht. Der arme wir uns einen Begriff von ihrem Reichtum machen, wenn wir möchte wohl, aber der Doge darf nicht und der Jüngling ftirbt Mosaiken. Abgesehen von der Pracht der Einzelheiten können Jüngling wünscht wenigstens seinen Vater zu sehen; der Bater

erwähnen, daß sie einen Flächeninhalt von mehr als 40,000

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in der Verzweiflung. Es mag dieses Beispiel genügen, um zu Quadratfuß einnehmen. Wir treten in den Hof des Dogen zeigen, wie die Republik   die Gerechtigkeit pflegte, und das Gefühl palastes ein, ein Hof, der vielleicht in der ganzen Welt nicht des Schauderns zu begründen, das uns in den Räumen, wo die seines Gleichen mehr hat. Auf dem langgestreckten Säulen gewalttätigen Herrscher ihren Despotismus ausübten, beschlich.

gange ruhen drei kostbare marmorne Stockwerke, selbst wieder prächtige Arkaden, zu denen wir auf der sogenannten Riesen­

Aber ein noch schlimmeres Gefühl, das schlimmste, was man hegen kann, gewinnt in uns die Oberhand, das Gefühl treppe gelangen. Es weht ein düsterer Hauch durch den Hof der tiefsten Verachtung, wenn wir einen Blick werfen in bas

und mehr noch durch das Innere des Palastes selbst. Zwei

"

elende Spionirsystem, mit dem sich die Republik   umgab. In